Selbstvertrauen ist wichtig, um mit den Herausforderungen des Lebens gut umgehen zu können. Ein starkes Selbstvertrauen ermöglicht es uns, immer wieder neue Dinge auszuprobieren, Neues zu lernen, uns Herausforderungen zu stellen und geduldig dran zu bleiben, bis wir eine Lösung gefunden haben. Stellt sich uns ein Problem, vertrauen wir darauf, dass wir eine Lösung finden werden. Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend ein starkes Selbstvertrauen aufbauen konnten, haben zwar im Laufe ihres Lebens wahrscheinlich nicht weniger Probleme als andere, aber sie können wesentlich besser damit umgehen. Ein Ziel sollte es für uns im pädagogischen Bereich Tätige also immer sein, das Selbstvertrauen unserer Schützlinge zu stärken. Wie können wir das nun ganz konkret tun?
Dinge gemeinsam erarbeiten
Wenn ich im Unterricht einem Kind immer alles vorgebe, vom Fingersatz über die Bogeneinteilung bis hin zur Phrasierung und dynamischen Gestaltung, gebe ich ihm keinerlei Möglichkeit, dies alles selbst zu durchdenken und zu erlernen. Natürlich bin ich als Lehrperson mit meinem fachlichen Wissen dem Kind um einiges voraus – das versteht sich von selbst – das heißt aber noch lange nicht, dass man Dinge nicht auch mal anders ausprobieren kann, bzw. dass das Kind selber gute Lösungen entwickeln kann. Natürlich braucht das Ausprobieren der verschiedenen Möglichkeiten viel mehr Zeit im Unterricht, als wenn ich einfach alles vorgebe, aber damit würde ich die Lernmöglichkeiten für das Kind ganz stark einschränken. Zudem bekäme das Kind den Eindruck, dass es allein nicht imstande sei, ein neues Musikstück einzurichten und zu erlernen. Warum also nicht gemeinsam an die Sache herangehen? Gemeinsam verschiedene Fingersätze ausprobieren und dann das Kind entscheiden (und begründen) lassen, welchen Fingersatz es an dieser oder jener Stelle nehmen möchte? Gemeinsam überlegen, wo schwere und leichte Taktteile sind und mit diesem Wissen sinnvolle Bogenstriche diskutieren und ausprobieren? Mit Hilfe von verschiedenen Bogeneinteilungen unterschiedliche Dynamiken ausprobieren und sich gemeinsam überlegen, wie sich der Komponist wohl die eine oder andere Passage gedacht haben könnte? Die Zauberfrage hier könnte lauten: „Wie würdest du diese Stelle angehen, den Fingersatz, den Bogenstrich usw. festlegen? Lass uns doch die verschiedenen Möglichkeiten ausprobieren!“ In diesem gemeinsamen Tun stecken so viele Lernchancen, und diese Art des gemeinsamen Arbeitens stärkt auf jeden Fall das Selbstvertrauen des Schülers. Dieser Schüler wird voller Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten und mit großer Freude an neue Herausforderungen herangehen und sich aus eigenem Antrieb heraus weiterentwickeln!
Fehler als "Helfer" ansehen
Manche Schüler sind so darauf bedacht, ja keine Fehler zu machen, dass dabei die Freude am Musizieren auf der Strecke bleibt. Ja, in unserer Kultur ist es sehr verbreitet, vor allem auf die Fehler zu achten. Selbst wenn wir es gut meinen und im Unterricht einem Kind nur „weiterhelfen“ wollen, und uns dadurch vor allem auf das fokussieren, was noch nicht „rund läuft“, besteht die Gefahr, dass sich der ganze Unterricht nur noch um „Fehler“ und deren „Ausmerzung“ dreht. Das Kind könnte den Eindruck bekommen, dass „Fehler“ etwas ganz Schlimmes sind. Wenn wir einen Fehler jedoch als eine Möglichkeit ansehen, die uns in diesem Fall nicht an das gewünschte Ziel gebracht hat, können wir ganz ohne „schlechtes Gefühl im Bauch“ einfach eine andere Möglichkeit ausprobieren, die uns dann vielleicht ans gewünschte Ziel bringt. Fehler sind also nichts anderes als eine Rückmeldung auf unser Tun. Dieser Gedanke kann das angespannte Verhältnis unserer Schüler zu Fehlern sehr entspannen. Ein Fehler ist also keine Schande, nur eine Information. Und diese Information hilft uns, einen neuen, einen erfolgversprechenderen Weg zu finden. Ein Fehler ist also in Wirklichkeit ein Helfer. Die Zauberfrage hier könnte lauten: „Was will mir dieser Fehler sagen? Was kann ich daraus lernen?“ Diese Denkweise wird sich auf das Selbstvertrauen unserer Schüler sehr positiv auswirken.
Den Prozess fokussieren, nicht nur das Ergebnis
Liegt der Fokus hauptsächlich auf dem Ergebnis, kann das bei Kindern schnell Gefühle des Versagens verursachen. Keine Frage: Kinder wollen schnell Erfolg haben. Wenn sie etwas Neues erlernen, sind sie oft ungeduldig mit sich selber. Sie denken, wenn sie etwas ein oder zwei Mal ausprobieren, müsse es gleich funktionieren. Oft kommt dann die entmutigte Aussage: „Ich kann das nicht.“ In diesem Fall hilft oft ein Vergleich mit einer Tätigkeit – eventuell mit einer Sportart, aber auch mit Lesen oder Schreiben und dergleichen – die das Kind bereits gut beherrscht. „Wie oft hast du denn das … wiederholt und geübt, bis du es so gut konntest? Also, ich würde eher sagen, du kannst das jetzt NOCH nicht, aber wenn du weiterhin dranbleibst und übst, wirst du es bald können.“ Das ist oft ein Augenöffner für das Kind. Ja, Anstrengung lohnt sich, aber eben meistens erst etwas später. In diesem Fall hilft es ungemein, wenn wir bereits die Anstrengungen unserer Schüler honorieren und den Fokus auf die Anstrengungsbereitschaft der Kinder legen, nicht auf das Ergebnis: „Ich sehe, wie viel du geübt hast, (wie lange du dich konzentriert hast/ wie oft du xy wiederholt hast,…), ich bin stolz auf dich, und du darfst auch stolz auf dich sein!“ Die Zauberfrage hier könnte lauten: „Wie viele Wiederholungen dieser Passage wollen wir für jeden Tag einplanen, sodass es mit jedem Tag besser und besser läuft?“ Auch diese Sichtweise wird das Selbstvertrauen unserer Schüler stärken.
Nicht mit andern vergleichen
Manche Kinder messen sich gerne mit anderen. Sie fühlen sich dadurch richtig angespornt. In diesem Fall ist der Vergleich mit anderen absolut positiv und motivierend. Viele Kinder leiden aber sehr unter dem Vergleich mit anderen. Vor allem, wenn er von Eltern oder Lehrern ausgesprochen wird: „Der Moritz kann das Perpetuum Mobile aber viel schneller spielen als du!“ Solche Aussagen wirken meist sehr demotivierend. Jedes Kind braucht seine eigene Lernzeit. Die Kinder lernen ja auch nicht alle zur gleichen Zeit das Laufen oder selber mit Messer und Gabel zu essen. Wenn schon Vergleiche ausgesprochen werden, dann eher das heutige Können mit dem Können von vor einem Jahr vergleichen. „Schau, letztes Jahr fandest du dieses Stück noch richtig schwierig, heute erscheint es dir leicht und ich finde, du spielst es sehr ausdrucksvoll!“ Die Zauberfrage hier könnte lauten: „Erinnerst du dich, wie diese Passage letzte Woche geklungen hat? Hörst du den klanglichen Unterschied, jetzt, nachdem du die Passage eine Woche lang so intensiv geübt hast?“ Der Vergleich des eigenen Könnens zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Stand des Könnens von vor einer bestimmten Zeitspanne führt den Schülern sehr deutlich ihre Selbstwirksamkeit vor Augen und stärkt somit das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Das Erlernen eines Musikinstruments und besonders der achtsame persönliche Umgang der Instrumentallehrpersonen mit den ihnen anvertrauten Schülern hat weitaus mehr Auswirkungen auf das Leben der jungen Menschen als man gemeinhin annehmen würde. Durch die oben genannten Verhaltensweisen können wir Pädagogen sehr viel zu einer Stärkung des Selbstvertrauens unserer Schüler und somit zu einer gesunden Entwicklung beitragen.
Wie stärken Sie das Selbstvertrauen Ihrer Schüler und Schülerinnen im Unterricht? Worauf legen sie besonderen Wert? Über Ihre Gedanken zu diesem Thema und Ihre Erfahrungen damit im Unterricht würde ich mich sehr freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg