Musikalische Bewährungsprobe
In den letzten Tagen hatte ich wieder einmal die große Ehre, bei einem der Prima la Musica Landes-Wettbewerbe Teil der Jury bei den Violinen zu sein. Es ist mir immer wieder eine große Freude, so viel Engagement bei den Teilnehmenden zu sehen und zu hören, die sich dieser „musikalischen Bewährungsprobe“ stellen. Ja, es ist wirklich eine Bewährungsprobe, denn es ist für die jungen Musiker und Musikerinnen tatsächlich eine Art Ausnahmesituation, in der sie sich „beweisen“ müssen.
Talent
Für „Nicht-Musiker“ ist es immer sehr beeindruckend, wenn junge Menschen ein Musikinstrument so gut beherrschen, und sie bezeichnen diese Fähigkeit oft schlichtweg als Talent. Selbstverständlich gehört eine gewisse Eignung dazu, ein Musikinstrument gut spielen zu können, aber es gehört eben noch viel mehr dazu! Es gehört vor allem auch viel Engagement, viel Übearbeit, viel Durchhaltevermögen dazu!
Einsatzbereitschaft der Lehrperson
Einen ganz wesentlichen Beitrag am Gelingen des Auftritts beim Wettbewerb leistet die Lehrperson. Sie sucht das Programm sorgfältig aus, bereitet das Kind bzw. den Jugendlichen in unzähligen Stunden intensivst auf diesen Auftritt vor, ist gleichzeitig Instruktor, Vorbild, „Denk-Anreger“, Motivator, Auftrittscoach, Betreuer und vieles mehr. So eine Wettbewerbsvorbereitung ist meist ein Projekt über mehrere Monate hinweg und erfordert viel didaktisches, methodisches und auch zwischenmenschliches Feingefühl von der Lehrperson.
Einsatzbereitschaft des Schülers
Die größte Einsatzbereitschaft muss natürlich der Schüler selber mitbringen. Eine sehr große Herausforderung für die jungen Teilnehmer ist immer das lange Dranbleiben an den Musikstücken des Programmes. Die Kandidaten müssen nicht nur die Spieltechnik der ausgewählten Musikstücke beherrschen, sie sollen mit Ihrem Spiel auf dem Instrument auch musikalisch etwas ausdrücken. Da wird an jeder Phrase „gefeilt“, an Klangfarben, an klarer Artikulation, an der Dynamik, an der Bogeneinteilung und vielem mehr. Hier ist wirklich Durchhaltevermögen gefragt. Was die jungen Musiker und Musikerinnen im Rahmen einer solch intensiven Wettbewerbs-Vorbereitung lernen, ist unbezahlbar!
Einsatzbereitschaft der Eltern
Wer fährt die Kinder zu den unzähligen Proben? Wer verzichtet unter Umständen auf ein gemeinsames Familienwochenende oder gar einen Semesterferien-Urlaub? Ja, auch die Eltern tragen einen sehr wichtigen Anteil zum Gelingen bei! Wenn die Eltern der Teilnehmer nicht wirklich mit Engagement dahinterstehen, ist es schwierig, diese intensive Vorbereitungsphase gut zu meistern. Auch von Elternseite her braucht es eine erhebliche Einsatzbereitschaft!
Der große Augenblick
Wenn nun nach dieser langen und intensiven Vorbereitung der Moment des Auftritts gekommen ist, kommt es darauf an, wie der Teilnehmer das, was er so intensiv vorbereitet hat, präsentieren kann. Hat er bereits Bühnenerfahrung? Hat er ein stabiles „Nervenkostüm“? Oder beginnt der Puls zu rasen, der Herzschlag beschleunigt sich, und er schlägt dadurch ein zu schnelles Tempo an? Kann sich der junge Geiger auf seine Musik konzentrieren? Kann die junge Geigerin ihren Auftritt genießen und alles Geübte fließend abrufen? Kann sie ihr Musikstück memorieren, oder „fehlt“ plötzlich eine Passage im Gedächtnis? Wenn ja, wie reagiert sie darauf? Findet sie wieder in den Fluss der Musik zurück? Dies ist im wahrsten Sinn des Wortes eine musikalische Bewährungsprobe!
Auch Bühnenerfahrung bekommt man nicht von heute auf morgen. Je mehr man vor Publikum spielt, desto sicherer wird man sich fühlen. Auch wenn einmal etwas nicht so gut klappt, ist das eine wertvolle Erfahrung! Man lernt, wie man in Stresssituationen reagiert. Man entdeckt auch, in welchem Bereich man noch „Luft nach oben“ hat. Der Teilnehmer muss sich auch immer gewahr sein, dass das Publikum und die Jury immer nur diese eine Momentaufnahme sehen. Sie sehen nicht, wie gut es in der Probe gestern gelaufen ist, sie sehen nur diesen einen Moment.
Standortbestimmung
Es ist immer schwierig, musikalische Darbietungen verschiedener Personen zu vergleichen. Trotzdem gibt es ein paar Kriterien, die doch eine Art Standortbestimmung zulassen: Gibt es Mängel bei der Spielhaltung, die sich eventuell negativ auf die Klangproduktion auswirken? Sind die Spielbewegungen ökonomisch, angemessen und geschmeidig? Ist die Intonation sauber? Spielt der Kandidat korrekt das, was in den Noten steht? Wie fein entwickelt ist die Spieltechnik bereits? Funktionieren Lagenspiel, Bogentechnik, Vibrato usw. gut? Kann der Teilnehmer mit der ihm zur Verfügung stehenden Spieltechnik und seinem Musikverständnis ein Stück musikalisch gestalten? Kann er den Charakter eines Musikstückes „rüberbringen“?
Am meisten lernen die Kandidaten, wenn sie sich auch die anderen Teilnehmer anhören. Das erleichtert die eigene Standortbestimmung. Leider ist das oft nicht gut möglich, denn man soll sich ja auch einspielen vor dem eigenen Auftritt.
Meines Erachtens gebührt jedem Teilnehmer und jeder Teilnehmerin – auch wenn vielleicht beim Auftritt selber nicht alles zur eigenen Zufriedenheit gelungen ist – eine große Anerkennung, denn jeder einzelne hat durch diese intensive musikalische Vorbereitung und den Auftritt sehr viel geleistet. Oft macht sich das erst in den darauffolgenden Wochen bemerkbar! Deshalb gratuliere ich allen jungen Musikern zu ihren Erfolgen und ihren Entwicklungsfortschritten! Und ich gratuliere auch den Lehrpersonen von ganzem Herzen zu ihrer so wertvollen Arbeit! Es ist eine große Aufgabe, jungen Menschen auf dem Wege ihrer Entwicklung solche „Bewährungsproben“ zu ermöglichen. Ihr Engagement im Dienste der jungen Musiker ist von unbezahlbarem Wert!!!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
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