Welche Art von Lob verstärkt die Motivation?
Jeder Mensch freut sich über ein Lob. Gibt es uns allen doch das Gefühl, etwas gut gemacht zu haben und von anderen anerkannt zu werden. Auch im pädagogischen Bereich kann Lob sehr viel dazu beitragen, dass Kinder motiviert sind, zu lernen und sich weiter zu entwickeln. Es spielt aber offensichtlich eine sehr große Rolle, was und wie gelobt wird. Eine Studie aus dem Jahr 1998 zeigt, dass eine bestimmte Art von Lob sogar hinderlich für die Motivation zur Weiterentwicklung sein kann. Die Frage ist nun also: Welche Art von Lob verstärkt die Motivation?
Lob für Begabung versus Lob für Arbeitseinsatz
In ihrer Studie gaben die Psychologinnen Ph. D. Claudia M. Mueller and Ph. D. Carol S. Dweck, beide von der Columbia University, einer Gruppe von Kindern Aufgaben zu lösen. Danach wurden die Kinder gelobt, unabhängig davon, ob sie die Aufgaben gut gelöst hatten oder nicht. Die eine Hälfte der Gruppe wurde für ihre Intelligenz gelobt, mit der sie (angeblich) die Aufgaben so gut gelöst hatte, die andere Hälfte wurde für ihren intensiven Arbeitseinsatz gelobt, mit dem sie (angeblich) die Aufgaben so gut gelöst hatten.
Im nächsten Schritt bekamen die Kinder neue Aufgaben, die diesmal vom Schwierigkeitsgrad sehr unterschiedlich waren. Interessanterweise hielten sich die für ihre Begabung gelobten Kinder vor allem bei den leichteren Aufgaben auf, bei denen sie sicher waren, ein gutes Ergebnis abliefern zu können. Die für ihre Anstrengung und ihren Arbeitseinsatz gelobten Kinder stürzten sich vornehmlich auf die kniffligen Aufgaben und versuchten, Lösungswege für diese zu finden, und hatten zudem großen Spaß daran.
Selbstwertgefühl steigern
Dr. Dweck, die Hauptautorin der Studie, beklagte, dass manche unserer Grundüberzeugungen darüber, wie man das Selbstwertgefühl von Kindern steigern kann, fehlgeleitet sind. Die Intelligenz oder die „Begabung“ von Kindern zu loben verleitet die Kinder oft dazu, ihren eigenen Wert nur an den Leistungsergebnissen, z. B. an Schulnoten oder Wettbewerbsergebnissen, zu messen und nicht an ihrem persönlichen Lernfortschritt. In der Sorge um ein eventuelles Scheitern an einer Aufgabe vermeiden diese Kinder es sogar, Risiken einzugehen, und verzichten somit auf echte Lernchancen. Außerdem sehen sie meist Intelligenz oder Begabung als „fixen Wert“ an, als etwas Gegebenes, das sie selbst nicht beeinflussen können. Scheitern sie dann doch einmal an einer Aufgabe, schließen sie daraus, dass sie eben doch nicht so intelligent oder begabt seien. Da wird dann z. B. ein zweiter Preis beim Wettbewerb als großes Versagen angesehen, statt dass man den eigenen riesigen Lernfortschritt, den man während der Vorbereitungszeit gemacht hat, mit Freude wertschätzen kann. So eine Denkweise ist mehr als hinderlich, um ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln!
Kinder, die für ihre Anstrengungsbereitschaft gelobt werden, wagen sich gerne an neue Aufgaben heran. Sie machen die Erfahrung, dass sie sich durch eigene Anstrengung weiterentwickeln können. Sie gewinnen die Überzeugung, dass es in ihrer eigenen Hand liegt, Ziele zu erreichen. Sie sind deshalb viel eher bereit, intensiv an einer Sache zu arbeiten, um an ihr Ziel zu kommen. Sie sind bereit, neue Lösungswege zu erkunden. Sie sind bereit, geduldig und ausdauernd an einer Sache zu arbeiten. Sie verbinden dann ihren Erfolg auch nicht mit einer „fixen Größe an Begabung“, sondern mit ihrem persönlichen Arbeitseinsatz. Dies wirkt sich sehr positiv auf die Entwicklung ihres Selbstwertgefühls aus.
Grundüberzeugungen hinterfragen
Unsere Grundüberzeugungen sind sehr tief in unserem Bewusstsein verankert. Sie kommen aber oft nicht von uns selbst, wir haben sie – meist unbewusst – übernommen von Eltern, Lehrern und anderen wichtigen Bezugspersonen in unserem Leben. Es kann ganz viel Energie kosten, so eine wenig hilfreiche Grundüberzeugung zu „entlarven“, und durch eine lebensfreundlichere, hilfreichere zu ersetzen. Wir als Instrumental-Pädagogen arbeiten in einem sehr sensiblen Bereich, in dem oft – mehr oder weniger bewusst – in „talentiert“ oder „weniger talentiert“ kategorisiert wird. Entsprechende Erwartungshaltungen gegenüber Lernenden – auch wenn man sie nicht ausspricht – teilen sich immer auch über „unbewusste“ Kanäle mit. Wir sollten also sehr genau darauf achten, was wir den Kinder – auch unbewusst – übermitteln.
Am besten können wir unsere Schützlinge in ihrer persönlichen Entwicklung dadurch unterstützen, indem wir eine Atmosphäre schaffen, in der persönlicher Arbeitseinsatz sehr geschätzt wird, und in der jeder sich in seinem eigenen Tempo entwickeln darf. In so einer Atmosphäre lernen die Kinder, dass es Freude macht, sich für etwas anzustrengen, sich weiter zu entwickeln! Das ist es doch, was das Leben lebenswert macht! Nicht mit möglichst wenig Arbeitseinsatz durchs Leben zu kommen, das macht – wie man immer wieder sieht – nicht glücklich. Das Gefühl, selbst die Verantwortung zu übernehmen, selbst etwas schaffen zu können, sich durch eigene Anstrengung ständig weiterentwickeln zu können, das steigert das Selbstwertgefühl der jungen Menschen enorm! Und wir brauchen Menschen, die bereit sind, nach Lösungen zu suchen, und die sich das auch zutrauen.
Begabt oder weniger begabt
Natürlich sind nicht alle unsere Schüler gleich „begabt“ – wenn man denn diesen Begriff verwenden möchte. Wir Menschen sind nicht im gleichen Ausmaß bzw. gleich schnell lernfähig. Wir Menschen sind nun einmal verschieden, das ist eine Tatsache. Die „Begabung“ oder Lernfähigkeit – oder wie auch immer man es nennen möchte – wird aber definitiv durch konsequentes Arbeiten weiterentwickelt, das ist auch eine Tatsache. Sie ist nicht eine feststehende Größe. Auf jeden Fall gilt: Schüler in begabt oder weniger begabt zu „klassifizieren“ kann sehr negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl der Kinder haben. Ich weiß, dass das sehr oft nicht bewusst geschieht, sondern sich über die „unbewussten Kanäle“ mitteilt. Kinder haben da sehr feine „Antennen“ dafür. Gerade deshalb sollten wir uns als Pädagogen dieser Thematik bewusst sein. Zeigen wir unseren Schützlingen immer wieder unmissverständlich, dass wir den persönlichen Arbeitseinsatz über alles schätzen, und dass wir uns über jeden persönlichen Lernfortschritt ehrlich freuen! So können wir im Instrumentalunterricht tatsächlich einen Grundstein für die hilfreiche Grundüberzeugung im Leben unserer Schüler legen: „Wenn ich mich für etwas anstrenge und auch ausdauernd und geduldig dranbleibe, erreiche ich über kurz oder lang mein Ziel.“ So eine Grundüberzeugung wird die Motivation für die eigene Weiterentwicklung ein Leben lang erhalten.
