Einzelbetreuung im Gruppenunterricht?
Kennen Sie das auch: Sie unterrichten mehrere Kinder in einer Gruppe. Natürlich lernen nicht alle Kinder gleich schnell, und sie haben auch in verschiedenen Lernbereichen unterschiedliche Schwierigkeiten. Manche brauchen etwas Hilfe, wenn sie lernen, den Bogen gerade zu führen, andere brauchen Unterstützung, wenn es darum geht, einen Rhythmus korrekt umzusetzen oder dergleichen. Wie kann man auch in einer Gruppenstunde immer wieder auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Kinder eingehen? Wie kann man ihnen zwischendurch immer wieder eine Einzelbetreuung bieten, ohne dabei die anderen zu vernachlässigen? Oder anders herum: Wie kann man die Gruppenstunde für alle Kinder gleichermaßen produktiv und anregend gestalten, auch wenn man sich zeitweise den einzelnen Mitgliedern der Gruppe intensiver zuwendet?
Lernstationen
Eine unterschiedliche Entwicklung der Kinder in einer Lerngruppe ist nicht unbedingt ein Grund, die Gruppe aufzulösen. Wenn die Kinder gerne zusammen lernen und sich gut verstehen, kann auch eine vom Lernniveau her eher heterogene Gruppe gut unterrichtet werden. Für den Fall, dass ab und zu einzelne Kinder kurzzeitig eine Einzelbetreuung brauchen, kann man Lernstationen einrichten. Gerade im Anfängerunterricht ist es wichtig, mehrere Lernbereiche in eine Unterrichtseinheit zu verpacken, um die Aufmerksamkeit der Kinder immer wieder zu aktivieren. Unsere jüngsten Schüler können sich ja anfangs meist nur ein paar Minuten lang auf eine Sache konzentrieren, da bietet sich ein „Programmwechsel“ geradezu an. Warum nicht die verschiedenen Lernbereiche als Lernstationen einrichten? Eine Station bietet z. B. Spielmaterial zum Thema Rhythmus an; eine andere Station könnte Material zum Notenlesen und -schreiben anbieten; wieder eine andere Station bietet spieltechnische Übungen, usw. Während die Kinder die Lernstationen durchwandern, hat der Lehrer die Möglichkeit, jedem Schüler – wo es notwendig ist – auch ein gewisses Maß an Einzelbetreuung zukommen lassen.
Kreisel
Mit etwas Phantasie lässt sich wunderbar ein „Lernkreisel“ mit den verschiedenen Stationen anordnen, den die Kinder mit Begeisterung „durchlaufen“. Der Unterricht beginnt mit einer gemeinsamen Aktion, z. B. mit dem gemeinsamen Spielen eines Liedes. Dann kommt ein neuer Lerninhalt, der gemeinsam erkundet und ausprobiert wird. Dann dürfen sich die Kinder auf die verschiedenen Lernstationen aufteilen. Der Lehrer beobachtet, unterstützt und sieht sich die Ergebnisse an. Nach einer gewissen Zeit wird die Station gewechselt. Jedes Kind „wandert“ eine Station weiter. Auf diese Art hat der Lehrer die Möglichkeit, jedes einzelne Kind genau da zu unterstützen, wo es Unterstützung braucht. Da kann es schon vorkommen, dass in einer Ecke des Raumes ein Kind eine spieltechnisch knifflige Stelle eines Musikstückes übt, während in einer anderen Ecke ein Rhythmus geklatscht oder auf dem Instrument gespielt wird. An jeder Station wird konzentriert gearbeitet.
Gruppenaktionen
Wenn die Kinder alle Stationen durchwandert haben, folgt wieder eine gemeinsame Aktion. Hier gibt es auch wieder unzählige Möglichkeiten:
- gemeinsam die Rhythmen spielen, die die Kinder an der Rhythmusstation erarbeitet haben,
- das Lied vom Anfang der Stunde noch einmal spielen, jetzt mit bewusster Bogenkontrolle, mit schönerem Klang oder mit verbesserter Intonation,
- gemeinsames Solmisieren und Spielen der Noten, die die Kinder an der Noten-Station erarbeitet haben,
- gemeinsames Solmisieren zur Einführung eines neuen Liedes oder Intervalles,
- gemeinsames Improvisieren mit den bis jetzt erlernten Tönen und Rhythmen,
- usw.
Der Lehrer ist gefordert, für seine Gruppe eine gute Mischung zwischen Gruppenaktionen und Einzelaufgaben an den Stationen einzuplanen, sodass die Lektion im Fluss bleibt. Auf diese Weise können sich auch die Stärken der einzelnen Kinder gut weiterentwickeln, selbst in einer heterogenen Gruppe.
Einzelbetreuung
Besonders das Erlernen der spieltechnischen Bewegungsabläufe verlangt oft nach etwas Einzelbetreuung. Durch das Aufteilen der Lerninhalte auf die verschiedenen Lernstationen schafft sich der Lehrer auch im Gruppenunterricht Möglichkeiten, seine Aufmerksamkeit immer wieder kurzzeitig auf ein einzelnes Kind in der Gruppe zu richten. Die anderen Kinder werden dabei nicht vernachlässigt, denn jedes Kind ist durchgehend mit verschiedenen Aufgaben betraut. So ist die Lektion für alle Gruppenmitglieder produktiv. Auf diese Art und Weise werden die Kinder nicht nur in der Spieltechnik ihres Instruments ausgebildet, sondern sie lernen auch, ganz natürlich und ungezwungen mit den verschiedenen „Bestandteilen“ der Musik umzugehen. Sie lernen, Musik wirklich zu verstehen. Diese aktive und kreative Auseinandersetzung mit Musik regt die Kinder oft sogar an, selber Musik zu „schaffen“, sie eröffnet ihnen eine ganze Welt.
Anregend und effizient
Durch die geschickte Verknüpfung von Gruppenaktivitäten mit den einzelnen Lernstationen können Sie als Lehrer die Lerneinheit in sinnvolle Abschnitte einteilen. Die Kinder bekommen immer wieder neue Anregungen, neue Inputs, und bleiben während der ganzen Lektion aufmerksam und aktiv. Auf diese Art kann eine Gruppenstunde für alle Mitglieder sehr fruchtbar sein, und der Lehrer hat obendrein die Möglichkeit, jedes einzelne Kind der Gruppe bestmöglich zu fördern.
Praktizieren Sie auch Gruppenunterricht? Was für Erfahrungen haben Sie damit? Wie schaffen Sie es, im Gruppenunterricht den Schülern immer wieder eine kurzzeitige Einzelbetreuung zu gewähren, ohne die anderen Kinder dabei zu vernachlässigen? Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Danke für die Ideen!