Spieltechnische Herausforderungen – was nun?
Immer wieder stoßen unsere Schüler beim Üben ihrer Stücke auf spieltechnische Herausforderungen. Eine bestimmte Passage will einfach nicht gelingen; an einer bestimmten Stelle ist der Klang unbefriedigend; an einer anderen Stelle hüpft der Bogen ungewollt; ein großer Sprung in der Tonabfolge geht „daneben“; das Vibrato klingt unregelmäßig; der Akkord „kratzt“. So ließen noch viele spieltechnische Schwierigkeiten unserer Schüler aufzählen, mit denen wir als Lehrer täglich konfrontiert sind. Es ist ja klar: Wenn jemand etwas Neues lernt und sich weiterentwickelt, kommt er immer wieder an eine Grenze, die es zu überwinden gilt. Die Frage ist: Wie gehe ich als Lehrer mit diesen „Herausforderungen“ meiner Schüler um? Wie kann ich ihnen helfen, diese Grenzen erfolgreich zu überwinden?
Diagnostischer Blick
Als erstes ist in so einem Fall unser „diagnostischer Blick“ gefragt. Wir müssen herausfinden, wo genau das Problem liegt: Ist es mangelnde Tonhöhenvorstellung? Kann sich das Kind nicht vorstellen, wie der Ton nach dem Lagenwechsel klingen soll? Oder kennt sich der Schüler auf dem Griffbrett noch zu wenig aus? Kann er die Lagen noch nicht wirklich lokalisieren? Oder ist ihm die Abfolge von Halbton- und Ganztonschritten der besagten Stelle nicht bewusst? Ist eventuell der linke Arm beim Lagenwechsel zu angespannt? Oder die Hand? Ist der Fingerdruck zu groß? Hat der Schüler eine ungünstige Hand- oder Fingerstellung?
Liegt es am Bogenwechsel? Oder am Saitenwechsel? Weiß der Schüler bei einer schnellen Passage genau, welche Töne auf welcher Saite zu streichen sind? Kann er mit dem rechten Arm die Streicheben gut einstellen? Ist das Handgelenk geschmeidig genug, um kleinste Streich- und Saitenwechselbewegungen auszuführen? Oder liegt es an der Koordination von Greifen und Streichen?
Problem isolieren
Wenn wir erkannt haben, was Schwierigkeiten bereitet, ist es am besten, das Problem zu isolieren. Nun ist unsere Kreativität als Lehrer gefragt. Am besten wäre es, wenn wir eine kleine Übung für genau dieses Problem an dieser Stelle für genau diesen Schüler kreieren könnten. Selbstverständlich gibt es Unmengen von Büchern mit Unmengen von Übungen für jedes erdenkliche spieltechnische Problem, die Sie und ich wahrscheinlich alle kennen, von denen wir alle sehr viel gelernt haben, und die wir alle sehr schätzen. Und genau dieses Wissen befähigt uns, für unseren Schüler und seine „Herausforderung“ einen ganz individuellen Lösungsweg zu finden, der genau auf seine Person und sein momentanes Bedürfnis zugeschnitten ist. So kann er ganz gezielt und in kurzer Zeit seine Spieltechnik in diesem Bereich verbessern.
Stelle wieder ins Stück „einbauen“
Nun geht es darum, das neu erworbene Können in die besagte Passage des Musikstückes wieder einzubauen. Auch dies soll am besten in kleinen Schritten erfolgen. Zuerst langsam die Stelle mehrmals wiederholen, bis alle Abläufe gut funktionieren und der Schüler mit dem Klang, der Intonation und dem Ausdruck zufrieden ist. Dann zwei Takte davor einsteigen und bis zwei Takte danach spielen. Diese erweiterte Passage nun mehrmals wiederholen, bis sie schön klingt und wie „selbstverständlich“ abläuft. Im nächsten Schritt kann man schon einen größeren Abschnitt wählen, und so weiter, bis der Schüler das ganze Stück klangschön aund ausdrucksvoll musizieren kann und sich dabei wohl fühlt.
Auf diese Art können Sie jede spieltechnische Herausforderung Ihrer Schüler in ein Erfolgserlebnis verwandeln. Behandeln Sie möglichst immer nur eine Schwierigkeit nach der anderen, nie alle auf einmal!
Was tun bei „zu vielen“ Herausforderungen?
Wenn Sie als Lehrer den Eindruck haben, es gibt zu viele „Baustellen“ auf einmal, dann sollten Sie eventuell die Stückauswahl noch einmal überdenken. Dann könnte es sein, dass Sie vom Schwierigkeitsgrad her bei diesem Schüler zu diesem Zeitpunkt einfach zu hoch gegriffen haben und ihn mit diesem Stück im Moment überfordern. Es ist keine Schande, wenn man zwischendurch ein anderes Stück spielt, und das „schwierigere“ etwas später, wenn die Spieltechnik etwas ausgereifter ist, wieder auf das Programm setzt.
Best Practice?
Was tun, um große spieltechnische Hürden und eventuell daraus resultierende Frustrationen zu vermeiden? Es empfiehlt sich, alle Spieltechniken am Instrument möglichst früh anzulegen und dann – in kleinen Häppchen – immer mehr verfeinern und weiterentwickeln. Kleine Häppchen – damit meine ich kurze (höchstens zwei Minuten lange) aber ganz gezielte Übungen, die in jeder Lektion (und natürlich dann auch zu Hause) geübt werden. So kennen sich die Schüler beispielsweise auf dem Griffbrett schon bis zur 7. Lage hinauf aus, bevor sie ein Stück spielen, das bis zur 7. Lage hoch geht.
Machen Sie sich doch eine Liste mit „skills“, die Sie regelmäßig aber kurz in jeder Lektion mit Ihren Schülern üben möchten. Sie werden sehen, wie positiv sich das auf die Spieltechnik Ihrer Schüler auswirkt!
Wie gehen Sie mit spieltechnischen Herausforderungen um? Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
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