100 Tage üben
Letztes Wochenende hatte ich das große Vergnügen, beim Abschlussfest der Übe-Challenge der Streicherklassen der Kärntner Musikschulen dabei zu sein. 100 Tag üben: Das ist für viele junge Musiker und Musikerinnen eine ordentliche Herausforderung! Dafür gab es auch für jede und jeden, der diese Challenge durchgehalten hat, eine Medaille und einen Preis. Rund 230 junge Streicher versammelten sich in der Carinthischen Musikakademie am Ossiachersee zur Abschlussveranstaltung und zum gemeinsamen Spiel. Die Stücke wurden zuvor eingeübt, sodass die Kinder bestens vorbereitet waren. So ein großes Orchester: Das gibt einen wunderbar vollen Klang! Ein großes Erlebnis für so manch jungen Geigen-/ Bratschen- oder Celloschüler! Mit so vielen anderen Kindern zusammen zu spielen, das ist wirklich ein ganz besonderes Erlebnis! Auch für mich und die anderen Lehrerkolleginnen und -kollegen war es eine große Freude, mit so vielen enthusiastischen jungen Streichern zusammen zu musizieren!
Warum 100 Tage üben?
Warum macht man so eine Challenge? Für die Organisatoren ist das ja ein ziemlicher Arbeitsaufwand. Es müssen Übe-Pläne erstellt werden, die Schüler-Eltern mit ins Boot geholt und von der Sache überzeugt werden, die Kinder beim Üben unterstützt werden, Medaillen und Preise besorgt werden, die Räumlichkeiten für die Schlussveranstaltung organisiert und vorbereitet werden, hunderte Instrumente gestimmt werden, usw. Wenn es da keinen klaren Plan gibt, wer wann was wo macht, entsteht ein großes Chaos. Das war in Kärnten aber alles bestens und hochprofessionell organisiert von der Fachbereichsleiterin der Streicherlehrkräfte der Kärntner Musikschulen, Annemarie Haring. Hut ab, liebe Annemarie!
Warum also so eine Challenge? Warum 100 Tage üben? Die Kinder sind heutzutage mit Schule und Freizeitaktivitäten so eingeteilt, dass das Üben von einer Unterrichtsstunde bis zur nächsten oft zu kurz kommt. Die Ablenkungen durch Smartphones und Social-Media kommen noch dazu. Unter diesen Voraussetzungen – wenn nicht regelmäßig auf dem Instrument geübt wird – fällt das Spielen oft schwer. Die spieltechnischen Abläufe laufen nicht rund, die herausfordernden Stellen in den Stücken holpern dauerhaft und dies mindert zunehmend die Freude am aktiven Musizieren. Da kommt die 100 Tage Challenge ins Spiel: Durch das Dranbleiben über 100 Tage stellt sich eine Regelmäßigkeit ein. Durch die Regelmäßigkeit stellt sich spürbarer Fortschritt ein. So kommen die jungen Musiker und Musikerinnen in den „Genuss“ des Gefühls von Kompetenz, in den „Genuss“ von Erfolgserlebnissen. Das motiviert ungemein.
Üben als tägliche Routine
Hat sich einmal eine Routine eingestellt, fällt das Üben viel leichter. Es wird nicht mehr überlegt: „Hab ich Lust oder vielleicht doch nicht?“, es wird einfach getan. Eine Routine hilft enorm, eventuelle innere Widerstände zu überwinden. Durch die tägliche Beschäftigung mit dem Instrument wächst auch die Liebe zum Instrument und zur Musik. Man bekommt eine innigere Beziehung dazu.
Und – sollte das Üben an einem Tag doch nicht so viel Spaß gemacht haben – hat man trotzdem das gute Gefühl, eine Aufgabe verlässlich erledigt zu haben. Es läuft ja nicht jeden Tag alles gleich gut. Trotzdem bleibt man dran. Weil man sich eben „committed“ hat, die 100 Tage durchzuhalten.
Übe-Challenge als Motivationsinstrument
Auch die Suzuki-Klassen in Wien veranstalten regelmäßig solche Übe-Challenges mit großem Erfolg. Das Ergebnis ist jedes Mal ein großer Motivationsschub und ein enormer Fortschritt auf dem Instrument. Wie sagt man so schön: „Mit dem Essen kommt der Appetit“. So ist es auch beim Üben. Je mehr man übt, desto mehr möchte man auch üben. Man erfährt einfach, wie vieles sich durch das Üben verbessert, und das macht Freude. Je mehr sich das eigene Spiel verbessert, desto mehr kann man sich musikalisch ausdrücken. Und je besser man sich musikalisch ausdrücken kann, desto mehr Freude hat man am Spielen des Instruments.
Insofern kann ich Ihnen nur ans Herz legen: Wenn Sie noch nie eine 100 Tage Übe-Challenge mit Ihren Schülern veranstaltet haben, dann probieren Sie’s doch einmal aus! Das kann man auch in ganz kleinem Rahmen – z. B. nur mit der eigenen Geigenklasse – durchführen. Wenn ich Ihnen dieses Thema schmackhaft machen konnte, würde mich das sehr freuen.
Vielleicht haben Sie ja aber selbst schon viel Erfahrung mit Übe-Challenges, in diesem Fall würde ich mich sehr über einen Kommentar mit Ihren Erkenntnissen daraus freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
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