Über das Nachahmen im Instrumentalunterricht
Kinder lernen sehr viel über das Nachahmen. Sie beobachten die Erwachsenen sehr genau und versuchen dann, sich so zu bewegen, so zu sprechen, sich so zu verhalten wie diese. Dieses Lernen durch Nachahmung spielt auch im Instrumentalunterricht eine große Rolle, vor allem im Anfängerunterricht. Auf die Vorteile, aber auch auf die Begrenzungen des Nachahmens als Lernmethode möchte ich in diesem Artikel eingehen.
Über das Nachahmen beim Erlernen von Bewegungen
Besonders beim Erlernen von neuen Bewegungsmustern kann das Nachahmen der Lehrperson sehr hilfreich sein. Ob es nun um die Instrumentenhaltung oder um erste Spielbewegungen geht, den meisten Kinder fällt das Nachahmen am Anfang leicht.
Um ein Bewegungsmuster aber wirklich zu verinnerlichen, braucht es viel mehr als das optische Vorbild. Nach einer ersten „Nachahmung“ geht es darum, ein „Gefühl“ für den Bewegungsablauf zu entwickeln. Es geht darum, die eigene Körperwahrnehmung zu schulen. Kann das Kind „fühlen“, wie das Gewicht vom Arm auf den Bogen übertragen wird? Kann es „fühlen“, wie elastisch die Bogenhaare und die Bogenstange sind, wenn es den Bogen auf die Saite legt, wenn es den Bogen in die Saite „eintaucht“?
Nun geht es auch darum, das Klangergebnis in Zusammenhang mit dem „Tun“ zu bringen. Wie hört sich das an? Wie fühlt sich das an? Optische, akustische und kinästhetische Eindrücke müssen vernetzt werden. Das geht weit über eine Nachahmung der Lehrperson hinaus. Dasselbe gilt auch für das Erlernen bestimmter Spieltechniken: Die Nachahmung des Lehrers kann ein guter Einstieg sein, genügt aber nicht, um eine Spieltechnik wirklich beherrschen zu lernen.
Über das Nachahmen beim Spielen eines Musikstückes
Junge Kinder, die des Notenlesens noch nicht wirklich mächtig sind, lieben es, wenn man ihnen das neue Stück erst einmal vorspielt. Das hat meistens zur Folge, dass die Kinder so richtig Lust bekommen, das neue Musikstück zu lernen. Ein schönes Hörerlebnis ist eben ein guter Motivator!
Die innere Vorstellung, wie ein Musikstück klingen soll, spornt die jungen Musiker auch an, aktiv nach diesem Klangergebnis zu suchen. Was muss ich tun, dass es gut klingt? An welcher Kontaktstelle muss ich streichen? Wohin muss ich den 4. Finger ausbessern?
Die innere Vorstellung regt an, selber Lösungswege zu finden. Dabei kann selbstverständlich der Lehrer unterstützend zur Seite stehen, denn die Kinder müssen die physikalischen Gegebenheiten eines Streichinstruments auch erst Schritt für Schritt erkunden.
Verschiedene Interpretationen
Heutzutage ist es möglich, sich jedes Musikstück auf CD oder im Internet so oft anzuhören wie man möchte. Da stellt sich nun schon die Frage, ob das förderlich für die Entwicklung einer eigenständigen musikalischen Aussage ist. Hörbeispiele und Playalongs sind für Kinder eine sehr kurzweilige Methode, Musikstücke zu üben. Ich finde es jedoch wichtig, dass man auch bereits mit jungen Kinder verschiedene Ausdrucksweisen ausprobiert. Dass man sie anregt, mehrere Möglichkeiten des Ausdrucks zu finden, mehrere Arten, wie man ein und dasselbe Stück spielen kann. Mit fortgeschrittenen Schülern kann man sich auch verbal über verschiedene Interpretationen austauschen und die Schüler animieren, eigene Denkansätze anhand der Formensprache, des Harmoniegerüstes eines Musikstückes usw. zu entwickeln.
Fazit
Nachahmung ist durchaus ein sehr guter Einstieg ins musikalische Lernen, sei es beim Erlernen von Bewegungsmustern, beim Erlernen kleiner Musikstückchen für Anfänger, beim Ausprobieren neuer Spieltechniken und dergleichen. Nach einem solchen Einstieg bedarf es aber unbedingt der Vernetzung aller optischen, akustischen, taktilen und kinästhetischen Eindrücke, um nachhaltig am Instrument Fortschritte zu machen. Es erfordert eine kontinuierliche Weiterentwicklung von Körperwahrnehmung gekoppelt mit Klangsinn und instrumentaltechnischem Können sowie musikalischem Wissen und Sensitivität. Ein Lernen mit Hand, Herz und Geist, wie man so schön sagt!
Wie ist Ihre Erfahrung mit Nachahmung im Unterricht? In welchen Unterrichtssituationen setzen Sie bevorzugt Lernen durch Nachahmung ein, in welchen eher nicht? Über Ihre Kommentare zu diesem Thema freue ich mich sehr!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Vielen Dank für den wieder sehr interessanten Artikel.
Was ich noch bemerkenswert hinsichtlich der Nachahmung finde ist, dass man oft bei Studenten in der Ausbildung und sogar später bei Berufsmusikern feststellen kann, bei welchem Professor sie gelernt haben. Viele kleine Merkmale, die man oft auch gar nicht bewusst wahrnimmt, lassen Rückschlüsse auf so manche „Kinderstube“ zu. Das fängt bei kleinen Bewegungsabläufen an und geht bis hin zu Interpretationsansätzen.
Ja, die musikalische „Kinderstube“ ist mancherorts nicht zu übersehen! Wichtig finde ich im Unterricht mit unseren Schülern aber auch die Förderung des „Selber-Erwachsen-Werdens“, wenn man das so nennen kann!