Online-Unterricht: Was funktioniert gut, was nicht?
Wird Online-Unterricht die Zukunft des Instrumental-Unterrichts sein? Oder: Ist Online-Unterricht nur ein „billiger“ Ersatz für den Face-to-Face-Unterricht?
Ist Online-Unterricht überhaupt etwas wert? Oder: Warum erstatten manche Musikschulen den Schüler-Eltern fast die Hälfte der Unterrichtsgebühren zurück, obwohl regelmäßiger Online-Unterricht stattgefunden hat, und die Lehrpersonen nachweislich mehr Arbeit investieren mussten, um diesen Unterricht bestmöglich für ihre Schüler umzusetzen, und obwohl die Schüler nachweislich Fortschritte machten?
Sieben Wochen Online-Unterricht liegen bereits hinter mir. Nach dem intensiven Ausprobieren verschiedener technischer Tools, dem Abwägen der Auswahl der Tools aus datenschutzrechtlicher Sicht, der Anpassung der Unterrichts-Methodik für die Video-Lektionen möchte ich heute einmal festhalten, was bei dieser Art von Unterricht gut funktioniert, und was nicht.
Was funktioniert gut?
1. Geige stimmen
Als erstes möchte ich erwähnen, dass in dieser Zeit auch die jüngsten meiner Schüler gelernt haben, ihr Instrument mit meiner Anleitung selber zu stimmen. Ich spreche hier vom Stimmen mit den Feinstimmern. Wenn es notwendig war, mit den Wirbeln zu stimmen, habe ich bei den sehr jungen Schülern dann doch die Eltern um Mithilfe gebeten.
Man ist als oft Lehrer versucht, das Stimmen der Kinderinstrumente selber zu übernehmen, da es viel schneller erledigt ist, als wenn das Kind selber stimmt. Es ist aber wie beim Aufräumen zu Hause: Wenn eine Mutter immer hinter ihrem Kind herräumt, weil das schneller geht, lernt das Kind nie, wie man selber aufräumt! Ich werde jedenfalls auch nach dem Wiedereröffnen der Musikschule beibehalten, dass alle meine Schüler ihr Instrument selber stimmen.
2. Neue Stücke lernen
Das Erlernen eines neuen Musikstückes funktioniert über den Online-Unterricht auch sehr gut. Man kann phrasenweise – durch Vor- und Nachspielen – sehr gut mit den Kindern neue Inhalte erarbeiten. Durch die Schließung der Schulen hatten die Schüler auch offensichtlich mehr Zeit zum Üben. Ich war überrascht, wie viel neue Literatur wir in dieser Zeit erarbeitet haben!
3. An Intonation und Artikulation arbeiten
Ebenso positiv überrascht hat mich, dass man trotz der manchmal nicht optimalen Klangqualität sehr wohl sehr genau an der Intonation und auch an der Artikulation arbeiten kann. Auch wenn der Klang nicht wirklich gut ist, kann man trotzdem hören, ob Obertöne mitschwingen oder nicht.
4. Blattspiel und Rhythmustraining
Gerade bei jungen Schülern, die sich noch nicht wirklich lange auf eine Sache konzentrieren können, wechsle ich im Unterricht öfters das „Programm“. Zwischen den Phasen des Spiels von Musikstücken gibt es Notenleseübungen, Rhythmus-Klopf-und-Sprech-Übungen sowie Gehör- und Blattspielübungen, die man sehr spielerisch gestalten kann. Auch diese Dinge ließen sich mittels Screensharing sehr gut im Online-Unterricht umsetzen. Ein kleines Beispiel: Auf dem Bildschirm ist eine fünfzeilige Rhythmuskomposition zu sehen. Der Lehrer spielt eine der fünf Zeilen, der Schüler muss erkennen, welche Zeile das war. Dann umgekehrt: Der Schüler spielt und der Lehrer muss erkennen, welche Zeile das war.
Ein anderes Beispiel: Der Lehrer „versteckt“ seine linke Hand (hinter dem Rand des Bildschirms) und spielt eine Folge von ein paar Tönen. Der Schüler spielt die Töne nach dem Gehör nach. Dann umgekehrt. Die Kinder lieben diese „Spiele“! Und: Diese „Spiele“ verlangen einen sehr hohen Grad an Aufmerksamkeit bei den Kindern, sie sind voll bei der Sache! Das macht auch einen Online-Unterricht sehr lebendig!
Was funktioniert nicht gut?
1. Arbeit an der Klangqualität
Um effektiv an der Qualität eines Streichinstrumenten-Klanges arbeiten zu können, müssten die Audio-Voraussetzungen eines Online-Unterrichts stark verbessert werden. Sicher kann man die Audio-Einstellungen optimieren, indem man ein externes Mikrofon anschließt. Wenn der Lehrer das macht, hört wenigstens der Schüler eine halbwegs annehmbare Klangqualität. Ebenso müsste aber auch der Schüler ein externes Mikrofon anschließen, sodass der Lehrer nicht nur „Gekrächze“ hört. Zudem brauchen beide Seiten eine leistungsfähige Internetverbindung, sonst nützt auch das beste Mikrofon nichts. Hier sehe ich noch viel Luft nach oben! Das Klangerlebnis ist doch etwas ganz essentielles im Instrumentalunterricht!
2. Gemeinsam spielen
Durch die Verzögerungen bei der Übertragung ist es leider unmöglich, gemeinsam zu musizieren. Im Face-to-Face-Unterricht begleite ich immer die Schüler am Klavier, oder wir spielen Duette auf der Geige. Gerade dieses gemeinsame Musizieren macht einen großen Teil der schönen und so wertvollen Momente des Instrumental-Unterrichts aus. Auch das gemeinsame Klangerlebnis im Raum lässt sich wahrscheinlich digital auch in nächster Zukunft nicht so leicht umsetzen.
3. Auftritte
Ja, man kann auch online einen kleinen Auftritt gestalten und mehrere Personen zum Zuhören in den Videochat einladen. Das ist sicher besser als gar kein Auftritt. Die meisten Schüler müssen dann aber ohne Begleitung spielen, da sie ja wahrscheinlich nicht gerade einen Klavierbegleiter oder sonstigen Instrumentalisten zur Begleitung zu Hause haben. Auch für die Zuhörer ist es etwas anderes, ob sie gemeinsam mit anderen im Konzertsaal sitzen, oder zu Hause vor dem Laptop …
Fazit
Viele Aspekte des Instrumental-Unterrichts lassen sich digital ganz gut umsetzen. Der Videochat ermöglicht zudem in vielen Fällen eine schnelle „Problemlösung“ zwischendurch, sodass der Schüler nicht bis zur nächsten Unterrichtsstunde warten muss, wenn er eine Frage hat. Man kann tatsächlich einen sehr hochqualifizierten Online-Unterricht durchführen, der die Schüler wirklich ein gutes Stück auf ihrem Instrument weiterbringt. Allerdings gibt es auch einige ganz wesentliche Aspekte eines Instrumental-Unterrichts, die man online nicht befriedigend abdecken kann. Zumindest nicht bis heute.
Ideal wäre es meiner Ansicht nach, wenn man in Zukunft die guten Seiten beider Unterrichtsarten – Online und Face-to-Face – miteinander verbinden und so das Beste für die Schüler daraus machen könnte. Ich denke, wir müssen keine Bedenken haben, dass wir als „Live“-Instrumental-Lehrer nicht mehr gebraucht werden. Das Zwischenmenschliche eines Face-to-Face-Unterrichts ist definitiv nicht zu ersetzen. Wir dürfen aber auch gespannt sein, was für gute zusätzliche Möglichkeiten für unsere Arbeit die Zukunft uns bringen wird!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Holzer Rhomberg,
ich gebe Ihnen in allen Punkten recht. Meine vielen Geigenschüler sind sehr froh über den Input, gerade das genaue Intonieren ist in der online Zeit bei vielen mehr in den Vordergrund gerückt. Das Zusammenspielen mit mir als Lehrer und v.a. auch mit anderen sowie das Orchesterspiel sind große Einbußen. Bei einigen Kindern bemerke ich, dass sie nach den vielen Wochen, in denen sie tw deutlich mehr als zuvor geübt haben, Motivationsengpässe.
Die Qualität des Internets ist während des Unterrichts nicht beeinflussbar von beiden Seiten und führt, bei häufigen Abbrüchen oder freezing zu Frustration.
Trotzdem freuen sie sich auf das nächste Mal. Mögen wir bald wieder in Gruppen zusammen musizieren können!
Mit herzlichen Grüßen
Ja, da haben Sie recht! Ich denke, wir freuen uns alle wieder auf das gemeinsame Musizieren!
Liebe Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg