Ist es Unfähigkeit? Oder Unaufmerksamkeit? Oder einfach Faulheit? Haben Sie sich das auch schon manchmal gefragt, wenn eine Schülerin* das, was Sie ihr schon zum wiederholten Male sagen oder zeigen, einfach nicht umsetzt? Wenn die Schülerin sozusagen „informationsresistent“ ist? Man hat das Gefühl, man kämpft gegen Windmühlen! Wie geht man mit so einer Situation um?
*Ich verwende hier der Einfachheit halber das Wort Schülerin, meine aber selbstverständlich immer beide Geschlechter.
Ursachenforschung
Als erstes könnte man versuchen, die Ursache herauszufinden. Das ist unter Umständen gar nicht so einfach, wie es sich anhört. Mir kommen folgende Gedanken in den Sinn, wenn eine Schülerin scheinbar informationsresistent ist:
- Sie denkt, sie kann es nicht. Sie fühlt sich unfähig, das umzusetzen, was ich ihr anbiete. Sie hat – vielleicht aufgrund einer früheren unangenehmen Erfahrung – Angst vor Versagen.
- Sie sieht keine Notwendigkeit darin, etwas Bestimmtes zu lernen. Sie könnte z. B. der Ansicht sein, dass das Stück ohne Vibrato „eh schön“ klingt, und sieht daher keine Veranlassung, Vibrato zu lernen, bzw. zu üben.
- Sie scheut die Anstrengung. Sie ist schlichtweg zu „faul“, um das, was ich ihr vorschlage, täglich zu üben.
- Nichts von alledem. Sie will einfach nicht. Hat keine Lust.
Wenn jemand etwas nicht will ...
Als erstes möchte ich festhalten: Wenn jemand etwas nicht lernen will, wird er es auch nicht tun. Wir können Schüler nicht dazu bringen, etwas zu tun oder zu lernen, das sie partout nicht wollen. Wenn jemand etwas partout nicht will, müssen wir das akzeptieren. Wir haben auch nicht das Recht dazu, jemanden zu irgendetwas zu zwingen. Es kann ja sein, dass das eine vorübergehende Sache ist. Das heißt ja nicht gleich, dass man gleich alles hinschmeißen muss. Ich hatte z. B. einmal eine Schülerin, die konnte bereits wunderbar vibrieren, hat das Vibrato aber nie eingesetzt. Sie weigerte sich geradezu. Ich konnte mir nie erklären, warum, bis ich eines Tages draufkam: Sie spielte im Kinderorchester mit, und die anderen Kinder im Orchester konnten alle noch kein Vibrato. Sie hätte sich durch ihr Spiel mit Vibrato so exponiert gefühlt. Es wäre ihr „angeberisch“ vorgekommen, gestand sie mir. Ihr starkes Gefühl der Gemeinsamkeit mit den anderen „verbot“ ihr, mit Vibrato zu spielen. In diesem Fall hat sich das Problem etwas später von selber gelöst.
Informationsresistent aus Angst vor Versagen
Wenn eine Schülerin denkt, sie kann etwas sowieso nicht, hat sie wahrscheinlich früher einmal eine entmutigende Erfahrung gemacht. Oft tragen Leute solche Erfahrungen und deren Auswirkung auf ihr Selbstbild jahrelang mit sich herum. Sie wirken dann informationsresistent, haben aber im Grunde genommen einfach Angst vor Versagen. Hier hilft es, positive Referenzerlebnisse zu schaffen. Kleine Schrittchen, die immer wieder zu einem Erfolgserlebnis führen. So kann sich mit der Zeit ein starkes Selbstwirksamkeitsgefühl entwickeln. Ein Gefühl, dass alles, was man anpackt, schlussendlich gelingen wird. Mit so einem Gefühl lässt man sich auch gerne auf neue Lernschritte ein. Man bleibt neugierig und scheut sich nicht, neue Dinge auszuprobieren. Als Lehrer können wir Schüler, die auf irgendeine Art und Weise verunsichert sind, behutsam zu Erfolgserlebnissen führen und somit dieser Verunsicherung ein Ende bereiten.
Anstrengung scheuen
Wenn jemand einfach zu bequem ist, etwas zu üben, braucht er vielleicht nur eine „Starthilfe“. Wir alle kennen ihn, den inneren Schweinehund. Was hilft uns denn selber, um in die Gänge zu kommen? Bei sehr jungen Kindern hilft am Anfang vielleicht eine kleine Belohnung, ein lustiger Sticker oder dergleichen. Es ist jedenfalls wichtig, die Anstrengung selber zu loben, nicht nur das Ergebnis der Anstrengung. Wenn die Anstrengung über einen gewissen Zeitraum durchgehalten wird, stellt sich meist ein schönes Erfolgsgefühl ein. Dieses sorgt dann wieder für neue Anstrengungsbereitschaft, und der Bann ist gebrochen.
Keine Notwendigkeit sehen
Manchmal sehen Schüler auch einfach keine Notwendigkeit, etwas Bestimmtes zu lernen bzw. zu üben. Dazu eine kleine Geschichte. Ich hatte eine Schülerin, die – trotz aller Übungen, die ich mit ihr machte – immer wieder mit ziemlich steifer Bogenhand spielte. Ihre Intonation war gut, und sie spielte auch bereits recht anspruchsvolle Stücke. Nur die Bogenhand … Da war sie einfach seltsam informationsresistent. Immer wieder arbeitete ich mit ihr daran, doch vergebens, wie es mir schien.
Eines Tages kam sie zum Unterricht, und spielte mit perfekt geschmeidiger Bogenhand. Ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen. Dann fragte ich sie, wie das komme, was diese unglaubliche Veränderung denn jetzt bewirkt habe. Sie sagte, sie habe bemerkt, dass sie mit ihrer Bogenhand viel zu wenig wendig sei. Daraufhin habe sie sich in YouTube ein Video zu diesem Thema angesehen. WAS? Ein YouTube-Video? Und ich habe sooo lange versucht, ihr dieses Thema näherzubringen! Und dann lernt sie es auf einmal von einer Woche auf die andere. Von einem YouTube-Video. Mein Ego war erst einmal ganz schön sauer. „Auf dich hört sie nicht, aber auf irgendeinen Typen im Internet schon“, hat diese fiese innere Stimme mir zugeflüstert. Der Frust meines Egos währte aber nicht lange, denn im nächsten Augenblick war die Freude über die „wendige“ Bogenhand größer als alles andere! Die Schülerin hatte nämlich mit der „wendigen“ Bogenhand plötzlich so viel mehr klangliche Gestaltungsmöglichkeiten, die sie auch von ihrem Intellekt her wunderbar einzusetzen wusste! So schnell kann man also etwas lernen, wenn man die „Notwendigkeit“ dazu erkannt hat!
Wie schaffen Sie Abhilfe?
Haben Sie auch das Gefühl, dass bei manchen Dingen Ihre Schüler informationsresistent sind oder sich zumindest so zeigen? Was könnten die Gründe dafür sein? Wie sind Ihre Erfahrungen damit? Wie gehen Sie damit um? Wie schaffen Sie Abhilfe? Über einen regen Austausch zu diesem Thema, das uns wahrscheinlich alle in irgendeiner Form betrifft, würde ich mich sehr freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg