Erweiterte Möglichkeiten im Online-Unterricht
Wie es derzeit aussieht, werden wir wohl noch etwas länger im Lockdown bleiben. Das heißt für uns, weiterhin „online“ zu unterrichten. Deshalb ist es mir ein Anliegen, den Online-Unterricht für meine Schüler so effektiv und auch so ansprechend wie möglich zu gestalten. Ja, ich weiß, Online-Unterricht ist nicht das gleiche wie Präsenz-Unterricht, und gewisse Dinge, wie z. B. mit den Schülern gemeinsam zu musizieren, sind derzeit über ein Videokonferenz-Tool einfach nicht machbar. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Aber es gibt doch einige Möglichkeiten, auch diese Art von Unterricht für Schüler abwechslungsreich und inspirierend zu gestalten, und für Lehrpersonen in der Durchführung etwas zu erleichtern. Deshalb geht es heute um erweiterte Möglichkeiten im Online-Unterricht.
Bildschirm teilen
Fast jedes Videokonferenz-Tool beinhaltet die Funktion „Bildschirm teilen“. Diese Funktion nutze ich oft und gerne. Man öffnet alle Dokumente, die man mit dem Schüler teilen will, bereits vor der Lektion und minimiert sie. Wenn man dann im Meeting auf „Bildschirm teilen“ klickt, sieht man alle geöffneten Dokumente als eigene Fenster und kann dann genau jenes auswählen, das man gerade teilen möchte. Man hat sogar die Möglichkeit, in das geteilte Dokument etwas hineinzuschreiben, z. B. einen Fingersatz. Dazu gibt es virtuelle Stifte. Das funktioniert allerdings nur gut, so lange man nicht hinunterscrollen muss, denn die virtuellen Anmerkungen „scrollen“ mit. Bei geteiltem Bildschirm sieht man den Schüler und sich selber immer noch auf dem Bildschirm, nur eben als kleine Fensterchen am Rand. Klickt man auf „stoppen“, hat man die Meeting-Teilnehmer wieder groß im Bild.
Ich verwende diese Funktion vor allem für Rhythmus-Spiele und Notenlese-Übungen. Durch Lerninhalte aus verschiedenen musikalischen Bereichen kann ich die Lektion wunderbar strukturieren, und das lockert ungemein auf. Es ist auch möglich, mit der Funktion „Bildschirm teilen“ Videos abzuspielen. In diesem Fall sollte noch das Häkchen bei „den Computerton freigeben“ aktiviert sein. Ich kann sogar eine Capella- oder Sibelius-Partitur bzw. Notenseite teilen und da „live“ etwas hineinschreiben. Ich kann z. B. zwei Rhythmen hineinschreiben, einen davon spielen, und das Kind soll erkennen, welcher von den beiden das war. Auf diese Art kann man allerlei musikalische Spiele spielen, die sowohl kurzweilig als auch lehrreich sind!
Whiteboard
Viele Videokonferenz-Tools haben auch eine Funktion „Whiteboard“. Diese liebe ich sehr. Da kann man ganz schnell und unkompliziert Dinge erklären. Es gibt eine Auswahl an virtuellen Stiften, Farben, Linien (gerade und geschwungen), einen Radiergummi und dergleichen. So kann man ganz schnell etwas aufschreiben oder malen. Ich benutze das sehr oft mit jungen Schülern, um die „Plätzchen“ der Noten im Notensystem zu üben. Man kann sogar das fertige „Bild“ anschließend speichern und dem Kind per E-Mail schicken (bzw. in seinen Cloud-Ordner legen), sodass es jederzeit wieder nachschauen kann, wenn es etwas vergessen hat. Auch diese erweiterte Möglichkeit benutze ich sehr gerne und oft.
Verwendung einer 2. Kamera
Zum Thema erweiterte Möglichkeiten, die einem das Unterrichten sehr erleichtern, gehört auch eine 2. Kamera. Fast jeder von uns hat ein Smartphone oder ein Tablet, das er zusätzlich zum Laptop oder Computer einsetzen könnte. Ich empfehle sowieso, den Unterricht auf einem möglichst großen Bildschirm abzuhalten, und diesen so zu platzieren, dass man keine Rückenverkrümmung bekommt (es gibt sehr günstige höhenverstellbare Tisch-Laptopständer, ein Stapel Bücher geht aber auch) oder dass die Augen am Abend vor lauter Starren auf ein kleines Fensterchen schmerzen. Auch bei einem großen Bildschirm kann eine 2. Kamera sehr gute Dienste leisten, z. B. wenn man einmal die Stellung der Finger am Griffbrett in Großaufnahme zeigen möchte, oder wenn man schnell auf eine Stelle in den Noten hinweisen möchte.
Es gibt zwei Möglichkeiten, eine 2. Kamera einzubinden. Die erste Möglichkeit ist, sich selbst mit dem zweiten Gerät als weiteren Teilnehmer in das Meeting mit dem Schüler einzuloggen. Der Nachteil bei dieser Möglichkeit ist, dass bei manchen Videokonferenz-Tools die Zeit für ein Meeting mit mehr als 2 Personen begrenzt ist, zumindest bei Gratis-Accounts.
Die zweite Möglichkeit funktioniert so: Es gibt mehrere Apps, die es ermöglichen, das Tablet oder Smartphone als Webcam zu benutzen. Ich benutze die App Epoccam. Hier gibt es eine Gratisvariante, bei der ein Wasserzeichen von Epoccam (als Werbung) zu sehen ist, und eine Bezahlvariante ohne Wasserzeichen, die noch einige zusätzliche Features zu bieten hat. Kostenpunkt: €8,99 einmalig. Die App verbindet sich automatisch über Wlan und wird von Computer als zweite Kamera erkannt. Ich habe mein IPad auf einem Stativ mit IPad-Halterung so platziert, dass die Kamera auf den Schreibtisch zeigt. So kann ich jederzeit die Noten ins Bild legen und der Schüler kann „live“ sehen, was ich einzeichne, bzw. auf welchen Takt ich gerade zeige. Das erleichtert die Kommunikation um vieles!
Um diese Funktion zu verwenden braucht man ein Videokonferenz-Tool, das Multicam-fähig ist. Bei Zoom z.B. findet man diese Funktion unter „Bildschirm freigeben“ ⇒ Erweitert ⇒ Inhalt von 2. Kamera. Diese Funktion gibt es aber, so viel ich weiß, auch bei Skype, GoToMeeting, Webex, …
Unterricht so professionell wie möglich gestalten
Ich weiß, dass viele von uns Instrumental-Pädagogen sich niemals hätten träumen lassen, einmal in so eine Situation zu kommen. (Ich selber ja auch nicht!) Ich weiß, dass viele von uns nicht unbedingt „computer-affin“ sind und Mühe mit der jetzigen Situation haben. Ich weiß auch, dass viele von uns nicht gerade ideale Voraussetzungen haben, von zu Hause aus zu unterrichten: Kein Zimmer, wo man ungestört ist, kleine Kinder, die zu betreuen sind, keine optimale digitale Infrastruktur, usw.
Trotzdem – oder gerade deshalb – möchte ich Mut machen, das Beste aus der Situation zu machen. Es ist wichtig, den Unterricht so ansprechend und professionell wie möglich zu gestalten. Das ist nicht nur für unsere Schützlinge wichtig, sondern auch für uns selber! Wir sollten doch am Abend nach so einem Unterrichtstag nicht völlig erschöpft sein, sondern das Gefühl haben, einen produktiven und erfüllten Tag gehabt zu haben! Außerdem – wenn die Schüler sich im Online-Unterricht bei uns nicht wohlfühlen, melden sie sich ab. Stellen Sie sich vor, die Schüler kämen zum Präsenzunterricht in einen Raum, in dem der Putz von den Wänden bröckelt, eine einsame Glühbirne von der Decke hängt und … da würden sie sich auch nicht wohl fühlen. Sie wissen, was ich meine.
Die oben beschriebenen Möglichkeiten verlangen nach keinen finanziellen Investitionen, sind sehr leicht umsetzbar und haben große positive Auswirkungen, sowohl auf unsere Schüler als auch auf uns selber. Der Unterricht kann tatsächlich abwechslungsreich und inspirierend gestaltet werden – vorausgesetzt natürlich, wir strahlen selber als Lehrperson auch etwas Inspirierendes aus, und das ist – wie ich meine – das Allerwichtigste! Deshalb: „Gönnen“ Sie sich diese erweiterten Möglichkeiten! Sie werden viel entspannter und freudiger Ihren Online-Unterricht durchführen, und genau das auch ausstrahlen, das verspreche ich Ihnen! In diesem Sinne – passen Sie gut auf sich auf!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Andrea, vielen Dank für die vielen wertvollen Tipps, die uns das Unterrichten immer wieder abwechslungsreicher machen! Ich mache mit meinen Schülern jetzt einmal pro Woche eine offene Gruppenunterrichtsstunde über zoom, in der wir die verschiedenen Rhythmusspiele, Solmisation oder Noten schreiben praktizieren. Dabei baue ich auch die Ideen aus dem Newsletter ein. Den Kindern macht es Spass, sich online zu sehen. Vorab verschicke ich Notenblätter oder Aufgabenstellungen als PFD Dateien, damit nicht alle in den Bildschirm schreiben müssen. Bei manchen funktioniert das nicht, weil sie z.B. über Handy teilnehmen. Ich bin selbst gespannt, wie sich diese musikalische Spielstunde entwickeln wird und möchte sie gern auch nach Corona beibehalten.
Beim Einzelunterricht bitte ich Schüler, deren Stück ich gerade nicht in Noten zur Hand habe, mir ein Foto von den Noten zu schicken (per Whatsapp:-( ). Das öffne ich auf dem Bildschirm und kann es dann während des Unterrichts mit dem Stift bequem kommentieren.
Wir können zwar gerade nicht gemeinsam musizieren, aber man kann verschiedene Stimmen eines Stückes (oder auch die gleichen) mit einem guten Schneideprogramm übereinander legen. Das ergibt schöne Produktionen.
Ich finde Unterrichten derzeit zwar aufwendig und anstrengend, aber durchaus spannend und auch lohnend!
Viele Grüße
Berthilde Galosi
Liebe Berthilde,
vielen Dank für den so positiven Lagebericht! Es freut mich sehr, wie viel Kreatives und Gutes aus dieser herausfordernden Situation entsteht! Ja, der Unterricht in dieser Form erfordert zwar wesentlich mehr Vorbereitungsarbeit, bringt aber auch so viele gute Ideen hervor, die wir – finde ich – unbedingt auch nach dem Lockdown beibehalten sollten! Ich wünsche weiterhin so viel Elan und Enthusiasmus beim Unterrichten! Ja, es lohnt sich wirklich!
Herzliche Grüße,
Andrea
Liebe Frau Holzer-Rhomberg,
vielen Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz, uns allen den Onlinunterricht etwas schmackhafter zu machen. Es bedeutet einen wahnsinnigen Zeitaufwand, sich immer wieder mit diesem Thema auseinanderzusetzten und vieles auszuprobieren.
Ich finde allerdings, es maht durchaus auch etwas Spaß, seine Geräte besser kennenzulernen. Vieles kann man ja auch im Alltag einsetzen. Und die Schüler finden es auch ziemlich cool, wenn wir Lehrer*innen uns auf diesem Gebiet nun auch auskennen.
Ich mache z.B.jetzt auch Gruppenstunden. dabei kann zwar nur eine Person mit geöffnetem Mikrofon spielen, die anderen können aber mit geschlossenem Mirko mitspielen, wenn sie Den anderen hören. Ich kann zwar nicht kontrollieren, ob es dann bei allen richtig war, aber das schaffen die Schüler dann schon. Außerdem ist ja jeder mal dran, sein Mirko zu öffnen. Gleichzeitig kommen alle auch etwas in eine Vorspielsituation.
Das gleich habe ich auch mit einer Schüerin gemacht, die gerne Duett spielt. Wenn sie ihre Stimme gut kann, kann ich die zweite Stimme spielen und sie hört das fertige Stück zu Hause.
Die zweite Kamera muss ich mal noch ausprobieren. Momentan arbeite ich noch an einem digitalen „Übetagebuch“, das von en Schüle*innen und mir bearbeitet werden kann. Das gute alte Hausaufgabenheft ist im Moment nicht so gut einsetzbar. Außerdem steht dort sowieso fast jede Woche das gleiche. Vielleicht finde ich eine bessere Lösung.
Viele herzliche Grüße aus dem Allgäu (ich gucke bei jedem Spaziergang nach Österreich),
Uta Babinecz-Ellwanger
Liebe Frau Babinecz-Ellwanger,
vielen Dank für Ihren so schönen Beitrag! Ja, wenn man sich darauf einlässt, die einem zur Verfügung stehenden Medien besser kennen und anwenden zu lernen, kann das wirklich Spaß machen! Ich finde es auch so spannend, was wir als Lehrpersonen voneinander lernen können! Es kostet doch immer wieder Überwindung, sich aus der Komfortzone herauszubewegen und Neuland zu betreten. Es ist so ermutigend, wenn man sieht: Bei dieser Lehrerin klappt das so gut, vielleicht sollte ich dies und das auch mal ausprobieren! Dieser Austausch und das Voneinander-Lernen ist so wertvoll!
Vielen Dank und herzliche Grüße ins Allgäu,
Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Andrea,
herzlichen Dank für Ihre Tipps, die immer im richtigen Augenblick kommen!
Ja, im Online-Unterricht ist vieles nicht möglich, an das wir im Präsenzunterricht gewöhnt sind. Andererseits bietet er auch Möglichkeiten, die ich im Präsenzunterricht nicht habe oder nicht genügend genützt habe, und die ich mittlerweile sehr schätze.
Zum Beispiel schätze ich sehr die Nähe zum Elternhaus. Ich habe viele junge Schüler, die schon wegen der Technik auf ihre Eltern angewiesen sind. Viele Eltern sind einfach stumm dabei und können in jedem Moment hilfreich einspringen, wenn ich eine „richtige Hand“ brauche, oder auch um etwas zu erklären. So weiß ich auch, dass die Eltern informiert sind und das Üben kompetent begleiten können.
Für jeden Schüler habe ich einen fortlaufenden Übeplan mit einer Tabelle, die 5 Spalten hat: Datum, und vier Übebereiche Tonleiter, Übung, Stück/Lied und Notenlesen/Blattspiel. Zu jedem der vier Bereiche soll im Unterricht etwas drankommen und als Hausaufgabe geübt werden. Ich notiere es am Computer und sende jedem Schüler per kopieren-einfügen ein Email mit seinen Hausaufgaben zu. So behalte ich den Überblick, und die Schüler ebenso.
Ein weiterer Punkt ist auch online möglich und lockert die Bildschirm-zentrierte Situation mit Bewegung -und Lachen!- auf. Dieses tolle Unterrichtswerkzeug sind die „Schritte“ der „tanzenden Geigen“ nach Tina Strinning. Hier ist ein deutscher Artikel aus Üben und Musizieren https://uebenundmusizieren.de/artikel/les-violons-dansants/, und hier ist die Internetseite von Tina Strinning: http://www.tinastrinning.ch/ (auf Französisch oder Englisch).
Ich wünsche allen eine gute Unterrichtswoche !
Herzliche, Regine Bubeck
Liebe Regine,
ja die tanzenden Geigen von Tina Strinning – wie schön! Die machen das wirklich toll! Sie spielen alles auswendig, denn wenn sie tanzen, können sie ja nicht in ein Notenpult schauen. Das finde ich sehr bemerkenswert, sie merken sich die Noten UND die Choreographie! Das ist eine tolle Leistung, und sie sind mit großem Enthusiasmus dabei!
Und Sie, liebe Regine, haben Ihren Online-Unterricht – das lese ich aus Ihrer Beschreibung heraus – auch sehr gut organisiert! Kompliment! Das wissen die Eltern Ihrer Schüler sicher sehr zu schätzen!!!!
Liebe Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg