Über die Achtsamkeit beim Üben
Kennen Sie das auch? Dieses Denken, dass nur harte Arbeit etwas zählt? Nur wer hart arbeitet, hat Erfolg? Ja, sogar: Nur wenn ich mich sehr anstrenge, wenn ich sehr hart arbeite, habe ich Erfolg verdient? Kennen Sie dieses Denken? Solche Gedanken führen uns nicht zu Freude und „Flow“ in unserem Tun. Im Gegenteil, sie führen eher zu Verbissenheit und oft zu Frustration, weil man mit Verbissenheit eben oft die sich selbst gesteckten hohen Ziele nicht erreicht. Unseren Schülern geht es da oft nicht anders. Überall wird beste Leistung gefordert, bis sie von sich selbst auch nur noch beste Leistungen einfordern. Könnten wir nicht durch Achtsamkeit mehr Leichtigkeit in unser Üben und das Üben unserer Schüler bringen?
Achtsamkeit als Stresslöser
Wir kennen aber auch alle diese Situation: Wir sind vollständig versunken in das, was wir gerade tun. Wir vergessen dabei die Zeit, wir tauchen komplett ein in den Augenblick und in unser Tun. Es fühlt sich gut und wunderbar leicht an. Wir sind ganz bei uns, mit allen Sinnen. Wir sind achtsam.
Könnte Achtsamkeit nicht ein Schlüssel sein, um vom „Stress“ des Zielerreichens in kürzester Zeit etwas wegzukommen? Ein Schlüssel, um den Weg zum Ziel auch genießen zu können? Könnte Achtsamkeit nicht auch für unsere Schüler das Üben genußvoller machen? Weniger ein Muss, sondern mehr eine freudvolle Beschäftigung mit dem Instrument und mit der Musik?
Achtsamkeit als Weg zum Flow
Wer Dinge achtsam ausführt, ist auf dem besten Weg zu einem Flow-Erlebnis. Man ist sozusagen mit allen Sinnen bei einer Sache. Man bewegt sich, man fühlt, man hört, man sieht, … man reagiert wieder auf das was man fühlt, hört, sieht usw., und so funktioniert lernen und üben fast wie von selbst. Je mehr wir im Augenblick gegenwärtig sind, desto leichter fühlt sich das Lernen und Üben an.
Mit Kindern Achtsamkeit pflegen
Kinder kennen Achtsamkeit vom Spielen her. Sie können total in eine spielerische Tätigkeit versunken sein und alles um sich herum vergessen. Durch den Vormarsch der digitalen Medien, die tatsächlich immer und überall präsent sind, kann diese Fähigkeit leider sehr stark eingeschränkt werden. Ablenkung in jeder Minute. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dieses Eintauchen mit allen Sinnen in eine Tätigkeit zu fördern. Wie können wir Achtsamkeit mit Kindern pflegen?
Ich stelle gerne Fragen. Fragen, die zu genauer Wahrnehmung anregen, z. B.
- Wie klingt es, wenn du diese Stelle näher am Steg spielst?
- Wie klingt es, wenn du sie nahe am Griffbrett spielst?
- Wie fühlt sich dabei dein Arm an?
- Welche Version gefällt dir klanglich besser? Warum?
- Was denkst du, wollte der Komponist mit dieser Stelle ausdrücken?
- Spürst du, ob dein Bogen gerade geht, auch wenn du die Augen schließt?
- Zwischen welchen zwei Noten genau in dieser schnellen Passage muss der Bogen die Saite wechseln?
- Kannst du mit den Augen in die Noten schauen und trotzdem spüren, was dein rechter Ellenbogen macht?
Fragen dieser Art trainieren die Wahrnehmungsfähigkeit. Hier geht es nicht darum, eine Passage auf Biegen und Brechen in kürzester Zeit schnell herunterspulen zu können, sondern darum, ein Gefühl für diese Passage zu entwickeln (schöner Klang, geschmeidige Bewegungsabläufe, stimmige Dynamik usw.), sodass man sie dann mit Leichtigkeit spielen kann. So, dass man fast das Gefühl hat, die Stelle spiele sich von selbst.
Durch diese Art, Dinge zu erkunden, sind die Kinder mit viel mehr Aufmerksamkeit bei der Sache. Sie sind viel mehr in den Lernprozess eingebunden, als wenn ich als Lehrer immer nur sage „mach dies und tue das“. Mit der Zeit werden sie diese Vorgehensweise des aufmerksamen Erkundens auch selbst zu Hause beim Üben anwenden. Dann wird das Üben eine ganz neue Qualität bekommen!
Was haben Sie für Erfahrungen mit Achtsamkeit und Üben? Sowohl beim eigenen Üben, als auch beim Üben Ihrer Schüler und Schülerinnen? Über einen Austausch mit Ihnen in den Kommentaren würde ich mich sehr freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Tolle Anregung vielen Dank!!
Einen ganz wunderbaren neuen Weg zum üben fand ich bei Thomas Langes Resonanzlehre. Schulterprobleme haben mich dahin geführt.
Wer es noch nicht kennt , interessante Texte sind auf seiner website zu finden.
Über den Klang, in Resonanz sein, die natürlichen Bewegungsabläufe zu finden. Für mich Schulterrettende Erkenntnisse.
https://www.resonanzlehre.de/musikalische_emotion.php
Liebe Frau Einsiedler,
vielen Dank für diesen wertvollen Tipp! Ich habe mir gerade die Website von Thomas Lange angesehen. Sehr zu empfehlen!
Liebe Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg