Qualitätskontrolle: Ist mein Unterricht gut?
Tagein und tagaus unterrichten – da könnte man schon in einen bestimmten Trott kommen und eine Art „betriebsblind“ werden. Deshalb ist es gut, wenn man in regelmäßigen Zeitabständen einmal inne hält und seine eigenen Unterrichts-Gewohnheiten genauer unter die Lupe nimmt. Qualitätskontrolle ist mittlerweile in jedem Bereich unseres Lebens präsent, warum also nicht auch im Instrumental-Unterricht? Woran aber kann ich erkennen, ob mein Unterricht „gut“ ist?
Wach und flexibel bleiben
Egal, ob Sie an einer Schule unterrichten oder privat, es gibt ein paar allgemeingültige Kriterien, nach denen wir unseren Unterricht ausrichten sollten. Es macht nämlich keinen Sinn, wenn ich zwar die liebenswürdigste Lehrperson bin, aber gleichzeitig den Kindern Spieltechniken vermittle bzw. zulasse, die nicht weiterentwicklungsfähig sind. Ebenfalls sind Schwierigkeiten vorprogrammiert, wenn ich zwar hervorragend im Vermitteln der Spieltechnik bin, aber durch ein „feldwebelhaftes“ Verhalten im Unterricht immer Angst und Schrecken verbreite. Diese beiden Extreme kommen sicher so in Reinkultur nicht vor. Trotzdem möchte ich Sie heute zu einer „Bestandsaufnahme“ Ihrer Unterrichts-Gewohnheiten einladen. Selbstreflexion hält wach und flexibel. Dies sind für mich schon zwei ganz wichtige Voraussetzungen für einen guten Unterricht: Wach und flexibel sein. Hier möchte ich Ihnen nun eine kleine Auswahl an Fragen zur Qualitätskontrolle vorstellen, von denen ich selber mich immer wieder inspirieren und anspornen lasse, meinen Unterricht zu verbessern.
Fragen zur fachlichen Qualitätskontrolle:
Haltung und Spielbewegungen:
- Spielen meine Schüler mit gut ausbalancierter Spielhaltung und mit effizienten Spielbewegungen?
- Konnten bzw. können sie durch meine Anregungen ihre Körperwahrnehmung diesbezüglich weiterentwickeln?
- Konnte bzw. kann ich ihnen eine klare Zielvorstellung von Haltung und Spielbewegungen vermitteln?
Klangqualität:
- Spielen meine Schüler mit schönem, vollem Klang?
- „Wissen“ meine Schüler, wie man einen klaren Ton erzeugt? Kennen sie die Parameter Kontaktstelle, Bogengeschwindigkeit und Armgewicht? Können sie die Strichrichtung kontrollieren?
- Können meine Schüler den Klang variieren? (Laut – leise; unterschiedliche Klangfarben, Vibrato, …)
Spieltechnische Genauigkeit:
- Ist die Intonation korrekt? Konnten bzw. können meine Schüler in meinem Unterricht eine klare Tonhöhenvorstellung entwickeln? Kennen sie Anhaltspunkte zur selbständigen Intonationskontrolle?
- Spüren meine Schüler den Puls, das Metrum eines Musikstückes? Können sie das Tempo eines Stückes halten (außer natürlich bei ritardando, accelerando und dgl.) ?
- Können meine Schüler den Rhythmus von der Notation ins Spiel umsetzen? Können sie etwas vom Blatt spielen?
- Lernen meine Schüler bei mir im Unterricht, sich selbst zu beobachten und wahrzunehmen, was an ihrem Spiel gut und was noch verbesserungswürdig ist?
Musikalische Gestaltung:
- Können meine Schüler ein Musikstück ausdrucksvoll gestalten durch wechselnde Dynamik, durch Phrasierung und Artikulation, durch verschiedene Klangfarben? „Wissen“ meine Schüler, wie man das spieltechnisch macht?
- Können meine Schüler verschiedene Stilrichtungen unterscheiden? Biete ich ihnen Literatur aus unterschiedlichen Stilrichtungen an, um ihnen die verschiedenen Stilmerkmale und deren spieltechnische Umsetzung nahe zu bringen?
Fragen zu den „Soft-Skills“:
- Konnte bzw. kann ich eine vertrauensvolle Beziehung zum Kind und auch zu dessen Eltern herstellen? Kommt das Kind gerne zu mir zum Unterricht?
- Kann ich die Unterrichtseinheiten durch geschicktes Kombinieren von Lerninhalten aus den Bereichen Spieltechnik, Hörerziehung und Musiktheorie so gestalten, dass das Kind fokussiert bleibt?
- Kann ich durch eine bildhafte Sprache dem Kind Sachverhalte leicht verständlich machen?
- Wähle ich adäquate Literatur für jedes Kind aus, sodass es garantiert zu einem Erfolgserlebnis kommt?
- Gelingt es mir auch bei sehr langsam lernenden Kindern, an deren Erfolg zu glauben? Das Mindset des Lehrers ist unglaublich wichtig, Kinder haben da ganz feine Sensoren!
- Können die Kinder in meinem Unterricht ein gesundes Selbstvertrauen entwickeln?
Dies ist zwar nur eine kleine Auswahl an Fragen zur Qualitätskontrolle meines Unterrichts. Sie helfen mir aber, den Überblick zu behalten. In einer relativ kurz bemessenen Unterrichtszeit von 25 oder 35 Minuten pro Woche allen Unterrichtsinhalten gleichermaßen gerecht zu werden, ist eine ganz schöne Herausforderung. Man sollte ja schließlich keinen Themenbereich vernachlässigen. Fragen dieser Art helfen mir immer wieder, das Wesentliche im Fokus zu behalten und gleichzeitig meinen Unterricht klarer, verständlicher und auch spannender für die Kinder zu gestalten.
Selbstverständlich gibt es noch hunderte andere Fragen zum Thema Qualitätskontrolle im Instrumental-Unterricht. Ihnen fällt sicher eine ganze Menge dazu ein. Bitte fühlen Sie sich frei, Ihre Ideen und Fragen zu diesem Thema im Kommentar mit den anderen Lesern zu teilen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Holzer-Rhomberg,
eine tolle Idee, die Fragen zur Unterrichtsqualität so zusammenzufassen. Ich habe sie mir gleich ausgedruckt, um sie immer wieder zu überprüfen.
Herzliche Grüße
Gudrun Huber
Das freut mich sehr!
Liebe Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Andrea,
auch ich finde die Idee toll und habe mir für mich selbst eine Skala von 1-10 kreiert, nach der ich meine eignen Schwächen und Stärken aufgeführt habe.
Da bei Dir ja alles zumeist alles weit und ausführlich gedacht ist, habe ich zu diesem Beitrag frü mich selbst noch folgende Fragen gefunden:
1.) Verbinden sich die Kinder mit dem Stück? Mit dem Ernst oder auch der Freude, dem Charakter und der Stimmung eines werkes, Stückes..?
2.) Ist auch ihr Denken und der „Geist“ genügend angesprochen und gefordert?
Liebe Grüße aus Karlsruhe und hoffentlich auf bald
Michael
Lieber Michael,
vielen Dank für diese wichtigen Fragen! Besoders bei etwas älteren Anfängern finde ich es oft sehr herausfordernd, Musikstücke zu finden, die für sie spieltechnisch bewältigbar sind und gleichzeitig aber auch ihren Intellekt und ihre Emotionen ansprechen. Denn das ist ja das Schöne am Musizieren: Dass sich der Mensch mit „Körper, Geist und Seele“ ins musikalische Geschehen einbringt.
Liebe Grüße nach Karlsruhe,
Andrea