„Begreifen“ Ihre Schüler Tonleitern?
Tonleitern sind bei Schülern im Instrumentalunterricht nicht gerade beliebt. Meist werden sie ungern gespielt und von den jungen Musikern als „notwendiges Übel“ betrachtet. Wenn sie aber einmal verstanden haben, dass unsere abendländische Musik hauptsächlich aus Tonleitern bzw. Teilen von Tonleitern und Dreiklängen besteht, erschließt sich ihnen der Sinn des Tonleiterspiels.
Wie kann man nun die jungen Instrumentalisten an die Tonleitern heranführen, sodass sie im wahrsten Sinn des Wortes „begreifen“, wie diese aufgebaut sind, was für Mustern sie folgen und was man damit alles machen kann? Das kann nämlich eine richtig spannende Angelegenheit sein!
Stammtöne
Sobald die Kinder die Stammtöne c,d,e,f,g,a,h kennen und die Töne einer C-Dur Tonleiter auf ihrem Instrument spielen können, sehen wir uns gemeinsam das „Muster“ dieser Tonfolge an. Die Schüler dürfen erst einmal die Töne in Form von kleinen, mit den Notennamen beschrifteten Holzscheiben in der richtigen Reihenfolge auf den Tisch legen. Nun überlegen wir gemeinsam, wie die Abstände zwischen den Tönen sein sollen. Wir vergleichen mit der Tonleiter, die wir vorher auf dem Instrument gespielt haben. Wir haben an manchen Stellen die Finger mit großem Abstand zueinander gegriffen, an manchen Stellen standen die Finger eng beisammen. Genau so ordnen wir jetzt die Holzscheibchen auf dem Tisch an:
Nun zeichnen wir die Ganztöne mit einer liegenden Klammer für die groß gegriffenen Abstände und die Halbtöne mit einem spitzen „Hut“ für die Töne, bei denen die Finger eng nebeneinander gestanden sind, ein und schauen, was das für ein „Muster ergibt:
Muster anwenden
Dies ist nun das „Muster“ einer Dur-Tonleiter. Mit diesem „Muster“ können wir jetzt Dur-Tonleitern von jedem Ton aus „bauen“. Man sieht sofort, wo man den einen oder anderen Ton noch „verschieben“ muss, dass das „Muster“ stimmt.
Zum „Verschieben“ der Töne gibt es selbstverständlich auch Holzscheibchen mit # und b sowie Scheibchen mit den alterierten Tönen wie fis, cis, gis, usw. und b, es, as, usw., sodass man wirklich alle Arten von Tonleitern legen kann.
Das Erlernte aufschreiben
In der Folge werden die Tonleitern auch auf Notenpapier aufgeschrieben. Erst beschäftigen wir uns ausführlich mit den Dur-Tonleiter. Wenn die Kinder die Dur-Tonleitern und deren „Muster“ verinnerlicht haben, „bauen“ wir Moll-Tonleitern. Diese Vorgehensweise trägt sehr dazu bei, dass die Kinder wirklich verstehen, was sie tun, und dass sie selber mit dem Erlernten weiterarbeiten und kreativ werden können.
Musik-"Theorie" und Musik-"Praxis" zusammenbringen
Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Kinder, die außerhalb des Instrumentalunterrichts einen Musiktheorie-Kurs besuchen, dieses Wissen nicht mit ihrer instrumentalen Praxis „zusammenbringen“. Deshalb ist es mir sehr wichtig, diese Themen mit in den Instrumentalunterricht einfließen zu lassen. Wie wichtig dieses Wissen ist, um Musik wirklich zu verstehen, muss ich glaube ich hier nicht betonen.
Wie führen Sie Ihre Schüler an musikkundliche Themen wie Tonleitern oder Dreiklänge heran? Was haben sie für Erfahrungen damit? Über einen Kommentar würde ich mich freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Holzer-Rhomberg,
alle meine Schüler müssen auch immer Tonleitern spielen.
Ich gehe seit einigen Jahren allerdings etwas anders an dieses Thema heran, mit Erfolg.
Seitdem ich mit der relativen Solmisation im Unterricht arbeite, entwickeln die Kinder viel besser ein Grundtongefühl, das für unsere abendländische Musik unerlässlich ist.
Der Aufbau der linken Hand erfolgt sehr langsam, wir halten uns sehr lange im Fünftonraum auf. Aber solbald die Kinder mit drei Fingern spielen können, beginne ich mit den ersten Tonleitern von den leeren Saiten aus.
Die einfacheren Zwei-, Drei-und Viertonlieder transponieren die Kinder auch schon nach Gehör, was durch die Solmisation sehr einfach ist. Manchaml benutzen wir dafür auch nur einen Finger, sie lernen also das Griffbrett schnell kennen. Dadurch kommt es auch häufig vor, dass mir die Kinder eine E-Dur Tonleiter vorspielen und dann einfach mit enem Finger solange auf der E-Saite hochrutschen, bis sie das Do wieder erreicht haben.
Sie lernen, dass IMMER das Mi und Fa und IMMER das Ti und Do eng zusammen sitzen. So können sie bald eigentlich alle Tonleitern ohne Noten spielen. Auch das natürliche Moll ist dann kein Problem. Dann spielen sie eben von La bis La. Die Verwandschaft der Moll- und Dur-Tonarten wird so schon unbewusst mitgelernt.
Über Jahre baue ich so dass Tonleiterspiel aus, von einer Oktave über zwei Oktaven, wobei die Noten langsam dazukommen, bis hin zu drei Oktaven. Und ich stelle sehr erfreut fest, dass auch die schwächeren Schüler damit keine großen Probleme mehr haben. Die vielen Vorzeichen sind nicht mehr so abschreckend, da sie ja wissen, wie es klingen muss. Natürlich lernen sie auch die Vorzeichen und deren Bedeutung, aber sie verstehen sie jetzt besser. Das liegt allerdings auch daran,dass in ihren Noten immer nur die Vorzeichen stehen, die sie für dieses Lied brauchen. Die Vorzeichen stehen auch immer an der Stelle, wo sie benötigt werden. Das „fis“ in einem Lied auf der D-Saite steht also nicht auf der fünften Linie sondern im ersten Zwischenraum. Das macht die Vorzeicheen für sie verständlicher und sie lernen, dasss sie sie beachten müssen.
Sie lernen, welcher Ton bei welchen Vorzeichen das Do ist und können auch davon ausgehend die parallele Molltonart bestimmen.
Früher wurden mir die Tonleitern gerne im „Zehnerpack“ von den Schülern angeboten. Und auch das Abzählen der Stufen hat nicht wirklich geholfen. Jetzt bin ich sehr froh, dass ich am Anfang so viel Zeit mit der Solmisation verbringe, das erleichtert diese Dinge ungemein.
Ich unterrichte allerdings ansonsten nicht ohne Noten, das Notenlesenlernen gehört unbedingt ab der ersten Unterrichtsstunde dazu.
Soviel aus meiner Erfahrung.
Viele Grüße aus dem nahen Allgäu,
Uta Babinecz-Ellwanger
Liebe Frau Babinecz-Ellwanger,
vielen Dank für Ihren so ausführlichen Kommentar! Es ist wirklich immer wieder erstaunlich, wieviel das „Verstehen“ der Tonleitern für das Lernen des Greifens auf der Geige ausmacht! Sie beschreiben das hier wunderbar! Die Solmisation ist dafür ein hervorragendes „Werkzeug“! Vielen Dank für Ihre so detailreich beschriebene Vorgehensweise!
Ganz herzliche Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg