Improvisation im Unterricht
Improvisation ist natürlich ein großes Wort. Um auf einem Instrument frei improvisieren zu können, bedarf es sowohl einer ausgereiften Spieltechnik als auch eines beträchtlichen musiktheoretischen Wissens, dazu noch Stilgefühl und Fantasie. Tja, das sind ganz schön hohe Anforderungen. Aber gibt es nicht auch Möglichkeiten, auf einem sehr elementaren Niveau zu improvisieren? Kann man nicht die Improvisation sogar im Unterricht nutzen, um neue Dinge zu erlernen? In diesem Fall wäre Improvisation einfach ein spielerisches Ausprobieren neuer Spieltechniken, neuer Ausdrucksmöglichkeiten, neuer Klangfarben, ein fantasievolles „Herumspielen“ mit neuen Tönen. Dazu möchte ich heute einen Austausch anregen, indem ich ein paar Fragen in den Raum stelle.
Arbeiten Sie regelmäßig im Unterricht mit Improvisation?
Wenn ja, mit welchen Schülern? Eher mit Anfängern oder mit leicht Fortgeschrittenen, oder erst mit sehr fortgeschrittenen Schülern, die bereits ein adäquates musiktheoretisches Wissen haben?
Wie viel Zeit „gönnen“ Sie sich und Ihren Schülern zum freien Spiel? Zum improvisatorischen Ausprobieren? Nehmen Sie sich überhaupt die Zeit dafür im Unterricht? Oder fühlen Sie sich eher gedrängt, im Lehrplan bzw. mit den für Vorspiele und Wettbewerbe vorzubereitenden Stücken weiterzukommen?
Wofür setzen Sie Improvisation ein?
Setzen Sie Improvisation vor allem beim spielerischen Erlernen neuer Inhalte ein? Z. B. mit neuen rhythmischen Mustern kann man wunderbar improvisieren, auch mit neuem Tonmaterial oder neuen Spieltechniken. Kinder sind sehr fantasievoll, wenn man sie lässt. Man könnte nun natürlich einwenden, das sei kein Improvisieren, sondern eher ein Fantasieren. Ja, stimmt. Es ist auf jeden Fall ein spontanes sich Einlassen und Weiterspinnen musikalischer Ideen. Mir geht es hier weniger um die Bezeichnung dieses Tuns, sondern eher um die Spontanität und das intuitive Ausprobieren und Anwenden der neu erlernten musikalischen Bausteine.
Eine wunderbare Einsatzmöglichkeit für das Improvisieren sind die ganzen Kirchen-Tonarten. Da können lange Rondoformen geschaffen werden mit immer wieder neuen Zwischenstrophen. Jeder darf zwischen dem Refrain eine 8-taktige Strophe dazu improvisieren. So lernt man schnell die spezielle Klangqualität der einzelnen Modi kennen und schätzen.
Unterrichten Sie auch Jazz-Improvisation?
Hier wären wir im Spitzenbereich der Improvisation angekommen. Unsere Bläserkollegen sind durchwegs viel besser ausgebildet und trainiert in Improvisation als wir Streicher. Im klassischen Streicherbereich ist das noch wenig verbreitet, aber auch hier gibt es mittlerweile hervorragende Fortbildungen dazu. In der klassischen Streicherausbildung wurde das ja über lange Zeit ziemlich vernachlässigt. Ich hoffe, ich trete mit dieser Aussage jetzt niemandem auf den Schlips, aber so habe ich das erlebt. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren! Deshalb hier meine Frage: Sind Sie „firm“ in Jazz-Improvisation? Wenn ja: Wo haben Sie das gelernt? Und: Geben Sie das im Unterricht auch weiter? Sind Ihre Schüler daran interessiert? Lieben sie es?
Über all diese Fragen würde ich sehr gerne mit Ihnen in Austausch kommen. Fühlen Sie sich bitte frei, Ihre Gedanken und Erfahrungen hier in den Kommentaren zu teilen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
PS: Sehen Sie mir bitte nach, dass ich auf das Gendern manchmal verzichte. Es stört einfach den Schreibfluss. Selbstverständlich sind immer alle gemeint!
Liebe Frau Holzer-Rhomberg,
ich habe bis jetzt ab und zu mal kleine Improvisationsübungen eingebaut. Entweder mit Schülern, die wenig Motivation haben und wenig üben, oder mit Schülern, die sich für Jazz/Pop etc. interessieren und/oder E-Geige spielen wollen.
Ich habe mir z.B. auf dieser Seite Anregungen geholt: https://www.musikunterricht-lorsch.de/downloads/7-improvisieren-f%C3%BCr-kids/ (ich hoffe, es ist in Ordnung, Links zu posten).
Außerdem verwende ich gelegentlich das Heft „Jazz Club“. Allerdings habe ich manche Übungen dort bearbeitet, sodass sie z.B. in mehreren Tonarten geübt werden können. Denn die meisten meiner Schüler sind leider nicht so schnell. Die wenigsten Schüler interessieren sich für Jazz, aber so lernen sie die Grundlagen für Improvisation.
Manchmal rege ich meine Schüler auch dazu an, dass sie versuchen, bei Fehlern irgendwie weiterzuimprovisieren und das Beste aus der Situation zu machen. Dadurch verlieren sie eventuell ein wenig die Angst vor Fehlern.
Ich finde es übrigens sehr angenehm, dass Sie nicht ständig gendern.
Liebe Grüße
Liebe Frau Müller,
vielen Dank für Ihren informativen Beitrag sowie das vorgeschlagene Heft und den Link! Vielleicht zieht dadurch das Thema Improvisation etwas mehr in die Unterrichtszimmer ein! Für Jazz-Improvisation braucht man schon eine gewisse spieltechnische und musiktheoretische Grundlage. Das eignet sich gut, wenn die Schüler schon ein bestimmtes Niveau erreicht haben. Ihren Ansatz, bei „Fehlern“ einfach weiter zu improvisieren, finde ich wunderbar!
Liebe Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg
Hallo Andrea, danke für dir Anregung! Ich denke wirklich, dass im Thema der Improvisation im Unterricht ein Schatz verborgen liegt. Und tatsächlich fühle ich mich angesprochen unter denjenigen, die nicht für diesen Bereich ausgebildet sind. Auf ganz elementarer Stufe habe ich es immer wieder mal ausprobiert. Dabei hat mir ein kleines Lied aus Musik und Tanz geholfen. Es ist ein Tutti-Solo Lied:
„Jeder spielt so gut er kann, hör mal was ich spielen kann“ (so so mi mi so so mi, so so mi mi re re do. ). das Lied geht auch als Quintenlied. Die Improvisation im Solo begrenze ich dann auf 1 oder 2 Töne. Ich habe es auch schon mit Klatschen gemacht. Die Dauer der Improvisation soll theoretisch so lang sein wie das Lied, was man durch Schritte der Gruppe im Kreis fühlbar machen können soll. Ich bin allerdings nicht hinausgekommen über das Stadium, dass ich froh war, wenn jedes Kind sich getraut hat „irgendwas alleine“ zu machen. Bianca Wüstehube hatte dieses Lied in einer Fortbildung vorgestellt, und ihre Schüler konnten super improvisieren. Ein weiter Weg, auf dem man sicherlich durch regelmäßige Übung vorankommt, wie bei allem. Natürlich ist die kurze Unterrichtszeit ein Hindernis für solche zusätzlichen Inhalte, die aber eigentlich die Basis sein sollten, weil sie zu einer Grundmusikalisierung beitragen.
nochmals danke für die Anregung! ich werde versuchen, mein Lied regelmäßiger anzuwenden… und mal nach einer Fortbildung Ausschau halten.
LG Regine Bubeck
Liebe Regine,
das klingt doch gut! Das ist ein sehr ganzheitlicher Weg, den du hier beschreitest! Das ist doch ein wunderbarer Einstieg ins Improvisieren! Ich denke, dass es wirklich regelmäßige Übung braucht, bis es für die Kinder „zur normalsten Sache der Welt“ wird, dass man improvisiert. Je mehr man das tut, desto kreativer und phantasievoller werden die Ergebnisse ausfallen. Ja, das braucht Zeit, aber die Frage ist immer: Was ist das Ziel? Wo will ich hin? Ich denke, wenn man die Zeit investiert, regelmäßig zu improvisieren mit den Rhythmen, dem Notenmaterial und den musikalischen Formen, also mit den musikalischen Themen, die man gerade erlernt, versteht man diese auch schneller. Das wirkt sich über kurz oder lang auch auf die Lerngeschwindigkeit aus, da man eben die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes „begriffen“ hat! Ich glaube, die Zeit für’s Improvisieren holt man tatsächlich durch diese erfolgte Grundmusikalisierung wieder herein! Ich denke, es lohnt sich auf jeden Fall!
Liebe Grüße,
Andrea
Liebe Frau Holzer-Rohmberg, Ihren tollen Blog verfolge ich schon eine Weile und finde ihn immer sehr anregend…!!
Da ich mich selbst schon lange mit Improvisation sowohl in der Musik als auch in der Bewegung beschäftige ( Ausdruckstanz/ Orff/
Edwin Gordon/Jazz und Blues für Streicher), möchte ich heute etwas zum Thema beitragen.
Mit den AnfängerInnen beginne ich meistens mit rhythmischen Varianten auf leeren Saiten.
Später verwende ich gern das Lied „Full Moon“ aus Waggon Wheels da man dabei zur Klavierbegleitung mit dem Grundton oder dem e-moll Dreiklang immer richtig liegt und es daher für die meisten SchülerInnen ein Erfolgserlebnis ist. Natürlich sprudeln die Einfälle nicht bei allen auf Anhieb.
Dann zeige ich ihnen was man machen könnte und spiele auch mal eine Version mit absichtlich eingebauten „falschen Tönen“ ( Zitat von Miles Davis: wenn Du einen falschen Ton erwischt spiele einfach weiter-der daneben liegende Ton wird wieder passen).
Jugendlichen, die Interesse an Popmusik haben zeige ich die Bluestonleiter und das dazugehörige Begleitschema und wie man swingende Achtelketten spielt. Gerade letzte Woche geschah es dann zu meiner Überraschung, dass eine sonst eher zurückhaltende Schülerin bei der Blues-Improvisation mehrere Runden lang mit immer neuen Einfällen kaum zu stoppen war….Meine eigenen Erfahrungen im Jazz sind bei der Vermittlung natürlich sehr hilfreich. Eine Schwierigkeit besteht darin die aus der klassischen Musik gewohnte Notation in die Jazzsprache zu übersetzen. Die Achtel werden ja anders betont und gewichtet. Ich spreche immer von der „Himmel-blau“ Sprache, da das erste Achtel länger ist ( Him-mel) das darauf folgende zweite Achtel kurz gespielt wird ( „blau“).
Als ich im Jahr 2002 begann mich mit dem Jazzgeigenspiel zu beschäftigen, gab es wenig Unterrichtsmaterial.
Hier eine kleine Auswahl: 1) IMP: What jazz´n blues can I play ( violin grades one,two & three )
2) Hanno Gräßer Jazz Violin 3)Fred Lipsius „Key Jazz Rhythms“= eher etwas für Fortgeschrittene
Neuere Hefte: 4)Groovy strings von String Thing ( Rhythmus & Groove im Streicherunterricht) Breitkopf & Härtel
5) Helmut Eisel durch Klezmermusik zur Improvisation ( verwendet Blues und Klezmertonleitern mit vorgegebenen Frage/ Antwort-Tonfolgen
Bei den Mitgliedern von „String Thing“ kann man Fortbildungen besuchen.
Ich hoffe, meine Tipps sind für Einige hilfreich
Viele liebe Grüße aus Berlin
Béatrice Graw
Liebe Frau Graw,
vielen Dank für das Teilen Ihrer langjährigen Erfahrung beim Improvisieren mit Schülern! Das ist so inspirierend! Vielen Dank auch für Ihre Tipps zum Unterrichtsmaterial! Es hilft einem im Unterricht doch sehr weiter, wenn man einen Leitfaden hat, an den man sich halten kann! Ich selber habe – bis auf ein paar Workshops, die ich besucht habe (unter anderem auch bei „String Thing“) – relativ wenig Erfahrung mit Jazz-Improvisation. Es braucht auch für den Lehrenden einiges an Zeit und Übung, bis man ins Improvisieren „hineinwächst“ und es auch vermitteln kann. Wenn man dann noch Zugang zu gutem Unterrichtsmaterial hat, ist das schon sehr wertvoll! Gerade das Unterrichtsmaterial aus „Groovy Strings“ kommt bei Jugendlichen wirklich gut an! Danke für all Ihre tollen Tipps!
Herzliche Grüße nach Berlin,
Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Rhomberg!
Beziehe mich nicht auf das letzte Thema, habe eine Anfrage!
Es naht ja wieder der Wettbewerb prima la Musica, und wie immer ist es schwierig ein gutes Programm zusammen zu stellen.
Es geht um die Gruppe B, und ich würde gerne ein kurzes modernes Stück spielen lassen, Letztes Mal haben wir aus dem Fiedel Max Auftritt 4 —-Auf den Straßen von Buenos Aires gespielt, was uns sehr gefiel.
Heuer werden wir wahrscheinlich Beriot Konzert spielen, und Czardas von Monti————-, und da bleibt nur wenig Zeit ( bei 8 bis 10Minuten) Spielzeit.
Auch der 2. Satz aus dem Haydn Konzert wäre möglich, halt Klassik statt modern, aber da müsste ich eines der Lieblingsstücke des Kindes streichen.
Entschuldige , dass ich Sie damit behellige, aber guter Rat wäre kostbar.
Ich danke sehr, und würde mich über eine private Antwort auf meine Mail Adresse sehr freuen, Herzlichen Dank