Effektiv üben lernen durch Fragen
Das mit dem Üben ist so eine Sache. Jeder weiß, dass geübt werden sollte, wenn man einen Fortschritt erzielen will. Aber: Üben ist nicht gleich Üben! Lassen sie mich zwei Fragen stellen: 1. Was genau sollen Ihre Schüler tun, wenn sie zu Hause üben? Wahrscheinlich bekommen sie einen Übeplan oder ein Aufgabenheft mit konkreten Aufgaben mit nach Hause, eventuell sogar mit genauen Anleitungen, wie sie die einzelnen Aufgaben ausführen sollen. Also von Lehrerseite her alles bestens vorbereitet. Und nun die 2. Frage: Was genau tun die Schüler wirklich, wenn sie zu Hause üben? Wie oft spielen die Kinder einfach ihre Stücke und Übungen herunter, ohne sich dabei etwas zu denken, ohne sich dabei selber zuzuhören oder ihre Bewegungen bewusst wahrzunehmen, ohne Emotion und mit dem Kopf nicht bei der Sache. Kommt Ihnen das auch bekannt vor? Was können wir dazu beitragen, dass unsere Schüler anfangen, wirklich effektiv und nachhaltig zu üben?
„Hirn einschalten“
Effektiv üben ist ohne denken nicht möglich. Wie bringen wir unsere Schüler dazu, ihr Denken „einzuschalten“, bevor sie mit dem Üben beginnen? Am besten durch Fragen. Fragen, die sie zu eigenständigem, selbstbestimmtem Tun anregen. Auf dem Übeplan stehen wahrscheinlich mehrer Aufgaben. Eine erste Frage könnte also lauten: Womit will ich mein heutiges Üben beginnen? Der Schüler sucht sich die Aufgabe aus, die er als erstes üben will. Er kann natürlich auch einfach mit der ersten Aufgabe des Übeplans beginnen, wenn der Lehrer die Aufgaben schon in einer sinnvollen Reihenfolge notiert hat.
Übeziel
Die nächste Frage könnte lauten: Was will ich mit dieser ersten Aufgabe erreichen? Was ist dabei mein Übeziel? Ist es z. B. eine Einspielübung zum genauen Treffen der Töne auf dem Griffbrett, könnte das Ziel lauten: Diese Übung dreimal hintereinander mit sauber gegriffenen Tönen spielen können. Ist es z. B. eine bestimmte, etwas komplexere Passage aus einem Stück, könnte das Ziel lauten: Diese Passage im Schneckentempo mit sauberen Tönen und dem richtigen Rhythmus spielen können. Auf diese Weise kann für jede Aufgebe des Übeplans vom Schüler ein „Tagesziel“ festgesetzt werden.
Reflexion
Hat der Schüler die erste Aufgabe geübt, kommt nun die Reflexions-Frage: Habe ich mein Ziel mit dieser Aufgabe erreicht? Wenn er sich diese Frage mit ja beantworten kann, gibt ihm das sicher ein Gefühl der Befriedigung. Er hat effektiv geübt! Es kommt zu einer „kleinen Ausschüttung von Glückshormonen“ im Gehirn. Es ist doch immer wieder ein gutes Gefühl, ein Ziel erreicht zu haben! Mit der Frage: Was möchte ich als nächstes üben? kann sich der Schüler die nächste Aufgabe aussuchen und wieder beginnen mit: Was will ich mit dieser Aufgabe erreichen, was ist mein Übeziel?
Wenn er zu dem Schluss gekommen ist, das Ziel der vorigen Aufgabe noch nicht erreicht zu haben, hilft folgende Frage weiter: Woran liegt es, dass das noch nicht wie erhofft funktioniert hat? Jetzt zeigt sich, wie gut seine Selbstbeobachtung schon ausgebildet ist. Erkennt er, ob ein Bewegungsablauf, die Koordination von rechts und links oder die Tonvorstellung noch nicht ganz klar war? Oder wie genau war das mit dem Rhythmus an dieser Stelle? Die Frage: Was könnte mir weiterhelfen? lässt ihn vielleicht den Rhythmus der besagten Stelle einmal nur durchsprechen, dann auf leeren Saiten spielen und dann wieder in die Stelle einbauen. Durch diese Frage erinnert er sich eventuell an eine ähnliche Situation, in der sein Lehrer ihm dies oder jenes vorgeschlagen hatte, um die Aufgabe schließlich erfolgreich zu bewältigen. Dieser Schüler ist auf dem besten Weg, effektiv zu üben.
Selbstsicherheit
Dieses bewusste Nachdenken beim Üben bringt in jedem Fall Fortschritt! Es stärkt in hohem Maße das Selbstvertrauen. Die Schüler erfahren, dass sie es mit ihrer eigenen Anstrengung und ihrem eigenen Denken schaffen, ihre Aufgaben zu bewältigen und ihre Ziele zu erreichen. Genau das meine ich mit effektiv üben. Diese bewusste und ernsthafte Art zu arbeiten entfacht eine große Motivation und eine Freude an der eigenen Weiterentwicklung.
Geben wir doch unseren Schülern ein kleines aber feines „Werkzeugköfferchen“ mit guten Fragen mit auf ihren „Übeweg“! Sozusagen als „Saat“ für effektives Üben! Und lassen wir uns dann von den aufblühenden Pflanzen überraschen!
In diesem Sinne,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Übrigens: Was Eltern zum Thema Üben beitragen können, können sie hier nachlesen.
Was für gute Fragen zu den Übe-Sessions Ihrer Schüler fallen Ihnen ein? Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen, und für gute Übe-Fragen sind wir alle sehr empfänglich!
Guten Abend,
wieder interessante Ideen für meinen Unterricht insofern, dass ich bei meinen Schülern noch genauer nachfragen werde wie sie geübt haben und wie ich ihnen helfen kann, dass sie ihre kleinen Erfolgserlebnisse erhalten. Einige sind ja schon so weit, dass sie mir gleich zu Beginn sagen, wo sie Schwierigkeiten hatten, was ihnen noch nicht so gut gelungen ist oder was „komisch“ geklungen hat (z.B. Verirrung in der Tonart). Einige kommen auch mit gezielten Fragen, wo ich immer sage, dass sie sich das nicht eine Woche lang fragen müssen, sondern mich gerne jederzeit anrufen dürfen. Manche mögen gerne Strichlisten, wenn ich mir wünsche, dass sie z.B. irgendetwas in der Woche 20 mal spielen sollen. Zu sehr kleinen Schülern sage ich zum Beispiel: „Spiel dieses Lied bei jedem Üben sechs mal, dreimal achtest du nur auf die linke Hand, dreimal nur auf die Bogenhand.“ Meinen Größeren erkläre ich auch wie Lernen und Üben im Gehirn funktioniert, dass es z.B. keinen Sinn hat, wenn sie nur einmal etwas spielen oder nur einmal in der Woche ganz viel, weil das Gehirn das als irrelevant wieder löscht usw.
Was ich immer wieder versuche, leider nicht so erfolgreich, meine größeren Schüler davon zu überzeugen, dass sie während ihrer Hausaufgaben zur Geige greifen. Sie kommen dann in eine gute Haltung, kriegen wieder mehr Luft, geben ihrem Gehirn Zeit für die schulischen Dinge, indem sie etwas ganz anderes tun. Insgesamt gewinnen sie damit Zeit. Sie hören mir freundlich zu, aber mögen es wohl nicht so richtig glauben.
Herzliche Grüße
Irmgard Fliegner
Das klingt doch gut! Wenn die Schüler von sich aus erzählen, wo sie noch Schwierigkeiten hatten, oder gezielte Fragen stellen – diese Schüler nehmen ihr Fortkommen bereits selbst in die Hand! Gratulation!
Beste Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg
Eine gute Frage finde ich: Wo musst Du Luft holen, wenn Du dieses Musikstück singst? Da habe ich schon manches Mal gestaunt, wo die Schüler ihre Atemzeichen hingemalt haben und festgestellt, dass einige sich viel zu sehr vom Notenbild beeinflussen lassen, als vom Hören und z. B. ein Auftakt nicht erkannt wird.
Oder: Welche Noten betonst Du stärker? bzw. schwächer? Wie kannst Du das auf der Geige imitieren? Bogenstriche und -einteilung? Und wie klingt die Phrase, wenn Du diese Note (Gerne auch mal absurde Möglichkeiten ausprobieren)betonst? Besser? Schlechter? Witzig?
Und vielen Dank für die Anregung mal wieder mehr Fragen zu stellen und nicht alle Patentrezepte immer gleich mundgerecht vorzulegen. Das macht doch manchmal (auch den Lehrer!)etwas geistig träge!
Herzliche Grüße
Yana König
Liebe Frau König,
vielen Dank für Ihre guten Anregungen! Ja, ich denke auch, dass wir nicht immer alles auf dem Silbertablett servieren sollten, sondern eher durch gute Fragen die Schüler zu eigenständigem Denken und Tun aktivieren!
Herzliche Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg