Musik lernen über das Hören
Unlängst hörte ich im Radio zwei Musiker, die ein Musikstück, das sie beide sehr gut kannten und schon unzählige Male gespielt hatten, in verschiedenen Interpretationen von verschiedenen Künstlern verglichen, und sich darüber austauschten. Auch ich war durch diesen intensiven Austausch angeregt, sehr genau hinzuhören. Es ist erstaunlich, wie viel musikalische Dinge man plötzlich wahrnimmt, die man – ohne dieses genaue Hinhören und Reflektieren – wahrscheinlich überhört hätte. Ja, Musik lernen geht eindeutig über das Hören. Zum Hören kommen dann natürlich noch andere Sinne dazu, wenn es darum geht, ein Instrument zu lernen. In welchen Bereichen unterstützt nun das Hören konkret unsere Schüler beim Erlernen ihres Instruments?
Musik hören allgemein
Sei es aus dem Radio, von einer CD oder über Spotify und dergleichen: Nahezu jede und jeder hört Musik. Was macht das mit uns? Musik hat einen großen Einfluss auf unsere Gefühlswelt. Sie erweckt Bilder und Vorstellungen im Kopf. Sie kann berühren. Wir entwickeln meist einen eigenen Musikgeschmack. Die Stücke, die wir lieben, kennen wir meist in- und auswendig. Musik kann sich also tief im Gedächtnis verankern, über viele Jahre hinweg sogar. Wir lernen auch, verschiedene Stilrichtungen zu unterscheiden. Wenn also ein junger Geiger oder eine junge Geigerin zum ersten Mal ein Musikstück von Mozart spielt, hilft es, sich davor mehrere verschiedene Stücke von Mozart anzuhören. So entwickelt man ein Stilgefühl für diese Musik, selbst wenn man die Stilelemente noch nicht verbal beschreiben kann.
Anhören von Hörbeispielen
Heutzutage hat man bei fast allen Musikstücken, die man lernen möchte, die Möglichkeit, sich ein oder mehrere Hörbeispiele dieses konkreten Stückes anzuhören. Wenn man dazu in den Noten mitliest, verknüpft sich das Gehörte mit dem Notenbild. Durch das Hören und Mitlesen wird also der Gehörsinn mit dem Sehsinn gemeinsam aktiviert. Man lernt das Stück bereits viel genauer kennen und bekommt eine viel klarere Vorstellung davon. Spielt die Lehrperson einem das Stück „live“ vor, wird durch die Spiegelneuronen zusätzlich noch der Bewegungssinn „wach“. Man „sieht“ zur Musik schon die Bewegungen dazu und kann sich in diese einfühlen. In diesem Fall ist das „Hören“ bereits viel intensiver, da es mit den anderen Sinnen verknüpft ist. Die Lernerfahrung ist hier schon viel konkreter.
Sich selber beim Üben zuhören
Die intensivste Stufe des Hörens stellt sich ein, wenn man imstande ist, sich selber beim Üben ganz genau zuzuhören. Das ist nicht nur ein „äußerliches“ Hören, sondern ein Hören kombiniert mit einer intensiven Körperwahrnehmung, kombiniert mit einer starken inneren Vorstellung. Man hört zunächst innerlich, was man sich vorstellt, und hört es dann tatsächlich als Klang, wenn man es ausführt und fühlt dabei die zugehörigen Bewegungsabläufe. Das Gehirn vergleicht dann das „innerlich Gehörte“ – die Vorstellung – mit dem tatsächlich Gehörten. Entspricht der tatsächliche Klang noch nicht der Vorstellung, reguliert man – immer genau zuhörend – die Abläufe, bis der vorgestellte Klang erreicht ist. Es ist ein sehr intensiver Prozess, bei dem ein Gefühl größter Wachheit, ein Gefühl von „voll im Augenblick sein“ sich einstellt. Es ist trotz großer Intensität – oder vielleicht gerade wegen der großen Intensität – ein beglückendes Tun. Dieses genaue Hören und Abgleichen mit der inneren Vorstellung sowie mit den Bewegungsabläufen und dem Körpergefühl ist es, was einen Instrumentalisten zu einem guten Musiker macht. Und diese Art des Hörens dürfen wir unseren Schülern in jeder Unterrichtseinheit etwas näher bringen!
Wieviel bewusste Aufmerksamkeit widmen sie dem Hören in Ihrem Unterricht? Auf welche Art bringen sie das genaue Zuhören Ihren Schülern nahe? Was für Erfahrungen haben Sie damit? Über Ihre Schilderungen im Kommentar freue ich mich sehr!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
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