Uli Ungeduldig
Kennen Sie Uli Ungeduldig? Er möchte immer sofort alles perfekt können, was er anfängt. Er begreift sehr schnell und möchte sofort alles umsetzen. Wenn das nicht wie auf Knopfdruck funktioniert, ist er zunächst verärgert. Klappt es nach einem zweiten Versuch immer noch nicht, ist er frustriert und möchte am liebsten gleich alles hinschmeißen. Haben Sie auch einen Uli Ungeduldig (oder eine Ulla Ungeduldig) in Ihrer Klasse?
Geduld und Ausdauer ist Kindern nicht angeboren
Oft sind Kinder sehr schnell im kognitiven Verstehen eines Sachverhaltes. Das Verstehen und das praktische Umsetzen sind aber zwei verschiedene Dinge. Das Erlernen und Koordinieren von Bewegungsabläufen, die ein bestimmtes akustisches Ergebnis hervorbringen sollen, erfordert ein hohes Maß an Wahrnehmungsfähigkeit.
Das Kind muss sich die betreffende Stelle im Stück zuerst vorstellen, also „innerlich hören“. Dann führt es die Spielbewegungen aus und hört zu, ob das Ergebnis auch so klingt, wie „innerlich gehört“. Sollte dies nicht der Fall sein, gilt es jetzt, zu erkennen, was geändert werden muss, um der inneren Vorstellung näher zu kommen. Dies erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, Geduld und Ausdauer.
Übung macht den Meister …
Kinder, denen das Lernen in der Schule sehr leicht fällt, müssen sich oft erst daran gewöhnen, dass ihnen beim Spielen eines Streichinstrumentes vielleicht nicht alles sofort zur Zufriedenheit gelingt. Das ist für manche eine neue Erfahrung, die zunächst ein ungutes Gefühl verursacht. Hier hilft es, ihnen klar zu machen, dass „noch kein Meister vom Himmel gefallen“ ist. Auch ihre großen Idole – wie bei meinen jungen Schülern z. B. David Garrett – haben nachweislich in ihrer Kindheit fleißig geübt!
Andere wiederum sind von ihren „Mobile Devices“ wie Handys und Tablets so gewohnt, dass alles auf Knopfdruck oder per „Wisch“ geht, dass sie ganz erstaunt sind, wenn einmal etwas nicht sofort funktioniert. Eine unserer wichtigsten Aufgaben als Lehrer ist es also, die Kinder erfahren zu lassen, dass Üben und den eigenen Fortschritt zu erleben, etwas zutiefst Befriedigendes ist.
Vorgehensweise
Wie kann ich nun ganz konkret meinen Schülern diese Erfahrung ermöglichen? Wenn ich mit einem Kind ein neues Musikstück beginne, gehe ich so vor:
- Wir sehen wir uns gemeinsam die Noten an. Dann frage ich, ob das Kind schon vom Notenbild her erkennen kann, welche Stellen eventuell schwierig zu spielen sein könnten. Diese werden gleich markiert.
- Jetzt lasse ich das Kind die erste dieser markierten Stellen spielen. So wird klar, wo die Herausforderungen liegen.
- Nun schätzen wir beide, wieviele Wiederholungen ungefähr notwendig sind, bis das Kind diese Stelle fließend spielen kann. Kinder schätzen oft viel zu hoch. Manche tippen auf 10 Wiederholungen, manche gar auf 50! Ich tippe meist auf 5 oder 6 Wiederholungen.
- Nun wird aktiv ausprobiert. Wir bestimmen bei jeder Wiederholung, was fokussiert werden soll: Der Rhythmus, die Intonation, der Bogenstrich, die Kontaktstelle und dergleichen. In den meisten Fällen kann das Kind die Stelle fließend spielen, noch bevor die von ihm geschätzte Wiederholungszahl erreicht ist. Das ist dann ein riesiges Erfolgserlebnis. Und es vermittelt die Gewissheit: Wenn ich mich anstrenge und konzentriert arbeite, erreiche ich mein Ziel.
Je öfter Kinder diese Erfahrung machen, desto mehr wird diese Gewissheit zu einer Lebenseinstellung. Sie wachsen zu Menschen heran, die an ihre Herausforderungen im Leben aktiv herangehen. Zu Menschen, die kreativ nach Lösungen suchen und nicht bei jedem kleinen Hindernis die Flinte ins Korn werfen. Wenn wir es also schaffen, dem kleinen Uli Ungeduldig diese Erfahrung zu vermitteln, hat er etwas ganz Wesentliches – nicht nur für sein Instrumentalspiel, sonder für sein ganzes Leben – gelernt.
Wie gehen Sie mit Ihrem Uli Ungeduldig im Unterricht um? Sicher haben Sie eine Menge Erfahrung zu diesem Thema. Über Ihre Erfahrungen, Ihre Meinung oder einen Kommentar zu diesem Beitrag würde ich mich sehr freuen,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
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