Die Bedeutung der Sprache im Instrumentalunterricht
Wie wichtig ist eigentlich die Sprache im Instrumentalunterricht? Besonders bei Lehrpraxis-Studenten, die mit sehr jungen Schülern arbeiten, konnte ich schon des öfteren eine gewisse „Sprachbarriere“ zwischen Student und Schüler beobachten. Der Student kommt aus einem professionellen Hochschul-Umfeld, was sich natürlich auch in seiner Sprache manifestiert. Er benutzt Fachbegriffe und setzt diese zum Teil auch ganz selbstverständlich beim Schüler voraus. Das Kind hingegen kommt oft aus einer „Nicht-Musiker“- Familie, besucht einen Kindergarten oder eine Grundschule, bzw. eine Kinderbetreuungs-Institution, in der wenig bis gar nicht musiziert wird. Da prallen natürlich zwei Welten aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Als Instrumentallehrer sind wir gefordert, unsere Sprache sehr bewusst einzusetzen, so dass wir mit unseren Schülern eine gute und entwicklungsfähige Kommunikationsbasis aufbauen.
Kinder dort abholen, wo sie stehen
Im Instrumentalunterricht findet meist ein Teil der Kommunikation verbal statt. Man verständigt sich durch Fragen und Antworten, durch Anweisungen, Erklärungen, Beschreibungen usw.
Unsere erste Aufgabe als Lehrperson ist es, das Kind dort abzuholen, wo es jetzt gerade steht, auch in Bezug auf seine sprachliche Entwicklung. Für sehr junge Kinder sind Fachbegriffe meist abstrakt und von ihrer Erlebenswelt ungefähr so weit entfernt wie ein anderer Kontinent. Wie also umgehen mit den notwendigen Erklärungen und Fachbegriffen?
Kinder lieben eine bildhafte Sprache. Mit Bildern können sie sich viel eher einen bestimmten Sachverhalt vorstellen als mit tausend Worten. Warum nicht die Dinge bildhaft den Kindern näher bringen? Ein Resonanzton darf dann schon mal „Strahleton“ heißen, weil er so schön „strahlt“. Die Kontaktstelle in der Mitte zwischen Steg und Griffbrett darf auch die „Straße“ sein, auf der der Bogen fährt. (Auf den Gehsteig sollte er aber nicht fahren! Das leuchtet jedem Kind ein.) Die Begriffe müssen für das Kind in gewisser Weise logisch sein, sonst kann es sie nicht verstehen und in Folge auch nicht behalten. Nach und nach kann man dann die korrekten Begriffe einführen.
Selbstreflexion für die Sprache im Instrumentalunterricht
Es ist immer gut, das eigene Handeln bewusst zu reflektieren, warum also nicht auch die eigene „Unterrichts-Sprache“? Lassen Sie einmal am Abend in Ruhe einen ganzen Unterrichtstag Revue passieren. Alternativ könnten Sie sich auch einmal beim Unterrichten selber aufnehmen. Was fällt Ihnen an Ihrer eigenen Sprache auf?
- Benutzen Sie bestimmte Wörter, Fachausdrücke oder Redewendungen sehr häufig?
- Sprechen sie laut und deutlich genug, dass der Schüler Sie verstehen kann?
- Sehen Sie Ihr Gegenüber beim Sprechen an?
- Modulieren Sie Ihre Stimme oder sprechen Sie eher monoton?
- Passt Ihre Mimik und Gestik zum Gesagten?
- Betonen Sie Wichtiges? Ändern Sie Ihre Sprechgeschwindigkeit? Was hat das für eine Wirkung?
- Verwenden Sie manchmal Wörter, die der Schüler nicht versteht?
- Lassen Sie „bildersprachliche“ Begriffe anstelle der Fachbegriffe vorübergehend zu?
- Wie führen Sie Fachbegriffe ein?
- Wie formulieren Sie Klangvorstellungen?
- Verbleiben Sie zu lange in der „Bildersprache“, obwohl der Schüler bereits die Fachbegriffe verstehen könnte?
- Helfen Sie bei Ausdrucks-Schwierigkeiten? Das Wort „Kolophonium“ ist z. B. für junge Kinder ein sehr schwierig auszusprechendes Wort.
- Verwenden Sie bei Rückmeldungen haupsächlich anerkennende, respektierende Worte oder kann eine Rückmeldung unter Umständen auch einmal verletzend ausfallen? Achten Sie bewusst auf die Reaktionen der Kinder auf Ihr Feedback?
Sprache im Instrumentalunterricht bewusst einsetzen
Instrumentalunterricht kann zeitweise auch nahezu nonverbal stattfinden, nämlich wenn Lehrer und Schüler nicht die gleiche Sprache sprechen. Dies haben wahrscheinlich einige von Ihnen schon praktiziert, z. B. bei Sommerkursen, wo man oft mit Schülern aus Ländern der ganzen Welt zusammenkommt oder dergleichen. Auf längere Sicht ist die Sprache aber doch ein wichtiges Kommunikationsmittel im Instrumentalunterricht und sollte deshalb auch sehr bewusst eingesetzt werden. Eine gute Sprachkompetenz ist ein wesentlicher Faktor für einen guten Instrumentalunterricht und sollte meiner Meinung nach auch in die Ausbildung von Instrumental-Lehrkräften implementiert werden.
Setzen Sie Ihre Sprache im Unterricht bewusst ein? Achten Sie bewusst auf die Reaktionen Ihrer Schüler auf Ihre Sprache? Scheuen Sie sich bitte nicht, Ihre Erfahrungen zu diesem Thema mit den anderen Leser und mir im Kommentar zu teilen. Jeder einzelne Denkanstoß kann jeden von uns weiterbringen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Holzer-Rhomberg,
da ich im Urlaub war, schreibe ich jetzt erst. Ich finde es selbstverständlich, dass man seine Sprache den Lernenden anpasst und möchte darauf auch gar nicht weiter eingehen. Ich finde: egal wie sehr jemand schon die Fachbegriffe kennt, ist es immer am effektivsten, mit Bildern zu arbeiten, denn was heißt schon z.B. pianissimo. Sehr leise – okay – aber so ein Begriff ist immer auch ein bisschen abstrakt. Wenn ich mir aber vorstelle, so leise zu spielen als wenn ich es von der nächsten Straßenecke höre oder jemand es im Nachbarzimmer kaum noch hören kann, oder, oder…funktioniert es viel besser. Ich hatte auch mal ein sehr schönes Beispiel von einem fff während einer Orchesterprobe, auf der die Leiterin sehr anschaulich erklärte, dass man z.B. bei Mendelssohn ein ff nie agressiv oder brutal spielen darf, sondern dass es immer ein bisschen „elegant“ bleiben sollte, während man es z.B. bei Brahms bis an die Wand spielen darf. Solche Bilder vergisst man nie wieder! Diese Suche nach geeigneten Bildern finde ich das Spannendste beim Unterrichten und auch eigenen Musizieren. Mit Kindern übe ich z.B. an einem relativ einfachen Stück, auf wie viele verschiedene Weisen man es spielen kann. „Spiel das Stück als wenn du fröhlich – traurig – wütend – müde usw. bist“. Gute Bilder machen den Unterricht lebendig und bringen Humor ins Lernen. Leider habe ich selbst sehr schematisch das Geigen gelernt und bin mit Bildern immer noch eine Lernende und Suchende.
Herzliche Grüße, Irmgard Fliegner