Emotionale „Kämpfe“ beim Üben?
Emotionen sind ein Teil unseres Musizieren, und das ist ja auch das Schöne daran. Das häusliche Üben löst aber bei unseren jungen Schülern oft nicht nur Wohlgefühle aus. Wenn etwas nicht gleich so funktioniert wie gewünscht, kann das schon mal zu Tränen oder sogar zu Wutausbrüchen führen.
Viele Eltern fühlen sich mit so einer Situation schnell überfordert und wissen nicht, wie sie darauf reagieren sollen. Die Nerven liegen blank, die Emotionen schaukeln sich gegenseitig hoch, und die Situation gerät außer Kontrolle. Solche emotionalen „Kämpfe“ sind dem instrumentalen Lernen nicht besonders zuträglich.
Präzedenzfall
Wie man als Elternteil auf so einen „emotionalen Ausbruch“ reagiert, schafft einen Präzedenzfall, ein Muster, das sich bei ähnlichen Vorfällen in der Zufunft wiederholen könnte. Deshalb ist es so wichtig, dass wir den Eltern unserer jungen Schüler Anleitungen mitgeben, wie sie in so einer Situation souverän reagieren können.
Kinder testen oft die Grenzen ihrer Eltern aus. Wenn ein Kind sagt: „Nein, ich spiele diese Stelle nicht noch einmal, ich hab keine Lust dazu!“, heißt das oft nicht das, was die Worte ausdrücken, sondern: „Mal sehen, wer von uns beiden stärker ist, wer von uns beiden seinen Willen durchsetzt, die Mama oder ich!“ Kinder legen es manchmal geradezu darauf an, ihre Eltern zu provozieren. Wenn Eltern zulassen, dass so ein „Kräftemessen“ das Üben beendet, sind solche „Kräftemess-Aktionen“ bald an der Tagesordnung! Das gemeinsame Üben wird so schnell zu einer ungeliebten Situation für beide Seiten. Emotionale „Kämpfe“ zwischen Kindern und Eltern erschweren das Erlernen eines Instruments ungemein, ja sie können es sogar gänzlich blockieren!
Minimum einfordern
Wie können Eltern in so einer Situation reagieren? Sie sollten in jedem Fall ruhig bleiben, auf die Gefühle des Kindes eingehen, sich aber nicht unter Druck setzen lassen. Z.B.: „Ich weiß, deine Freunde spielen draußen und du willst auch hinaus, aber diese zwei Dinge müssen jedenfalls noch erledigt werden. Lass uns also diese beiden Stellen noch einmal wiederholen, dann hast du’s für heute geschafft.“
Kinder müssen auch lernen, mit ihrer eigenen Ungeduld umzugehen. Sie müssen lernen, manchmal auch trotz „Unlust“ an einer Sache dranzubleiben und auf ein längerfristiges Ziel hinzuarbeiten. Mit Geduld und Ausdauer wird man eben nicht geboren! Auch in diesem Bereich sind Eltern große Vorbilder für ihre Kinder! Ermutigen Sie also die Eltern Ihrer Schüler, in solchen Situationen wenigstens ein Minimum an Commitment einzufordern! (Dieselben Eltern lassen ihre Kinder doch sicher auch nicht abends zu Bett gehen, ohne Zähne zu putzen, nur weil diese gerade keine Lust dazu haben!)
Übe-Session mit gutem Gefühl beenden
Das Wichtigste ist, die Übe-Session mit einem guten Gefühl zu beenden, auch wenn beim Üben nicht alles glatt gelaufen ist, auch wenn eventuell die Emotionen hochgekocht sind. Kinder brauchen viel Bestätigung. Wenn das Kind das geforderte „Minimum“ erledigt hat, soll es auch für seine Anstrengungsbereitschaft gelobt werden. Lassen Sie das Kind die Abschluss-Aktivität der Übe-Session selber auswählen, sei es das Spielen seines Lieblingsstückes, gemeinsames Musizieren, ein Spiel oder etwas anderes. Wenn das Kind seine Übezeit mit einem guten Gefühl abschließen kann, ist die Übebereitschaft am nächsten Tag auch wieder da.
Eltern und Kinder müssen sich beim gemeinsamen Üben auch zuerst „finden“. Kinder sind unter Umständen ganz andere Lerntypen als ihre Eltern und brauchen eventuell andere Lernmethoden bzw. Übemethoden, als die Eltern sich vorstellen. Ausprobieren und geduldig dranbleiben heißt hier die Devise. Auch als Elternteil braucht man eine gewisse Lernphase, bis man herausgefunden hat, wie die Zusammenarbeit mit dem eigenen Kind am besten funktioniert!
Pflegen Sie als Instrumentallehrer also regelmäßig Kontakt zu den Eltern Ihrer jungen Schützlinge. Unterstützen Sie die Eltern mit Rat und Tat bei den Fragen des häuslichen Übens, und schaffen Sie dadurch für Ihre jungen Schüler die besten Voraussetzungen für das Erlernen ihres Instruments!
Wenn Sie gute Tipps zum Umgang mit „kritischen Situationen“ beim Üben haben, lassen Sie es die anderen Leser und mich bitte wissen und posten es in den Kommentar!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Holzer-Rhomberg, diesen Beitrag habe ich erst heute gelesen und möchte etwas ergänzen zu „Übe-Session mit gutem Gefühl beenden“. Ich finde es ebenfalls sehr wichtig und versuche auch, dass wir in jeder Stunde die Gelegenheit zum Lachen haben. Doch: Wir alle wissen, dass nicht jede unserer Stunden eine Glanzleistung ist und auch mal schiefgehen kann. So eine Stunde hatte ich kürzlich. Ich fand, ein bestimmtes Stück sei dran, weil wichtige neue Schritte damit zu lernen seien und dass man auch mal was üben muss, was einem spontan nicht so gefällt. Meine Schülerin mochte das Stück aber überhaupt nicht und spielte ohne innere Beteiligung. Die Stunde war zäh und unerfreulich. Ich habe dann zum Schluss gesagt: „Das war ja nun wirklich nicht unsere tollste Stunde. Ich werde mir was überlegen.“ Ich wollte gerne die „Schuld“ vom Kind auf mich übertragen. Ich habe mir überlegt, dass es völlig falsch ist, wenn ich mich „durchsetzen“ möchte, weil das völlig kontraproduktiv ist. Ich habe dann für die nächste Stunde eine leichteres Stück ausgesucht, von dem ich dachte, dass es dem Mädchen gefallen könnte. Zum Glück hatte ich Recht. Ende der Stunde sagte die Schülerin: „Heute hat es richtig Spaß gemacht.“ Puh!
Wunderbar! Da sieht man wieder einmal, wie wichtig die emotionale Beteiligung beim Lernen ist!