Üben als Energie-Tankstelle
Üben ist anstrengend. Üben ist harte Arbeit. Diese Aussagen könnten wir wohl alle unterschreiben. Wenn man in sehr begrenzter Zeit ein anspruchsvolles Programm konzertreif einstudieren soll, kann das Üben sehr wohl als harte Arbeit empfunden werden, und der Zeitdruck kann auch ganz schön Stress verursachen. Könnte es aber auch sein, dass uns vielbeschäftigten Instrumental-Pädagogen das eigene Üben zur Energie-Tankstelle werden kann? Zu einer täglichen Beschäftigung, die uns in all dem Trubel um uns herum wieder erden kann? Die uns in den vielfältigen Aufgaben unseres Alltags wieder zentriert?
Körperliches Zentrieren
Zu Beginn jeder Übe-Session ist es sinnvoll, sich erst einmal „aufzuwärmen“. Bei den ersten Tönen ganz bewusst den eigenen Körper, das Instrument und die Balance fühlen. Die Aufmerksamkeit ganz auf die Körperwahrnehmung richten. Den Klang nicht forcieren, sondern eher geschehen lassen, fließen lassen. Das Eintauchen des Bogens in die Saite bewusst spüren. Diese Art des „Aufwärmens“ für die Übe-Session hat etwas sehr Entspannendes. Die ganze „Unruhe“ fällt ab, und man bringt sich in einen Zustand der inneren Wachheit und Aufnahmefähigkeit.
Mentales Zentrieren
In diesem Zustand der Wachheit können wir nun den Fokus auf eine bestimmte Passage oder einen bestimmten Aspekt einer Passage richten. Unser Geist ist nun nicht mehr abgelenkt durch diese und jene äußeren Einflüsse oder Gedanken. Wir sind in diesem Moment ganz auf diese Passage bzw. auf diesen Aspekt fokussiert. Unsere volle Aufmerksamkeit liegt auf der „körperlichen“ Umsetzung einer musikalischen Gegebenheit. Das „Geistige“ verschmilzt also mit dem „Körperlichen“, es beginnt zu „fließen“. Ich denke, jede und jeder von uns kennt diesen Moment, wenn es anfängt zu fließen. Das ist ein wunderbares Gefühl, ein Gefühl des „Geschehen lassens“.
Emotionales Zentrieren
Wenn sich der Geist aller äußeren Ablenkungen und Störungen entledigt, kommen wir in eine Art meditativen Zustand, in eine mentale Gelöstheit. In diesem Zustand können wir der Musik freien Lauf lassen, und es fühlt sich einfach nur gut und richtig an. Körperwahrnehmung, mentale Aufmerksamkeit und emotionale Ausdruckskraft verschmelzen miteinander. Das Spielen auf unserem Instrument wird so zu einem beglückenden Erlebnis, das uns mit neuer Energie und Lebensfreude erfüllt.
Üben als Energie-Tankstelle
Unser eigenes bewusstes Üben am Instrument kann uns immer wieder helfen, uns in den grundlegenden Bereichen unserer menschlichen Erfahrung – körperlich, mental und emotional – zu zentrieren. Es kann uns in Zeiten größter Unruhe und Unsicherheit wieder auf den Boden zurück holen, uns neue Energie und Lebensfreude schenken. Es kann eine richtige Energie-Tankstelle sein. Deshalb sollten wir – auch wenn im Moment vielleicht gerade kein Konzert ansteht – uns regelmäßig diese Zeit nehmen, uns mit vollem Herzen auf unser Instrument und die Musik einzulassen.
In diesem Sinne: Passen Sie gut auf sich auf und füllen Sie täglich Ihren Energietank wieder frisch auf!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Üben in diesem schönen beschriebenen Sinne hat mich persönlich durch die Krise getragen!
Ja, das Üben auf diese Art ist sehr wohltuend, man könnte es direkt als Psycho-Hygiene bezeichnen!
Liebe Grüße,
Andrea
Danke für diese wunderschöne Erinnerung!
Auch eine Erinnerung daran wo wir eigentlich hergekommen sind, was uns begeistert hat.
Ich selber übe (fast) täglich…
Meine Aussage gegenüber meinen SchülerInnen und FreundInnen: „Ich habe das Üben wirklich nötig um einigermaßen gut spielen zu können – zum Glück übe ich einfach sehr gerne, das trifft sich gut“.
Die Beschäftigung mit der Geige und der Musik macht mich einfach glücklich – ich übersehe oft die Zeit wenn ich im Üben drin bin…
Und wenn es mich so glücklich macht, warum soll ich es dann nicht so oft wie möglich machen?
Wie schön, besser geht’s nicht!
Danke für diese wunderschöne Bestätigung!
Liebe Grüße,
Andrea
Das ist eine sehr schöne Anregung, ich empfehle „Üben im Flow“ von Andreas Burzik, der genau diesen Ansatz der Körperwahrnehmung zu Beginn und während des Spielens empfiehlt. Seitdem ist das Geigenspiel für mich eine neue intensive Erfahrung auch beim Konzertieren.
Liebe Andrea,
vielen Dank für deinen Artikel, er kam für mich zufällig genau zum richtigen Zeitpunkt in Bezug auf die Zentrierung zu Beginn.
Herzliche Grüße
Irmgard
Wie schön, das freut mich!
Liebe Grüße,
Andrea