Das Gute verstärken
Unlängst las ich einen interessanten Bericht mit dem Titel „Aus Fehlern lernen die Schüler nichts“. Es ging um eine Schulstudie, in der getestet wurde, wie Kinder sich entwickelten, wenn in ihren Arbeiten nicht ihre „Fehler“ – wie üblich – rot markiert wurden, sondern wenn die „richtigen“ Dinge grün angestrichen wurden. Wenn also das „Richtige“ – das, was sie gut gemacht hatten – hervorgehoben wurde. Also – das Gute verstärken. In dieser Studie wurden mehr als 600 Volksschüler vier Jahre lang begleitet. Bei 250 Kindern wurde die Methode „Das Gute verstärken“ angewendet, die anderen Kinder wurden auf die herkömmliche Weise mit „Fehler rot anstreichen“ unterrichtet.
Bessere Leistungen
Jene Kinder, die mit der Methode „Das Gute verstärken“ unterrichtet wurden, konnten ihre Leistungen signifikant verbessern. Jeweils am Ende des Jahres gab es Lese-, Rechtschreib – und Rechentests, um mit der Kontrollgruppe zu vergleichen. Ich möchte Sie jetzt hier nicht mit Zahlen langweilen, die Ergebnisse der „Das Gute verstärken“-Gruppe waren drastisch besser als die der Kontrollgruppe, sowohl im Rechnen als auch im Lesen und Rechtschreiben.
Motiviertere Schüler
Nicht nur die Leistungen waren besser, die Kinder waren auch motivierter. Sie bekamen nicht ständig „Misserfolgsbotschaften“. Durch das Hervorheben dessen, was sie gut gemacht hatten, trauten sie sich auch mehr zu. Worauf man die Aufmerksamkeit richtet, das verstärkt sich. Sieht man z. B. ein „falsch geschriebenes“ Wort rot unterstrichen, prägt es sich erst recht im Gehirn ein. Warum also nicht z. B. eine gute Formulierung mit grünem Leuchtstift sichtbar machen? Das weckt doch die Freude, nach weiteren guten Formulierungen zu suchen! Eine Lehrerin, die mit ihrer Klasse an dieser Studie teilgenommen hatte, sagte, sie hätte noch nie so tolle und fantasievolle Aufsätze von ihren Schülern bekommen. Auch die Eltern berichteten, dass ihre Kinder mit hoher Motivation zur Schule gingen.
"Das Gute verstärken" im Instrumentalunterricht
Wie wäre es, wenn wir ein Kind nicht sofort bei einem „Fehler“ in seinem Spiel unterbrechen und kritisieren würden? Wenn wir unseren Fokus vor allem auf die Dinge richten, die es gut gemacht hat, und dies auch kommunizieren? Und von dort aus weiterarbeiten?
Ein ehemaliger Student von Dorothy Delay – ich weiß leider nicht mehr, wer es war – berichtete: Wenn jemand ihr vorspielte, und es war fürchterlich schlecht, dann suchte sie zumindest eine Kleinigkeit im Spiel des Schülers, die gut war. Dann sagte sie enthusiastisch und mit einem aufmunternden Lächeln im Gesicht: „Ja, diese Stelle war schön! Mach jetzt mehr davon!“ Nicht umsonst gilt Dorothy Delay bis heute als ein „Leuchtturm“ der Violinpädagogik!
Ich denke, im Instrumentalunterricht hat sich diesbezüglich schon vieles zum Guten verändert. Vorbei sind (hoffentlich!) die Zeiten, in denen Violinstudenten oder Musikschüler mit Angst zum Unterricht gingen, weil sie Tadel oder Herabwürdigung erwarteten! Wie sehen Sie das? Haben sie diesbezüglich Erfahrungen? Was für einen Ansatz verfolgen Sie mit Ihren Schülern und warum? Über einen Meinungsaustausch in den Kommentaren würde ich mich sehr freuen!
Vielen Dank für den interessanten Artikel!
Ich habe es bisher auch so gemacht, dass ich bei meinem Feedback immer mit einem positiven Aspekt begonnen habe. Aber die Methode „Das Gute verstärken“ geht noch einige Schritte weiter. Damit werde ich mich nun auf jeden Fall intensiver befassen.
Liebe Andrea, danke für den sehr interessanten Beitrag! Ich habe es mir durch den Kopf gehen lassen und daraus heute den Satz geformt: „Ich bin gespannt, welcher Takt der schönste sein wird.“ (Eine Schülerin, die noch ziemlich am Anfang steht und ein paar Schwierigkeiten hat). Und fast alles war überraschend gut. Vielleicht ja Zufall. Mir gefällt an dem Satz auch, dass er impliziert, dass auf jeden Fall irgendetwas Schönes dabei sein wird.
Herzliche Grüße von Irmgard
Was für ein schöner Satz, der dem Kind vermittelt, dass die Lehrerin ihm gerne zuhört!
Liebe Andrea, genial, Dein Beitrag! Und ich bin auch grösstenteils sehr einverstanden. Nur bei der Haltung denke ich, sind die Schüler auf ein liebevolles und konsequentes aufmerksam machen angewiesen. Aber vielleicht gibt es da auch andere Wege? Liebe Grüsse Vincent
Ja, lieber Vincent, da Hast Du recht! Aber auch bei der Haltung kann man diese Lernbereitschaft „herbeizaubern“, indem man z.B. sagt: „Oh, der kleine Finger ist jetzt aber sehr schön rund und beweglich auf der Bogenstange geblieben! Bravo! Jetzt könnten wir noch darauf achten, dass …
Es geht darum, durch ein kleines, ehrlich gemeintes Lob die Aufmerksamkeit und die Anstrengungsbereitschaft für weitere Verbesserungen zu wecken.
Liebe Grüße,
Andrea
Liebe Irmgard, was für ein wunderschöner Satz! Den werde ich mir merken. Er ist so positiv und dem Schüler wird die Freude des Lehrers signalisiert : ich freu mich auf dein Spiel.
Vielen Dank dafür!
Herzliche Grüße, Iris
Danke Andrea! Das ist wunderbar!
Leider ist unser gesamtes Schulsystem auf die „Fehlersuche“ aufgebaut. Unsere Generation und die Generationen davor sind damit aufgewachsen und ich ertappe mich selbst immer wieder dabei, wie ich mehr auf die Fehler höre als auf das, was gut war….aber ich trainiere jeden Tag und es macht richtig Freude, es ist ein völlig anderes Unterrichten und zuhören….Wichtig ist mir dabei aber, wirklich authentisch und ehrlich zu bleiben, sonst ist es unglaubwürdig. Also ich würde niemals sagen, etwas war gut, wenn ich es nicht wirklich so meine. Alles Liebe Birgitta
Ja Birgitta, auf jeden Fall ehrlich sein mit dem Lob. Wenn etwas nicht gut war, dann merken die Kinder das ja selber auch, und man würde sich als Lehrer tatsächlich selber unglaubwürdig machen! Manchmal ist es zwar ganz schön herausfordernd, aber irgendetwas Gutes lässt sich meist doch finden, wo man dann ansetzen kann.
Liebe Grüße,
Andrea
Hallo Andrea,
gerade habe ich deinen Blog entdeckt und lese mich durch die verschiedensten Beiträge.
Zu diesem Thema hier ist im letzten Jahr ein tolles Buch herausgekommen, nämlich „Alles ist schwer, bevor es leicht ist“ von Caroline von St. Ange. Ich kann es wirklich wärmstens allen PädagogInnen und Eltern empfehlen, auch wenn es vor allem um das schulische Lernen geht.
Herzliche Grüße aus Tirol
Sophia
Vielen Dank für den guten Tipp, liebe Sophia!
Ja, die Caroline von St. Ange hat auch einen Instagram-Account, wo sie immer neue Tipps postet! Sehr empfehlenswert!
Liebe Grüße,
Andrea