Wie und wofür konkret loben Sie Ihre Schüler und Schülerinnen? Welche Grundeinstellungen möchten Sie ihnen vermitteln? Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen!
Liebe Andrea,
Dank für den interessanten Beitrag, der wie immer hilft, den eigenen Unterricht zu reflektieren.
Sich mit der Motivationspsychologie auseinanderzusetzen ist für jeden Lehrenden eine Goldgrube. Ein spannendes Gebiet, das einem die Augen öffnet für so manche Zusammenhänge, die man bis dahin nur so ungefähr „gefühlt“ hat. Seitdem ich einige grundlegende Bücher über Motivation gelesen habe, bin ich sehr viel wachsamer, wie ich beim Unterrichten die Rückmeldung gebe. Zum Beispiel kann ein dickes Lob für das Erfüllen einer leichten Aufgabe als kränkend erlebt werden (der Lehrer traut mir nicht mehr zu, er hält mich also für unbegabt). Hingegen kann Tadel die Botschaft transportieren: Der Lehrer traut mir mehr zu, also hält er was von mir. (man nennt das den „paradoxen Effekt von Lob und Tadel“).
— SO gibt es viele Theorien, die verschiedene Aspekt der Motivation darstellen. Zum Beispiel gibt es den „Pygmalion-Effekt“: er beschreibt das Phänomen, dass die Meinung, die der Lehrer von seinem Schüler hat, sich schließlich realisiert. (Daher immer „groß“ von jedem einzelnen Schüler denken! Er kann sich an dieser großen Meinung „emporranken“!).
Entscheidend ist auch die Bezugsnormorientierung (BNO). Hier gibt es die individuelle, die objektive und die sachliche.
Die individuelle BNO betrachtet ausschließlich den individuellen Fortschritt und begründet darin die Rückmeldung. Das ist für alle Schüler günstig, denn mit Anstrengung kann jeder sein Schiff in die richtige Richtung segeln lassen.
Hingegen hält die objektive BNO nur für die besseren Schüler Möglichkeit auf positive Rückmeldung bereit, da es um den Vergleich mit anderen geht. Ein schwacher Schüler hat bei dieser Art der Bewertung also keine Chance auf positives Feedback, so sehr er sich auch anstrengt. Starke Schüler können daraus jedoch viel Motivation holen, und anscheinend sollte man auch nicht ganz auf diesen objektiven Vergleich verzichten, da Schüler ohne ihn die „Orientierung“ verlieren, wo sie denn eigentlich stehen. Entsprechende Auskünfte werden sogar eingefordert.
Die sachliche BNO schließlich, soweit ich sie verstanden habe, hält auch Möglichkeiten für den Instrumentalunterricht bereit. Man stellt eine Aufgabe (Stück X im Tempo Y) und schaut, ob sie erfüllt ist oder nicht. Da besteht dann die Kunst darin, für jeden Schüler den richtigen Schwierigkeitsgrad zu erwischen, nämlich dass er die Aufgabe mit Anstrengung erfüllen kann.
Es ist eine äußerst spannende Frage, wie die Rückmeldung beschaffen sein muss, um zu motivieren…
Herzliche Grüße,
Regine
Liebe Regine,
vielen Dank für Deine so aufschlussreichen Erläuterungen! Gut durchdachtes und motivierendes Feedback zu geben ist wirklich eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die sehr große Auswirkungen haben kann!
Das mit dem „Groß“ denken in Bezug auf die Lernfähigkeit unserer Schüler kann ich nur bestätigen, denn unsere „Erwartungshaltung“ überträgt sich eben auch auf unbewusster Ebene! Was den von Dir angesprochenen objektiven Vergleich betrifft: Die Schüler haben bei jedem Klassenvorspiel automatisch einen Vergleich, eine Möglichkeit der eigenen Standorteinschätzung. Das lässt sich nicht vermeiden, ist aber auch nicht „ungesund“, wie ich finde. Es kommt immer darauf an, wie man darauf reagiert, wenn Kinder (oder Eltern) stark unterschiedliche Leistungen zur Sprache bringen. Hier ist mir immer wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Kind, das so toll gespielt hat, auch sehr fleißig geübt hat. Das soll nicht heißen, dass ich die Begabung herunterspielen möchte, keineswegs. Ich möchte nur vermitteln, dass man mit Begabung alleine nicht so toll spielen kann, sondern dass da auch ganz viel disziplinierte Arbeit dahintersteckt!
Herzliche Grüße,
Andrea
Liebe Andrea,
Was für ein wichtiges Thema hast du da angesprochen!
Ich denke, die wichtigste Voraussetzung ist, dass die Schüler die Sicherheit haben, dass sie von uns Lehrern, unabhängig von ihrem Können, geachtet und gemocht werden. Dass die Sympathie nicht durch ihr Können beeinflusst wird! Das ist die eine Säule und die andere ist die Ehrlichkeit, die Verlässlichkeit. Dass die Schüler wissen, dass die Äußerung des Lehrers immer ehrlich ist. Wenn sie sich angenommen fühlen, beflügelt ein Lob und sie können aber auch mit eventueller Kritik umgehen, weil die Basis nicht verletzt wird: dass sie wertgeschätzt sind.
Die Begabung eines Schülers ist auch für uns Lehrer ein Geschenk- es lässt sich da natürlich leichter unterrichten! Doch ich persönlich freue mich immer ganz besonders mit dem Schüler, wenn ich feststellen kann, wie er sich eingesetzt hat, um das gute Ergebnis zu erreichen. Wenn er sich bemüht hat, den Übevorschlag konsequent umzusetzen und nun toll spielt! Das Ergebnis ist nicht nur gutes Spiel, sondern echte Freude, die durch dieses Durchbeissen, Durchhalten erreicht wird. Und die erfüllt Schüler UND Lehrer. Ich denke, das beflügelt dann auch den Schüler, weil er erlebt, dass durch seine eigene Arbeit so ein Gefühl der Freude entstehen kann.
Liebe Andrea, danke für deine wichtigen Gedanken jede Woche!
Herzliche Grüße, Iris
Vielen Dank für Deinen so treffenden Beitrag, liebe Iris!
Herzliche Grüße,
Andrea
Liebe Iris Unterricker,
Sie sprechen mir aus dem Herzen!
Gruß
Irmgard Fliegner
Liebe Andrea,
vielen Dank für die interessante Studie.
Liebe Grüße
Irmgard
Vielen Dank, liebe Irmgard!
Danke für diesen Artikel.
Ein paar weitere interessante Aspekte zum Thema Loben hab ich gerade hier gehört :
https://www.fritzundfraenzi.ch/video/lerntipps-kinder/wie-lobe-ich-mein-kind-richtig
Vielen Dank für den informativen Link!
Herzliche Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg
Danke für diesen aufschlussreichen Beitrag! Für mich ist beim Loben auch ganz wichtig, dass ich immer in persönlicher Sprache spreche – also ein „Das hast du gut gemacht!“ umformulieren in ein „Ich finde, das hast du gut gemacht!“. Durch diesen Zusatz nehme ich mich aus der autoritären Rolle desjenigen, der über Verhalten und Eigenschaften des Kindes richtet. Diese persönliche Sprache lässt damit auch Raum für alternative Meinungen (z.B. wenn das Kind eigentlich nicht findet, dass es „das gut gemacht“ hat). Und ich möchte nur dann Loben, wenn ich das Lob nicht instrumentalisiere, sondern wirklich ehrlich meine was ich sage. Einen erhellenden Artikel zum Thema Lob aus Sicht der bindungs- und bedürfnisorientierten Erziehung war für mich der folgende:
https://www.online-familienberater.de/2023/02/16/kinder-loben-aber-richtig/