Musiktheorie im Instrumentalunterricht?
Das Wort Musiktheorie löst bei vielen Instrumentallehrern und -schülern nicht unbedingt Begeisterungsstürme aus. Viele Instrumentallehrer haben in ihrer Ausbildungszeit möglicherweise selber einen Musiktheorie-Unterricht erlebt, der ziemlich abgekoppelt war von ihrem instrumentalen Lernen. Allein schon das Wort „Theorie“ klang nach trockener Materie, die von lebendigem Musizieren auf den ersten Blick weit entfernt zu sein schien. Auch ich kann mich erinnern, dass ich als siebenjähriges Kind – beim Versuch meines ersten Instrumentallehrers, mir den Quintenzirkel zu erklären – nur „Bahnhof“ verstand. Ich hatte keine Ahnung, wozu das überhaupt gut sein sollte. Erst viel später erkannte ich, wie viel reicher mein musikalisches Erleben wurde, je mehr ich verstehen konnte, was ich da hörte oder spielte.
Musiktheorie – nichts als „graue Theorie“?
„Der Punkt hinter der Note verlängert diese um die Hälfte ihres Wertes.“ So steht es in vielen Büchern. Nach so einer Erklärung weiß ein Kind zwar, dass eine Note mit einem Punkt rechts daneben „punktierte Note“ heißt. Es kann sie sogar auf ein Notenblatt schreiben. Aber – ist es auch imstande, nach dieser Erklärung einen punktierten Rhythmus zu spielen?
Aufgeschriebene Noten sind nichts anderes als Klangphänomene, die in einer optischen Form zu Papier gebracht wurden. Und genau dort, bei den Klangphänomenen, müssen wir ansetzen.
Klangphänomene erfahren, erkennen, benennen
Im Anfänger-Instrumentalunterricht wird heutzutage oft – vor allem mit sehr jungen Kindern – vorerst ohne gedruckte Noten gespielt. Die Kinder können sich so erst einmal auf die Spielbewegungen und die daraus resultierenden Klänge konzentrieren. Rhythmen und Melodiefolgen können durch sprech- bzw. singbare Silben (Rhythmussprache, Solmisation) bekannt, benannt und vertraut gemacht werden. Nun kann auf sehr vielfältige Weise mit den bereits vertrauten Klängen – seien es rhythmische Muster oder Intervalle – auf dem Instrument gespielt und „improvisiert“ werden: z. B. Echo-Spiele oder Frage- und Antwortspiele, Rhythmen legen mit Rhythmuskarten und diese dann abspielen, gespielte Rhythmen auf den Karten wiedererkennen, Melodien von Handzeichen abspielen, kleine Musikstücke selber erfinden, usw.
Umsetzung in die „optische Erscheinungsform“
Nach dieser vielfältigen Erkundung und intensiven Beschäftigung mit den klanglichen Phänomenen – erleben, wiedererkennen, benennen, selber bewusst einsetzen – ist die Verschriftlichung der „krönende Abschluss“ dieses Lernprozesses. Das Vertraute wird durch das Aufschreiben nicht nur im Gehirn stärker vernetzt, sondern auch jederzeit abrufbar. Die Kinder sind nun in der Lage, bereits verinnerlichte Klangphänomene, aber auch ihre eigenen musikalischen Einfälle aufzuschreiben. Was bringt das doch für eine Freiheit für musikalisches Lernen und Raum für Kreativität in den Instrumentalunterricht! Diese Art der Annäherung lässt Musiktheorie zu etwas äußerst Lebendigem und meiner Meinung nach zu einer großen Bereicherung des Instrumentalunterrichts werden!
Was haben Sie für Erfahrungen mit Musiktheorie? Wie haben Sie Musiktheorie in Ihrer eigenen Ausbildung erlebt? War es ein „notwendiges Übel“? Oder haben Sie es geliebt? Wie gehen Sie heute in Ihrem Unterricht damit um? Über einen Kommentar zu diesem Thema würde ich mich sehr freuen,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Holzer – Rhomberg!
Vielen Dank für diesen schönen Blog und die Mühe ihn so inhaltsreich zu füllen!!!
Ich hab fürchterlich grauen, abschreckenden Theorieunterricht und noch schrecklichere Lehrer in diesem Fach erlebt. Erst als ich nach dem Studium (!) einen TaKeTiNa-Kurs belegt hatte, in dem ich auch mal Fehler zulassen durfte und den Rhythmus als etwas drei- oder meinethalben sogar vierdimensionales Phänomen erfuhr, begriff ich, das dieser zum Leben gehört 🙂 und siehe da, ich konnte es genießen!
Kein Theorieunterricht gab mir dieses mit auf den Weg, dass die Theorie etwas ist, was sich aus dem Verschriftlichen musikalischer Phänomene herleitet. Leider ist das noch immer nicht normal den Kindern es auf diese Weise beizubringen: O -Ton eines heute(!) amtierenden Theorielehrers, als ich gefragt hatte, ob es eine instrumentengerechtere „Aufbereitung“ des theoretischen Stoffes geben könnte, z. B. in reinen Geiger- oder Cellistenstunden o. a…“Nein,das wird es nicht geben,Theorie ist Theorie und nun mal trocken, da müssen Sie sich dran gewöhnen“ ;))
Ich lehre mit Solmisation, Rhythmussprache und singe viel Notennamen im Unterricht. Die größte Freude ist es mir, die leuchtenden Augen zu sehen, wenn ich den Kindern vorspiele, was sie als kleine Notenschnipsel komponiert haben und sie es selber auch spielen möchten. Wenn wir zu Orchester – oder Musikfreizeiten fahren kommen immer „Komponierstunden“ ins Programm, einfach weil es Spaß macht 🙂 Ich bin froh, dass meine Schüler den an der „grauen“/eigentlich bunten Theorie haben,…
Ebenso eine schöne Woche und Grüße aus Weimar
Dorothea – Friederike Gruppe
Liebe Frau Gruppe,
ich denke, viele heutige Instrumentalpädagogen haben in Bezug auf Musiktheorie ähnliches wie Sie erlebt. Umso mehr freut es mich, wenn Sie jetzt Ihren Schülern die Musiktheorie lebendig und praktisch anwendbar im Instrumentalunterricht nahebringen. Auch ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese „erlebbare“ Art des Musiktheorie-Unterrichts den Kindern viele Aha-Erlebnisse beschert und viel Freude bereitet!
Liebe Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg