Eltern als Übe-Unterstützer
„Wie binden Sie denn die Eltern der jungen Instrumentalschüler in das Lernen und Üben mit ein?“ fragte mich kürzlich ein angehender Cellolehrer. Wir Instrumentallehrer stellen meist die höchsten Anforderungen für Unterrichtsqualität an uns selbst und vergessen dabei oft, dass es da noch die Zeit zwischen den wöchentlichen Lektionen gibt, die nicht minder wichtig ist für das Fortkommen unserer Schützlinge. Wir als Lehrer haben ja nur eine sehr begrenzte Zeit mit den Schülern zur Verfügung. Da kommt es beim instrumentalen Lernen doch auch sehr darauf an, was nach dem Unterricht zu Hause geschieht, wie zu Hause geübt wird. Die Frage ist also: Wie können wir die Eltern unserer Schüler als liebevolle Übe-Unterstützer der Kinder mit ins Boot holen? Hier ein paar Gedanken dazu:
Eltern als Übeplatz-Gestalter
Ob ein Kind gerne zu seinem Instrument greift und sich mit der Musik beschäftigt, hängt stark davon ab, ob es einen Platz hat, wo es sich ungestört dieser Tätigkeit widmen kann. Eine hübsche Übe-Ecke, wo sich das Kind gerne aufhält, trägt sehr dazu bei, dass das Kind sich gerne mit dem Instrument beschäftigt. Regen Sie also die Eltern Ihrer Schüler dazu an, ein ansprechendes Übe-Plätzchen für ihr Kind einzurichten. Dazu braucht es eigentlich nicht viel: Der Platz sollte hell und freundlich sein und eine angenehme Zimmertemperatur haben. Ein Notenpult in der passenden Höhe sollte vorhanden sein, ebenso eine Ablagefläche für Noten, Schreibzeug und andere Utensilien wie eventuell ein Stimmgerät, ein Metronom, ein Spiel-Würfel und dergleichen. Wenn möglich, sollte das Instrument immer griffbereit sein, also nicht erst ausgepackt werden müssen. Ein gemütlicher Sessel für einen Zuhörer sowie ein Gerät zum Abspielen von Klavierbegleitungen vervollständigen die Ausstattung der Übe-Ecke. In so einem Umfeld hält man sich gerne auf, und das Üben wird zu einer angenehmen Beschäftigung!
Eltern als Übezeit-Erinnerer
Bei jungen Kindern müssen anfangs die Eltern daran denken, dass das Üben nicht vergessen wird. Das hat in den meisten Fällen nichts mit Übe-Unlust der Kinder zu tun, sondern damit, dass Kinder in jungem Alter sich ihre Tagesaufgaben einfach noch nicht selber einteilen und dann diese Einteilung einhalten können. Das ist nichts Ungewöhnliches. Deshalb braucht es die Eltern, die das Kind regelmäßig liebevoll, aber bestimmt an die Übe-Aufgabe erinnern. Eben wie man die Kinder ja auch an die Mathematik-Hausaufgabe oder an das Zähneputzen erinnert. Sicher kann es manchmal vorkommen, dass das Kind gerade mit etwas anderem beschäftigt ist, oder im Moment wirklich gerade keine Lust zum Üben hat. Dann kann man aber auch gemeinsam besprechen, um welche Zeit das Kind denn diese Aufgabe erledigen möchte. Wie bei einer Mathematik-Hausaufgabe. Diese wird ja auch nicht einfach weggelassen, nur weil man gerade keine Lust dazu hat. Wenn ein Kind die Möglichkeit hat, sich die Zeit für die Erledigung einer Aufgabe selbst auszuwählen (die Aufgabe muss dann aber zum vereinbarten Zeitpunkt tatsächlich erledigt werden), bekommt es ein Gefühl von Selbstbestimmtheit und Selbstverantwortung.
Eltern als Aufgaben-Vorleser
Bei Kindern im Vorschulalter, die noch nicht selber lesen können, ist es notwendig, dass die Eltern dem Kind die Übe-Aufgaben aus dem Aufgabenheft vorlesen. Am besten nicht alles auf einmal, sondern eine Aufgabe vorlesen, diese ausführen, dann die nächste vorlesen und so weiter. Besonders in so jungem Alter ist ein liebevoller Übe-Unterstützer sehr wertvoll!
Eltern als Noten-Mitzeiger
Ebenso hilfreich ist bei jungen Kindern oft das „Mitzeigen“ der Noten im Buch. Kinder können schnell die Stelle im Notentext aus den Augen verlieren, wenn sie noch nicht routiniert im Notenlesen sind. Da hilft es tatsächlich sehr, wenn Mama oder Papa mit einem Bleistift immer auf die Note zeigt, die gerade gespielt werden soll.
Eltern als Wiederholungen-Würfler
Üben ist meist mit Wiederholungen verbunden. Manchmal schreibt der Instrumentallehrer sogar eine bestimmte Anzahl an Wiederholungen auf. Manchmal ist bei jeder Wiederholung der Fokus auf etwas Bestimmtes zu richten. Da ist es für Kinder oft schwierig, den Überblick zu behalten. Um notwendige Wiederholungen etwas attraktiver zu gestalten, kann man deren Anzahl auch würfeln. Da können sich die Eltern als Wiederholungen-Würfler oder Wiederholungen-Zähler ins Spiel bringen. Es kann auch abwechselnd gewürfelt und gezählt werden. Spielerische Elemente lockern das Üben immer auf! Ein guter Übe-Unterstützer bringt immer wieder spielerische Momente mit hinein.
Eltern als ermutigende Zuhörer
Eltern sollten bei der Übebegleitung ihrer Kinder vor allem ermutigend sein. Nicht kritisieren, wenn etwas noch nicht wie gewünscht klappt! Eher Mut machen, dass es dann morgen oder übermorgen klappen wird, wenn man konsequent dranbleibt. Ein Instrument spielen zu lernen braucht Geduld. Geduld und Ausdauer und immer wieder Ermutigung! Die Kinder sollten nicht erst gelobt werden, wenn das Ergebnis gut ist. Sie sollten am Anfang vor allem für ihre Anstrengung gelobt werden! Für ihren Eifer und ihr konsequentes Dranbleiben, auch wenn das gute Ergebnis vielleicht noch auf sich warten lässt. Wenn die Anstrengungsbereitschaft erhalten bleibt, werden sich über kurz oder lang Erfolge einstellen.
Eltern als Belohner
Eltern dürfen selbstverständlich ihre Kinder für diese Leistung auch belohnen. Lustige Sticker sind da immer eine gute Wahl und sind Süßigkeiten oder übermäßigem Computerspielkonsum definitiv vorzuziehen. Über kurz oder lang wird das Erfolgserlebnis und das Gefühl, etwas erreicht zu haben, die beste Belohnung für die jungen Musiker sein, und alle Arten von materiellen Belohnungen überflüssig machen.
Eltern als Musikhörer
Eltern können die musikalische Entwicklung ihrer Kinder auch sehr stark unterstützen, wenn sie mit ihnen gemeinsam Musik hören. Zu Hause ein musikalisches Umfeld schaffen ist sehr inspirierend für junge Musiker. Das gemeinsame Musikhören verbindet und bildet gleichzeitig.
Die gemeinsam verbrachte Zeit mit dem Instrument und mit Musik sollte auf jeden Fall „Quality-Time“ für beide Seiten sein. Diese Zeit sollte nicht in Stress oder Streitigkeiten ausarten. Geben Sie den Eltern Ihrer Schüler klare Anleitungen mit an die Hand, wie sie diese gemeinsame Zeit produktiv und in guter Atmosphäre gestalten können. Es ist wichtig – vor allem bei sehr jungen Instrumentalschülern – dass sich Eltern in den musikalischen Lernprozess ihrer Kinder mit einbringen. Zeigen Sie also den Eltern Ihrer Schüler, wie sie die besten Übe-Unterstützer für ihre Kinder werden können!
Wie binden Sie die Eltern Ihrer Schüler ins Lernen mit ein? Was haben sie für Erfahrungen mit diesem Thema? Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Andrea,
herzlichen Dank für deine Ausführungen! Ich bin immer wieder davon angetan, wie detailliert Du die Themen darstellst.
Du beschreibst den Idealfall und wir wissen alle, dass es so leider nicht immer funktioniert – aus verschiedenen Gründen, die nicht unbedingt in unserer Hand liegen. Sich deinen Vorschlägen immer wieder hartnäckig anzunähern, nachzufragen, Ideen zu entwickeln, wenn es irgendwo hakt, finde ich ein lohnendes Ziel.
Bei den sehr jungen Kindern bitte ich immer ein Elternteil, im Unterricht dabei zu sein, damit er/sie weiß, worauf es beim häuslichen Üben ankommt. Und dabei erfahre ich viel über die Beziehung. Ist es für die Eltern okay, wenn ihr Kind unbedingt schnell mal rumhüpfen oder eine Rolle vorwärts machen muss? Wenn es mir mittendrin plötzlich etwas über Schmetterlinge erzählt? Ab und zu habe ich Eltern, die so engagiert und angespannt sind, dass sie während der Stunde ihren Kindern Anweisungen geben, denen ich dann freundlich aber bestimmt sagen muss, dass das mein Job ist. Ich empfinde es bei den Kleinen immer als besondere Verpflichtung, freundlich, emphatisch und gleichzeitig zielgerichtet zu sein und damit auch den Eltern zu zeigen, was mir wichtig ist. Kann in seltenen Fällen mal sein, dass ich Eltern nicht „streng“ genug bin. Die dürfen dann gerne wechseln.
Liebe Andrea, dein Beitrag hat mir darüber hinaus für alle meine Schülerinnen den Impuls gegeben, mit ihnen über ihren Übeplatz zu reden.
Danke mal wieder, dass du deine Erfahrungen, Kenntnisse und Ideen mit uns teilst und damit einen Austausch ermöglichst.
Liebe Grüße
Irmgard
Liebe Irmgard,
vielen Dank für Deinen so ausführlichen Beitrag! Ja, ich beschreibe meist den Idealfall, ganz nach dem Motto: Man muss immer wieder das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen! Natürlich liegen viele Dinge nicht in unserem Wirkungsbereich als Pädagogen, dessen müssen wir uns bewusst sein. Trotzdem ist es mir immer wieder ein Anliegen, meinen Beitrag zur musikalischen und persönlichen Entwicklung der Kinder so beherzt und so gut wie möglich zu machen! Da gehört auch ganz viel Empathie dazu! Du beschreibst das so schön in Deinem obigen Beispiel mit dem Kind, das plötzlich etwas über Schmetterlinge erzählt! Und zudem: Über Assoziationen, mit positiven Gefühlen verbunden, können Kinder doch am allerbesten lernen!
Herzliche Grüße nach Hamburg,
Andrea