Die Rolle der Eltern beim Üben …
Im letzten Blogartikel ging es darum, dass das häusliche Üben den Kindern nicht immer leicht fällt und auch nicht immer Freude bereitet. Da kann es durchaus auch einmal zu Tränen oder auch zu einem Wutausbruch kommen, wenn etwas nicht wie gewollt funktioniert.
Das Erlernen eines Musikinstrumentes ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Es ist vielleicht sogar die größte Herausforderung, der sich ein junger Mensch bis dahin in seinem Leben gestellt hat.
Die Frage ist nun: Wie können Eltern ihr Kind beim Üben zu Hause unterstützen? Wie können sie zu Hause mit ihrem Kind eine Übe-Routine entwickeln? Wie können sie liebevoll und geduldig aber trotzdem beharrlich das häusliche Üben ihres Kindes begleiten? Und – was können wir als Instrumental-Lehrer den Eltern für Wege aufzeigen, dieses Ziel zu erreichen?
Eltern-Information
Veranstalten sie doch zu Beginn des Schuljahres – oder auch mitten im Unterrichtsjahr, vielleicht im Rahmen eines Schüler-Vorspiels – eine kleine ansprechende und anregende Eltern-Information! Für manche Eltern ist das häusliche Üben mit ihrem Kind auch eine völlig neue Situation, in die sie erst „hineinwachsen“ müssen! Lassen Sie die Eltern Ihrer Schüler nicht mit dieser Herausforderung „im Regen stehen“.
Selbstverständlich können Sie die Eltern-Information auch in Form eines Elternbriefes Ihren Schülern mit nach Hause geben. Meiner Erfahrung nach wird aber ein persönliches Gespräch von den Schülereltern viel mehr geschätzt als etwas Schriftliches. Ein persönliches Gespräch stärkt das Vertrauen wesentlich mehr als ein Brief. So ein Informations-Event bietet immer auch Möglichkeiten zum Austausch der Eltern untereinander. Doch worüber sollen Sie denn nun die Eltern konkret informieren?
1. Notwendigkeit regelmäßigen Übens
Es ist schon erstaunlich, aber manche Eltern wissen tatsächlich nicht, dass Fortschritt nur durch regelmäßiges Üben zustande kommt. Andere wiederum sind der Ansicht, es genüge, wenn das Kind im Unterricht sein Instrument spielt. So wie man das Kind zum Fußball-Training bringt, bringt man es auch zur Geigenstunde, und das war’s dann aber auch schon. Aussagen wie „Ich will ja nicht, dass mein Kind Berufsmusiker wird, es soll ja nur Spaß haben …“ sind nicht selten zu hören. Fakt ist aber, dass die Kinder selber merken, dass kein Fortschritt stattfindet, und dann hört sich der „Spaß“ leider sehr schnell auf.
Wenn jedoch regelmäßig geübt wird, stellen sich immer wieder Erfolgserlebnisse ein. Wenn ein junger Mensch selber spürt, wie sich die eigenen Fertigkeiten und Fähigkeiten durch regelmäßiges Üben weiterentwickeln, erfüllt ihn das mit großer Freude! Diese Freude ist nicht das Ergebnis einer schnellen Bedürfnisbefriedigung, sondern entspringt aus dem Gefühl, durch eigene Anstrengung etwas erreicht zu haben. Sie vermittelt dem Kind ein Gefühl der Selbstwirksamkeit: „Ich kann durch meine eigenen Handlungen etwas bewirken!“ Ist das Entwickeln einer solchen Lebenseinstellung nicht absolut wichtig für einen jungen Menschen? Wollen wir nicht junge Menschen heranwachsen sehen, die fähig sind, durch ihr eigenes Handeln ihre Ziele im Leben zu erreichen?
2. Innere Einstellung
Eltern müssen auch folgendes wissen: Ihre eigene innere Einstellung zum Üben ihrer Kinder ist eminent wichtig! Diese äußert sich nämlich unbewusst nonverbal und überträgt sich auf die Kinder. Ich denke, hier ist es ganz wichtig, dass sich die Eltern wieder einmal ihrer Vorbildfunktion bewusst werden. Junge Kinder imitieren gerne Erwachsene. Zeigt die Mutter oder der Vater Begeisterung für Musik bzw. das Instrument, wirkt sich das auch auf die Motivation des Kindes aus. Bleibt die Mutter beharrlich an einer Sache dran, lernt das Kind, dass man zum Ziel kommt, wenn man beharrlich dran bleibt. Der nonverbale Anteil einer Botschaft beeinflusst das kindliche Verhalten viel mehr, als wir denken! Wir Erwachsene, ob Eltern oder Lehrer, „schaffen“ also (oft unbewusst) eine gute oder eben weniger gute Lern- bzw. Übe-Atmosphäre für unsere Kinder.
Reagiert also ein Erwachsener beim Üben mit dem Kind immer ungeduldig oder gar unbeherrscht, was wird das wohl beim Kind bewirken? Zeigt ein Elternteil nur Desinteresse („mach doch bitte die Türe zu“), vermittelt dies dem Kind: Was ich tue, ist nicht wichtig. Das interessiert hier keinen. Ich bin also nicht wichtig. Auch Aussagen wie „du musst selber wissen, ob du das Instrument spielen willst oder nicht“ vermitteln indirekt: Es ist mir gleichgültig, was du tust.
Wenn Vater oder Mutter zu Hause oder im Auto auch ab und zu Geigenmusik hören, zeigt das dem Kind: „Die Eltern lieben diese Musik. Ich lerne, das zu spielen, was meinen Eltern gefällt. Die Mama setzt sich also nicht nur aus Pflichtbewusstsein zu mir beim Üben, sondern weil sie Freude daran hat, mich spielen zu hören!“ Kinder sind sehr empfänglich für diese subtilen Botschaften!
Die eigene innere Einstellung der Eltern hat also einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf das Übe-Verhalten unserer Schüler. Animieren sie doch die Eltern Ihrer Schüler immer wieder einmal, gemeinsam mit ihrem Kind Konzerte zu besuchen oder sich bestimmte Aufnahmen davon im TV, auf You Tube, DVDs, CDs usw. anzusehen bzw. anzuhören. Das steigert nicht nur die Hör-und damit die „Musik-Genussfähigkeit“, dadurch lernen sie auch ein großes Repertoire an Stücken kennen!
3. Übeplatz einrichten
Nun geht es um die elterliche Hilfe beim Einrichten eines einladenden Übe-Plätzchens zu Hause. Das muss nicht gleich ein ganzer Raum sein, es genügt selbstverständlich auch eine Ecke in einem Raum. Dort sollte ein Notenpult stehen, dass das Kind die Noten auf Augenhöhe einstellen kann. Stifte und Radiergummi sollten verfügbar sein, um Fingersätze, Dynamik oder anderweitige Notizen eintragen zu können. Auch eine Möglichkeit zur Notenlagerung, z. B. ein kleines Regal, wäre von Vorteil und selbstverständlich sollte da auch Platz für das Instrument sein. Am besten wäre es, wenn man das Instrument im offenen Koffer liegen lassen könnte, die Geige z. B. auf einem Sessel, einem Tisch oder einer Kommode (bitte nicht auf dem Boden, da könnte man allzu leicht darüber stolpern!), sodass man sie nur schnell zur Hand nehmen muss und schon spielbereit ist.
Das Auspacken des Instruments ist oft wie eine psychologische Barriere. Wenn man nur kurz Zeit hat, denkt man unter Umständen, es rentiert sich erst gar nicht, auszupacken. Liegt das Instrument aber offen da, wirkt das einladend. Man kann schnell noch einmal das Lieblingsstück durchspielen, während die Mama schon den Tisch für’s Abendessen deckt. Das Instrument immer im Blickfeld zu haben wirkt wie ein Aktivator! Und – beinahe hätte ich’s vergessen – ein gemütlicher Sessel für die Mama oder den Papa zum Zuhören (auch Kuscheltiere sind erlaubt!) darf selbstverständlich in der Übe-Ecke auch nicht fehlen! Das Übe-Plätzchen sollte ansprechend sein, sodass man sich gerne dort aufhält!
4. Übezeit einplanen
Der nächste wichtige Punkt ist das gemeinsame Einplanen von regelmäßigen Übezeiten. Es gibt wohl kaum ein Kind, das im Vorschul- oder frühen Schulalter schon fähig ist, sich die Übezeit selbst einzuplanen. Da das Üben aber möglichst regelmäßig stattfinden sollte, ist es notwendig, dass die Eltern involviert sind. Das Üben sollte zum Tagesablauf so selbstverständlich dazu gehören wie das Zähneputzen. Kein Elternteil würde seinem Kind erlauben, die Zähne nicht zu putzen, nur weil es gerade keine Lust dazu hat! Regelmäßigkeit gibt ein Gefühl von Beständigkeit. Üben sollte nicht „verhandelbar“ sein. Es ist nicht etwas, das man manchmal tut und manchmal nicht. Das sollte von Anfang an so gehalten werden.
Wer erst nach einiger Zeit regelmäßiges Üben einfordert, wird sich schwer tun, dies durchzusetzen. Der muss sich nicht wundern, wenn sich das Kind dagegen auflehnt, denn es ging ja vorher auch „ohne“! Das kennen wir Erwachsene doch auch: Wer lange keinen Sport mehr betrieben hat, dem fällt es schwer wieder anzufangen. Betreibt er Sport regelmäßig, wird es zu einer selbstverständlichen Gewohnheit. Das Übe-Pensum kann schon ein wenig variieren, das kommt auf die Tagesverfassung und Aufnahmefähigkeit des Kindes an. Das Üben an und für sich sollte aber nicht zur Debatte gestellt werden.
Und noch etwas Wichtiges: Man sollte das Üben wenn möglich nicht über eine Zeitdauer („genau 30 Minuten!“) definieren, sondern eher über die zu erledigenden Aufgaben. Ein Kind kann auch 30 Minuten mit dem Instrument in der Hand „totschlagen“, ohne etwas sinnvoll geübt zu haben! Wenn die konkrete Aufgabe aber lautet: Die Passage von Takt 9 bis 11 mit reiner Intonation spielen, kann man dieses Ziel bei guter Konzentration sehr schnell erreichen. Das Kind hat ein Erfolgserlebnis und kann zur nächsten Aufgabe weiteregehen.
Das sind die ersten vier Punkte, die ich üblicherweise im Rahmen einer Elterninformation anspreche. Weitere folgen im nächsten Beitrag. Wenn Sie gute Tipps zu diesem Thema haben, würde ich mich sehr über einen Kommentar freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Holzer-Romberg, dem Tag mit Ihnen in Filderstadt hat mir sehr viele positive Inspiration gebracht. Vielen lieben dankender ire tolle Motivation und unglaublich anstehende positive Ausstrahlung! Liebe Grüße aus Heidelberg
Liebe Frau Preuss,
vielen Dank für Ihre schöne Rückmeldung! Ich habe mich auch sehr gefreut, Sie im Rahmen dieser Fortbildung persönlich kennen zu lernen!
Liebe Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg