Gedanken zum ESTA-Kongress in Neckarsulm
Eben nach Hause gekommen vom diesjährigen ESTA-Kongress in Neckarsulm – wo ich eingeladen war, zwei Workshops zu halten – gehen mir viele Gedanken durch den Kopf. Es war ein Wochenende mit vielen neuen Eindrücken!
Es tut immer wieder gut, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken! Sich mit Berufskolleginnen und -kollegen auszutauschen ist immer eine wertvolle Quelle der Inspiration!
Vielfalt
Es ist schon erstaunlich, wie viele unterschiedliche Lebenssituationen es in der Berufsgruppe der Streicherpädagogen gibt:
- Lehrer, die in Großstädten an Brennpunktschulen Streicherklassen-Unterricht geben,
- Lehrer, die an ländlichen oder städtischen Musikschulen angestellt sind,
- Lehrer, die an ebendiesen Musikschulen keine Anstellung mehr bekommen, sondern als Honorarkräfte arbeiten,
- Lehrer, die selber eine Musikschule gegründet haben,
- Lehrer, die sich als Einzelunternehmer mit ihrem Instrumentalunterricht selbständig gemacht haben,
- Lehrer, die an Musikhochschulen und Universitäten Orchestermusiker oder zukünftige Instrumentalpädagogen ausbilden,
- Lehrer, die teilweise als Orchestermusiker arbeiten und zusätzlich unterrichten,
- Pensionierte Orchestermusiker, die gerne ihr Wissen und Können weitergeben möchten,
- usw.
Und all diese Menschen in diesen Lebenssituationen haben eines gemeinsam: Sie sind interessiert daran, das Kulturgut Musik mit viel Enthusiasmus an junge Menschen weiterzugeben. Sie scheuen keine Mühen, ihre Schüler und Studenten immer wieder zu begeistern, sie zu aktivieren, sie in Ihrer musikalischen Entwicklung und in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen.
Selbstverständlich gibt es in unserem Berufsstand und bei den derzeitigen Entwicklungen im Bildungssektor auch Dinge, die nicht so erfreulich sind und die auch zur Sprache gebracht werden müssen. Trotzdem hat mir dieser Kongress wieder einmal eines ganz stark mitgegeben:
Hoffnung
Überall „sprießen“ neue wunderbare pädagogische Ideen, die es lohnt, weiter zu verfolgen:
- Da ist eine junge Geigerin und Komponistin, die in ihrer zeitgenössicher Musiksprache Übungen und kleine Musikstücke zum Erarbeiten oder Verbessern bestimmter Spieltechniken für ihre Schüler entwirft; die mit ihrem Engagement Schüler anregt, selbst kreativ zu werden, selbst Musik zu „schaffen“.
- Da ist ein Hochschul-Professor, ein äußerst virtuoser Geiger, der seine bisherige Art der Vermittlung des Geigenspiels neu überdenkt, der in seinem Unterricht Neues ausprobiert und mit seinem emotionalen und bildhaften Zugang bei der jungen Schülerin wunderbare Musizierergebnisse erreicht.
- Da ist ein Musikschul-Team, das mit einem Streicher-Ensemble der Musikschule erstaunliche Klangvisionen einer zeitgenössischen rumänischen Komponistin umsetzt.
- Da ist eine junge Lehrerin, die als Antwort auf die „Übe-Unlust“ ihrer Schüler ein „Übe-Kartenspiel“ entwirft, das von seinen Ideen her kreativer und von seiner grafischen Gestaltung her schöner nicht sein könnte.
- Da ist ein Kontrabass-Lehrer, der mit seiner direkten und unkonventionellen Art seine Schüler zum Singen bringt, sowohl mit Stimme als auch auf dem Instrument.
- Da ist eine Lehrerin, die „Mut“ zur Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit macht, ganz nach dem Motto: Wenn ich keine Anstellung bekommen kann, schaffe ich mir eben selbst eine.
- Da sind Lehrer, die jedes Jahr mit viel Energie und Enthusiasmus mit ihren Schülern große musikalische Projekte verwirklichen,
- usw.
Dies alles lässt mich mit dem guten Gefühl zurück, dass es – trotz teilweise gravierender Änderungen im Bildungssektor – immer wieder kreative Leute gibt, die Lösungen finden. Leute, die mit viel „Herzblut“ und eigener Begeisterung der jungen Generation die Schönheit der Musik und des Selber-Musizierens vermitteln. Lehrer, denen die musikalische und die persönliche Entwicklung ihrer Schüler wirklich am Herzen liegt!
Zwischendurch gab es auch immer wieder Zeit für den so wertvollen kollegialen Austausch, und bei den Diskussionen im Teilnehmerforum kam ganz eindeutig der Grundtenor durch:
Zusammenarbeit in gegenseitiger Wertschätzung
Egal, ob wir irgndwo an der Basis eher an einer allgemeinen Musikalisierung der Kinder arbeiten, oder ob wir im Hochschulbereich zukünftige Berufsmusiker ausbilden: Lasst uns GEMEINSAM die Dinge angehen. Unterstützen wir uns gegenseitig. Lasst uns offen sein für neue Ideen kreativer Kolleginnen und Kollegen. Musik gehört zum Leben! So, wie sich das Leben ständig verändert, so darf sich auch unser Zugang zur Vermittlung unseres Kulturgutes Musik verändern. Lasst uns das Bisherige schätzen und seien wir offen für Neues!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
PS: Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen!
Liebe Frau Holzer Rhomberg,
sie haben die Stimmung und die Aktivitäten auf dem Kongress in Neckarsulm treffend zusammengefasst. Ich bin in der ESTA seit ca. 1974 und mich freut diese Entwicklung der letzten Jahre, die zielt auf den Austausch aller Kollegen/-innen und den Respekt untereinander. Danke nochmal für Ihre Demonstration.
Vielen Dank! Ja, ich finde das auch sehr erfreulich!