8 Wochen Online-Unterricht: Mein Resümee
Nun ist das Ende des Lockdowns in Sicht. Nach vielen Wochen Unterricht über das Internet öffnet unsere Musikschule am 18. Mai wieder ihre Pforten. Es gibt zwar einige Auflagen wie Hände-Desinfektion, Bodenmarkierungen im Unterrichtszimmer für die Einhaltung des Sicherheitsabstands und dergleichen, aber: Diesen Montag werde ich zum ersten Mal nach Wochen meine Schüler wieder „live“ von Angesicht zu Angesicht sehen!
Bei der Vorbereitung des Unterrichts für die kommende Woche habe ich mir meine Unterrichts-Dokumentation des Online-Unterrichts der vergangenen Wochen noch einmal durchgelesen: Schon erstaunlich, was sich da alles getan hat!
134 Musikstücke ...
haben meine Schüler und Schülerinnen in den vergangenen Wochen erarbeitet! Da ist vom „Vierzeiler“ bei den Anfängern bis zu den Ballettszenen von Bériot alles dabei. Ich war höchst erfreut, wie viel und wie regelmäßig da zu Hause geübt wurde! Hatten die Kinder einfach mehr Zeit, da die Schulen ja auch alle geschlossen waren? Manche Kinder berichteten mir zwar von kaum zu bewältigenden Mengen an „Stoff“, den sie von ihren Pflichschul-Lehrern für das Home-schooling bekommen hatten. Trotzdem wurde nachweislich eifrig am Instrument geübt!
Verlässliche "Geigenstimmer"
Bis auf meine zwei jüngsten (fünfjährigen) Schülerinnen können nun alle ihr Instrument selber stimmen. Die älteren Schüler konnten das vorher auch schon, aber für die jüngeren war das doch eine ziemliche Herausforderung. Im Musikschulunterricht hatte oft ich diese Aufgabe für sie übernommen. Mittlerweile wissen sie aber genau, in welche Richtung man die Feinstimmer drehen muss, und wie die Saiten klingen sollen. Auch meine jungen Schüler haben sich zu verlässlichen „Geigenstimmern“ entwickelt! Einzig das Stimmen mit den Wirbeln ist noch etwas schwierig, aber ich hab mir vorgenommen, auch dies im Unterricht mit ihnen zu üben.
Kompetente "Notenleser"
Beim Online-Unterricht ist mir wieder einmal so richtig klar geworden, wie wichtig doch die Erziehung zur Selbständigkeit ist! Das fängt beim Geige stimmen an und setzt sich beim Noten lesen fort. Das hat mich darin bestärkt, auch im Online-Unterricht das Blattspiel-Training und die Rhythmusübungen wöchentlich in meinen Lektionen weiterzuführen. Durch Screensharing ließ sich das auch sehr gut bewerkstelligen, ja es hat den Online-Unterricht sogar sehr lebendig gemacht. Es ist geradezu „erfrischend“, was ein Schüler und ein Lehrer sich mit so einem Rhythmusblatt auf dem Bildschirm gemeinsam für „Spiele“ ausdenken können! So haben sich auch meine jüngeren Schüler zu kompetenten „Notenlesern“ entwickelt!
Es ist so wichtig, dass die Kinder das Notenlesen wirklich gut beherrschen! Es kann einfach nicht sein, dass ein Lehrer auch nach längerer Zeit des Unterrichts dem Schüler immer die Fingersätze hinschreiben muss, weil der Schüler sonst das Stück tatsächlich nicht spielen kann! Noten lesen lernen kann doch sehr viel Spaß machen! Außerdem gibt es den Kindern ein Gefühl von Kompetenz! Es braucht ein bisschen mehr Geduld von Seiten des Lehrers, denn ja, es wäre im Moment sicher einfacher, wenn man die Finger eben mal schnell darüberschreibt. Auf lange Sicht aber …
Selbständige "Aufgaben-Aufschreiber"
Auch das ist etwas, was ich in meinem Face-to-Face-Unterricht unbedingt beibehalten möchte: Dass die Schüler selbständig ihr Aufgabenheft führen. Wir besprechen – wie in den letzten Wochen im Online-Unterricht – gemeinsam, was genau der Übung bedarf und wie genau man das üben könnte. Die Schüler sollen selber Übe-Vorschläge einbringen, die dann besprochen und auf „Tauglichkeit“ überprüft werden. Dann sollen sie selber Notizen dazu eintragen, in die Noten oder ins Aufgabenheft.
Kontakt zu den Eltern
Was ich außerordentlich geschätzt habe in diesen Wochen ist der regelmäßige Kontakt zu den Schülereltern. Sie waren es, die bei den jüngeren Kindern immer die Internetverbindung eingerichtet haben, die den Kindern beim Einrichten des Platzes vor der Kamera geholfen haben, die die Noten der neuen Stücke ausgedruckt haben usw.
Mit großer Freude und großer Dankbarkeit durfte ich erleben, mit welchem Engagement und mit welcher Wertschätzung die Eltern meiner Schüler den Online-Unterricht begleitet und unterstützt haben. Ich habe das Gefühl, die Familien in dieser Zeit des Social Distancing sogar näher kennen gelernt zu haben!
Resümee
Auch wenn die Umstände der letzten Wochen durch den Lockdown sicher nicht einfach waren, bin ich sehr dankbar dafür, dass ich durch die heutigen technischen Möglichkeiten den Kontakt zu meinen Schülern und deren Familien wahren konnte, und den Unterricht meiner „Schützlinge“ auf diese Art weiterführen konnte. Es sind daraus so viele positive Entwicklungen entstanden, die ich nicht missen möchte! Mit viel Freude und frischem Elan werde ich nun morgen meine Arbeit an der Musikschule wieder aufnehmen und ganz bewusst diese positiven Entwicklungen weiterführen! Dasselbe wünsche ich Ihnen auch!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Andrea, Danke für Deine Erfahrungen jnd Hilfestellungen in diesen Wochen. Die größtenteils positiven Eindrücke zum Onlineunterricht kann ich bestätigen. Große Probleme sehe ich bei den Anfängern, auch jetzt, da wir wieder Präsenzunterricht machen. Wie eine vierjährige Schülerin unter Einhaltung der Hygienevorschriften (Mindestabstand einhalten, ihr Instrument nicht berühren) zu unterrichten ist, die grade vor der Schließung mit dem Geigen begonnen hat, weiß ich noch nicht. Dasselbe gilt für Beratungs- oder Schnupperstunden. Gibt es in dieser Sache schon Erfahrungen?
Viele Grüße, Friedemann
Lieber Friedemann,
ich persönlich habe noch keine Erfahrungen damit! Meine Anfänger waren Gott sei Dank vor Corona schon so weit, dass sie die Finger aufsetzen konnten. Da gab es dann jede Menge kleiner Stücke zu spielen. Das lief sehr gut.
Für den Fall, dass man das Instrument des Kindes berühren muss, z. B. beim Stimmen, liegen bei uns Einweghandschuhe auf.
Liebe Grüße,
Andrea
Ich habe im Online Unterricht genau die gleichen positiven Erlebnisse gehabt. Selbstständigkeit in vielen Bereichen, Kontakt zu den Eltern, Kompetenz in Dingen die man vorher nicht für möglich gehalten hat.
Ich habe meine erste Live Unterrichtswoche schon hinter mir, es war unglaublich berührend mit wie viel Eifer und Freude meine Schüler trotz der Einschränkungen und Auflagen wieder in die Musikschule gekommen sind.
Wie schön!