Erfolgreiches Lernen und Üben
Heute möchte ich mich zuerst herzlich bedanken für die vielen wertvollen Inputs in den Kommentaren meines letzten Blogartikels zum Thema „Motivation in konzertloser Zeit“. So viele wunderbare Ideen! So viel Kreativität! Vielen Dank! Da anhaltende Motivation sehr viel mit der Art des Lernens und Übens zu tun hat, möchte ich mich heute mit diesem Thema befassen: Wie funktioniert eigentlich erfolgreiches Lernen und Üben? Was für Voraussetzungen braucht es dazu, und kann man diese „kultivieren“?
Den Fokus auf etwas richten und halten
Eine erste wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Lernen und Üben ist, seinen Fokus gezielt auf etwas richten zu können, und ihn auch über eine gewisse Zeitspanne dort halten zu können. Es ist notwendig, sich auf eine bestimmte Sache konzentrieren zu können, um z. B. herauszufinden, was der Grund ist, warum eine Stelle im Notentext immer wieder Schwierigkeiten bereitet. Wenn man dann einen Weg, eine Übung, gefunden hat, wie man das „Problem“ beseitigen könnte, muss man diese Stelle weiterhin im Fokus behalten und die Übung anwenden, bis die Stelle keine Schwierigkeiten mehr bereitet. Oder – wenn sich herausstellt, dass man mit der gewählten Übung nicht weiter kommt – muss man einen anderen „Lösungsweg“ suchen.
Selbstbeobachtung
Eine zweite Voraussetzung für erfolgreiches Üben ist die Selbstbeobachtung. Kinder wiederholen oft Passagen völlig gedankenlos und ohne sich selber dabei zuzuhören. Diese Art des „Übens“ ist – wie wir alle wissen – völlig kontraproduktiv. Wir müssen als Pädagogen die Gabe der Selbstbeobachtung in unseren Schülern wecken. Es ist ja nicht so, dass diese Fähigkeit nicht angelegt wäre, diese Fähigkeit besitzt jeder gesunde Mensch. Es geht vielmehr darum, diese Fähigkeit anzuwenden und zu kultivieren. „Wie fühlt sich das an?“ „Wie klingt dieser Ton?“ „Spürst du, ob dein Bogen gerade streicht, auch wenn du gar nicht hinsiehst?“ „Hörst du einen Unterschied, wenn du … machst?“
Solche Fragen regen die Selbstbeobachtung an. Bei dieser bewussten Art des Lernens und Übens ist das Gehirn sehr „beschäftigt“. „Was passiert, wenn ich xy mache?“ „Wie klingt es, wenn ich yz mache?“ Auf diese Art zu üben ist sehr „fordernd“ und verlangt eine hohe Konzentration. Ein auf diese Art gefordertes Gehirn schüttet aber auch Glückshormone aus, denn – wie die Wissenschaft herausgefunden hat – „liebt“ das menschliche Gehirn das Lernen.
Ausdauer
Eine dritte eminent wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Lernen und Üben ist Ausdauer. Auch diese Fähigkeit will kultiviert werden. Auch sie kann – wie ein Muskel – trainiert werden. Nicht immer funktioniert gleich alles zu unserer Zufriedenheit, das kennen wir alle. In solchen Momenten kommt es darauf an: Werfe ich die Flinte ins Korn, oder bleibe ich dran? Übe ich weiter? Wenn ja: Kann ich einen Fortschritt erkennen? Wenn nicht: Kann ich eine andere Übe-Methode finden? Bin ich gewillt, das Ziel im Auge zu behalten, und meine Strategie so lange zu ändern, bis ich am Ziel ankomme? Auch wenn ich das Ziel vielleicht nicht heute erreiche, sondern erst in drei Tagen?
Den Prozess lehren
Üben ist ein Prozess von
- Planen: Was genau will ich erreichen? Wie werde ich dabei vorgehen?
- Durchführen: TUN und dabei genau beobachten.
- Reflektieren: Hat es funktioniert? Habe ich mein Ziel erreicht? Wenn ja, warum genau? Was war ausschlaggebend? Wenn nein: Warum nicht? Habe ich zu früh aufgegeben? Habe ich eine ungünstige Strategie gewählt? Was kann ich konkret ändern, dass ich das Ziel im nächsten Anlauf erreiche?
Als Pädagogen sollten wir unseren Schülern also nicht nur genaue Anweisungen geben, wie sie was üben sollen, sondern wir sollten sie vor allem den gesamten Prozess des Übens lehren: Planen, Durchführen und Reflektieren. Wenn dann noch Fokus, Selbstbeobachtung und Ausdauer dazu kommen, haben die jungen Instrumentalisten einen großen Schritt in Richtung erfolgreiches Lernen und Üben gemacht!
Wie vermitteln Sie Ihren Schülern das Üben? Geben Sie genaue Anweisungen? Überlegen Sie gemeinsam mit den Schülern die Herangehensweise? Lassen Sie die Schüler eigenständig Vorschläge bringen? Ihre Erfahrungen im Kommentar sind wie immer herzlich erwünscht und willkommen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Danke vielmals! Das ist sehr hilfreich!
Gerne, das freut mich!