Von der Lust am Lernen
Wann haben Sie das letzte Mal so richtig Lust am Lernen gehabt? Haben Sie vielleicht etwas Neues ausprobiert, eine neue Sprache, eine neue Sportart, oder ein neues Musikstück auf Ihrem Instrument? Wie fühlte sich das an? Ist es nicht immer wieder faszinierend, Neues zu lernen? Ist es nicht unglaublich befriedigend, seine Kompetenzen immer mehr zu erweitern?
Leider sieht das oft im Alltag unserer Schüler ganz anders aus: Sie empfinden keine Freude am Lernen, finden es nur anstrengend und fühlen sich fremdbestimmt. In den meisten Unterrichtsfächern werden sie mit Unmengen von „Stoff“ eingedeckt, der dann abgeprüft wird. Oft bleibt nach der Prüfung vom Gelernten nichts hängen.
Lernen als etwas Spannendes erleben
Wie können wir als Instrumentallehrer dafür sorgen, dass Lernen für unsere Schüler zu einer interessanten, freudvollen Beschäftigung wird?
Kinder sind von Natur aus neugierig. Sie wollen die Welt um sich herum erkunden. Sie wollen Dingen auf den Grund gehen. Wenn wir unseren Schülern immer alles auf dem „Silbertablett“ servieren, geben wir ihnen keine Chance, ihre „Neugier“ zu befriedigen. Kinder wollen selber ausprobieren und ihre Lösungen finden. Es ist doch sehr spannend, selber herauszufinden, was beispielsweise die Kontaktstelle mit der Klangqualität und der Dynamik zu tun hat!
Anstrengungsbereitschaft
Selbstverständlich gibt es auch Dinge, die einfach vorgegeben sind. Ein A ist ein A, und das Notensystem hat fünf Linien. Außerdem bedarf es bei den instrumentenspezifischen Bewegungsabläufen einer gewissen Anzahl an Wiederholungen, um sie so ausführen zu können, dass ein befriedigender Klang zustande kommt. Dazu ist schon eine gewisse Anstrengungsbereitschaft notwendig. Wenn das Kind aber nach konzentriertem Üben das Ziel erreicht hat, ist die Freude groß.
Ich erlebe immer wieder, dass das Erfolgserlebnis umso größer ist, je größer die Anstrengung davor war. Wir dürfen also unsere Schüler sehr wohl fordern. Unterforderte Kinder langweilen sich schnell und schalten innerlich ab. Es ist die große Kunst eines Lehrers, junge Menschen im Lernprozess so zu führen, dass sie niemals unterfordert, aber auch nicht überfordert sind. Die Lernschritte sollten immer herausfordernd aber auch bewältigbar sein. Stellt sich nach einer Anstrengung der Erfolg ein, ist der junge Mensch auch bereit, sich für den nächsten Lernschritt wieder anzustrengen.
Hilfestellung bieten
Natürlich sollen wir unseren Schützlingen auch Hilfestellung geben, wenn sie an einem Punkt nicht weiterkommen. Besser aber als ihnen in so einem Fall eine Lösung zu präsentieren ist es, sie durch gezielte Fragen selbst auf einen Lösungsweg zu führen. Es kann durchaus verschiedene Lösungen einer Aufgabe (z. B. Fingersätze bei einer technisch anspruchsvollen Passage) geben, die man dann vergleichen kann. Geben Sie Ihren Schülern also nicht immer haarklein alles vor, die jungen Menschen sollen (und wollen!) selber „denken“ lernen. Das mag am Anfang vielleicht etwas länger dauern, aber es lohnt sich in jedem Fall. Erziehen Sie Ihre Schüler nicht zu „Trägheit“!
Lust an Kreativität
Lassen Sie Ihre Schüler mit den neuen Fähigkeiten und Kompetenzen selber kreativ werden. Schon ab der allerersten Instrumentalstunde kann man die Kinder z. B. mit einfachsten rhythmischen Bausteinen selber ein kleines Musik- bzw. Rhythmusstück kreieren lassen, das dann gemeinsam gespielt wird. Je abwechslungreicher und je intensiver sich die Kinder mit dem Instrument und den Lerninhalten der Musik beschäftigen, desto selbständiger können sie das Gelernte auch anwenden und etwas „Eigenes“ daraus machen, sei es nun eine eigene Interpretation eines Musikstückes oder eine Improvisation oder eine eigene Komposition. Immer wieder erlebe ich Begeisterung bei meinen Schülern und Schülerinnen, wenn sie Gesetzmäßigkeiten z. B. aus der Musik-„Theorie“ verstanden haben und nun selbständig damit weiterarbeiten können.
Lebenslange Freude am Lernen
Glücklich sind jene Menschen, die sich ein Leben lang ihre Freude am Lernen erhalten. Gerade das Erlernen eines Musikinstruments kann einen ganz wesentlichen Beitrag dazu leisten. Lassen Sie uns also mit einem Instrumentalunterricht, in dem wir die Lust am selbständigen Lernen und eigenständigen Denken fördern, dazu einen ersten Baustein legen!
Wie anstrengungsbereit sind Ihre Schüler? Haben sie Freude am Lernen? Wie fördern Sie in Ihrem Unterricht die Lust am Lernen? Sicher haben sie eine Menge Tipps dazu! Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen.
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Guten Abend,
bei Anfängern, die sehr kleine Instrumentalstücke spielen, mache ich z.B. den Vorschlag, sie mit ganz verschiedenen „Überschriften“ zu spielen: müde, gelangweilt, fröhlich, rasend, voller Freude, wie im Nebel, ganz aus der Ferne, wütend… Das macht sehr viel Spaß und die Kinder erleben so z.B. ganz verschiedene Möglichkeiten des Bogens.
Das Schlimmste finde ich, wenn ein Stück runtergenudelt wird und so richtig langweilig klingt. Ich stelle gerne Fragen wie: „Wenn das eine Geschichte oder ein Theaterstück wäre, wie viele Personen spielen mit?“ Dazu ist es natürlich nötig, dass ich selber auch schon eine Idee habe. Da ergeben sich manchmal richtig nette Gespräche. Wichtig finde ich letztendlich, dass der Schüler SEINE Idee umsetzt, auch wenn ich mich von meiner eventuell verabschieden muss.
Oder ich selbst spiele von einem Stück eine langweilige und eine spannendere Fassung vor, damit sie selber Ideen kriegen.
Mein Ehrgeiz ist es, immer noch mehr rauszukitzeln : „Das gefällt mir gut, wie du es spielst und jetzt lass uns versuchen, ob du es noch deutlicher machen kannst. Ich zeige dir, wie du noch lauter/leiser spielen kannst und es trotzdem noch schön klingt.“
Leider erst vor Kurzem habe ich das wunderbare „Israeli Concertino“ von George Perlman entdeckt. Ein tolles Stück, finde ich. Meine Schülerin, mit der ich es gerade erarbeite, hat z.T. andere Vorstellungen von der Dynamik. Ich habe sie gefragt: „Du weißt, dass da eine andere Angabe steht. Spielst du es zufällig anders oder weil es dir so besser gefällt?“ Sie hat es bewusst anders gespielt. Ich finde, das muss nicht nur erlaubt sein, sondern was gibt es für uns als Lehrer Schöneres, wenn unsere Schüler sich eigene Gedanken machen!
Liebe Frau Fliegner,
vielen Dank für Ihre wieder einmal so wertvollen Tipps! Aus Ihren Kommentaren spricht eine große Begeisterung für’s Unterrichten und ein großes Einfühlungsvermögen in Ihre jungen Schüler!
Herzliche Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg