Vorspielabend „Nullachtfuffzehn“?
Finden Sie es prickelnd, wenn Sie das Wort Vorspielabend hören, oder entlockt Ihnen dieses Wort eher ein Gähnen? Haben Sie bei diesem Wort die Assoziation einer schier endlosen Aneinanderreihung von Musikstücken, vorgetragen von mehr oder weniger motivierten Musikschülern?
Ich habe in den letzten Jahren immer großen Wert darauf gelegt, einen Vorspielabend so zu gestalten, dass er etwas Besonderes wird, ein kleines Event, das allen Beteiligten – Schülern, Eltern und auch mir als Lehrer – Freude bereitet.
Gründe für einen Vorspielabend
Warum veranstalten wir überhaupt Vorapielabende? Ein Vorspielabend ist erst einmal ein gutes Auftrittstraining für unsere Schüler. Sie lernen, sich zu konzentrieren, sich zu fokussieren. Jüngere Schüler hören ältere, fortgeschrittene Schüler, lernen neue Musikstücke kennen, sehen auch einmal, was andere leisten. Bereits der fixierte Termin für das Vorspiel ist oft schon ein ordentlicher Motivationsschub, besonders gut zu üben.
Ein Vorspielabend ist aber auch eine Möglichkeit für uns Lehrer, den Schülereltern unsere Arbeit mit den Kinder zu präsentieren, so etwas wie eine Visitenkarte also. Es ist also nicht unwichtig, wie so ein Vorspielabend abläuft, denn er trägt doch einen wesentlich Teil dazu bei, ob die Eltern uns vertrauen, unsere Arbeit schätzen und unterstützen, oder eben nicht. Unlängst besuchte ich sogar eine Fortbildung zu diesem Thema. Manuela Kloibmüller, eine Kollegin aus Oberösterreich, war bei uns und hatte viele schöne Ideen zur Gestaltung von Schülervorspielen im Gepäck, und einige davon möchte ich hier mit Ihnen teilen.
Formaler Ablauf
Oft beginnen die jüngsten Kinder mit den kürzesten Stücken, dann werden die Kinder immer älter und die Stücke immer länger. Das kann schon Sinn machen, denn die jungen Schüler haben auf ihren kleinen Kinderinstrumenten meist noch nicht so einen vollen Klang. Wenn also ein Kind mit einer Achtel-Geige nach jemandem auftreten soll, der beispielsweise ein Beriot-Konzert auf einer ganzen Geige mit vollem Ton spielt, könnte das für das Kind mit der kleinen Geige unter Umständen schon frustrierend sein. Man sollte sich also ganz bewusst eine sinnvolle Reihenfolge für das Klssenvorspiel überlegen.
Ich lasse oft ein gemeinsames Stück am Anfang spielen, als Konzerteröffnung sozusagen, dann kommen die Solo-Beiträge und am Schluss wieder ein gemeinsames Stück. Das stärkt zudem das „Wir-Gefühl“ unter den Schülern meiner Klasse.
Vortrag und Informationen
Einmal hielt ich zwischen den Solo-Auftritten der Kinder einen kleinen „Vortrag“ zum Thema „Was Sie schon immer über das Üben wissen wollten“. Diese hilfreichen Informationen über das Üben kamen bei den Eltern sehr gut an. Sie passten auch gut in den Rahmen des Vorspiels, besser, als wenn ich einen Elternabend veranstaltet hätte. Solche kleinen Impuls-Vorträge und hilfreiche Informationen kann man sehr gut in ein Vorspiel einbauen, sie sollten nur wirklich kurz und „auf den Punkt gebracht“ sein.
Lebendige Musikbox
Hier eine hübsche Idee von Frau Kloibmüller: Ein Zuhörer nach dem anderen darf ein Kärtchen (mit dem Titel eines Musikstück aus dem Programm) aus einem Hut ziehen. Dies ergibt dann die Reihenfolge des Programms – wie eine „lebendige“ Musikbox also. Auch ihre Idee mit dem „Wanderkonzert“ fand ich sehr ansprechend. Allerdings braucht man dazu mehrere Räume, in denen jeweils ein Teil des Konzerts stattfindet. Das Publikum „wandert“ von einem Raum zum nächsten. Das könnte ich mir gut in einem Schloss vorstellen. Es wurden ja einige ehemalige Schlösser für Kulturdarbietungen adaptiert. Allerdings sind diese Räumlichkeiten meist einem „zahlenden Musikbetrieb“ vorbehalten.
Kommunikation
Auch die verbale Kommunikation bei einem Vorspielabend ist eine bewusste Überlegung wert: Wie begrüße ich die Zuhörer? Moderiere ich die einzelnen Beiträge? Lasse ich die Kinder selbst moderieren? Verbinde ich die Musikstücke durch eine Geschichte?
Ich finde es wichtig, die Anwesenden zu begrüßen und ein paar einleitende Worte zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit bedanke ich mich immer auch bei den Eltern für deren Unterstützung. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass Eltern – oft über Jahre hinweg – ihre Kinder zum Instrumentalunterricht bringen und sie in vielen Fällen sogar zu Hause beim Üben unterstützen. Es ist mir wichtig, den Eltern auch einmal zu sagen, dass ich das sehr schätze!
Sollte es bei Ihnen immer wieder vorkommen, dass gewisse Eltern nach dem Auftritt ihres Kindes das Vorspiel sofort verlassen, können Sie auch zu Beginn des Konzertes mit ein paar freundlichen Worten darauf hinweisen, dass Sie erwarten, dass die Zuhörer bis zum Schluss bleiben, z. B. „… alle meine Schülerinnen und Schüler haben sich intensiv auf den heutigen Abend vorbereitet, und ich wünsche mir, dass alle bis zum Schluss bleiben und jedem einzelnen von ihnen respektvoll zuhören …“ Das frühzeitige Verlassen muss auch nicht zwingend als Unhöflichkeit gewertet werden, es könnte auch einfach ein „Nichtwissen, wie man sich in so einer Situation verhält“ sein.
Achten Sie darauf, nicht während des „Umbaus“ der Bühne, z. B. beim Aufstellen der Notenpulte oder beim Stimmen, zu sprechen. Machen Sie in Ruhe eines nach dem anderen. Erst Pulte aufstellen, dann sprechen. Und: Wenden Sie sich beim Sprechen immer dem Publikum zu.
Raumgestaltung
Zum Thema Raumgestaltung hatte Frau Kloibmüller einige interessante Ideen: Muss denn ein Vorspiel immer „frontal“ ablaufen? Könnte man die Bestuhlung eventuell auch einmal im Kreis oder Halbkreis anordnen? Könnte man Ensembles an verschiedenen Positionen im Raum positionieren?
In einem Saal mit fixierter Bühne – meist noch erhöht – gibt es wahrscheinlich bezüglich Bestuhlung nicht viele Gestaltungsmöglichkeiten. Dafür hat so ein Konzertsaal aber meist ein integriertes Lichtsystem. In diesem Fall könnten Sie sich auch einmal eine besondere Lichtgestaltung überlegen. Probieren Sie doch einmal die verschiedenen Beleuchtungsmöglichkeiten mit den verschiedenen Scheinwerfern aus! Lassen Sie sich doch vom Schulwart bzw. der zuständigen Person ins Thema Bühnenbeleuchtung einweisen. Das braucht zwar ein wenig Zeit und Experimentierfreude, lohnt sich aber!
Motto oder besonderer Titel
Und zu guter Letzt noch ein Tipp von mir: Der Titel „Vorspielabend“ klingt in der Tat nicht sehr vielversprechend. „Nullachtfuffzehn“ eben. „Charles Dancla – zum 200. Geburtstag“ klingt schon aussagekräftiger. Oder: „Ein Abend mit Barockmusik“, „Violino dolce“, „Eine musikalische Zeitreise“, usw. Titel dieser Art wirken viel attraktiver. Sie können ja ein Motto festlegen und die Musik dann danach auswählen. Es ist auch für die Schüler spannend, einen Vorspielabend ganz nach einem Motto zu gestalten!
Wie gestalten Sie die Vorspielabende mit Ihren Schülern? Sicher haben Sie auch eine Menge guter Ideen zu diesem Thema, und ich würde mich riesig freuen, wenn Sie Ihre Ideen mit uns hier im Blog teilen würden!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Holzer-Rhomberg,
erst einmal möchte ich Ihnen zurückmelden, dass ich sehr angetan bin davon, dass Sie immer wieder neue Themen finden.
Mit Vorspielen ist es ja so, dass die Bedingungen sehr verschieden sind. Einige Lehrer haben über 40 Schüler, einige unterrichten an verschiedenen Orten usw.
Meine Erfahrungen durch 2 musizierende eigene Kinder und meine Lehrtätigkeit haben mich zu folgendem gebracht: Viel länger als eine Stunde sollte ein Vorspiel nicht dauern – kleine Geschwisterkinder werden unruhig, die Vorführenden müssen länger warten als einigen von ihnen guttut. Ich selbst habe auch bei mir als Zuhörerin gemerkt, dass ich nach eineinhalb Stunden zappelig werde – selbst wenn alle wunderbar spielen.
Ein Lehrer einer meiner Töchter, der sehr viele Schüler hatte, hat ein 3-Schicht-System eingeführt. Zwischen den Schichten war immer genug Raum für einen kleinen Imbiss, ein Getränk und Plaudern. Das war sehr angenehm. Ich selbst habe aus verschiedenen Gründen privat immer so zwischen 12 und 13 Schülern. Meine Vorspiele sind nicht abends sondern samstags oder sonntags gegen 11 Uhr. Die Schüler und auch die Eltern kennen sich über die Jahre und freuen sich über die Fortschritte aller Kinder. Alle, die Lust haben, bringen eine Kleinigkeit fürs Büffet mit, sodass wir nach dem Vorspiel noch ein bisschen zusammen sein können.
Zur Reihenfolge des Vorspiels: Ganz kleine neue Schüler dürfen zuerst spielen. Ich habe es aber auch schon so gehandhabt, dass ich durch die Woche gegangen bin: das erste Montags-Kind fängt an, das letzte Freitags-Kind hört auf. Dabei berücksichtige ich allerdings kleine Änderungen, wenn ein „Bravour-Stück“ dabei ist, das einfach am Ende stehen sollte. Zum Schluss spielen wir alle ein gemeinsames Stück. Letztes Mal hatten wir ein irisches Fiddle-Stück, von dem alle Zuhörer so begeistert waren, dass wir es noch einmal spielen durften. Gut finde ich Ihre Idee, das Vorspiel auch mit einem gemeinsamen Stück zu beginnen.
Noch etwas, was ich sehr wichtig finde. Ich habe bei fremden Vorspielen ab und zu erlebt, dass Kinder zu schwere Stücke gespielt haben, völlig unglücklich auftraten und völlig verkrampft waren. Die Musik klang entsprechend und alle haben mitgelitten. So sollte es nicht sein! Ich finde, wir Lehrer sollten Stücke auswählen, die auch bei Aufregung noch „automatisch“ weiter laufen. Damit bin ich ziemlich gut gefahren. Natürlich gibt es immer mal kleinere „Unfälle“, die aber dem Fluss der Musik keinen Abbruch tun. Das Vorspielen finde ich auch wichtig für Schüler, die überhaupt nicht vorspielen wollen, die mit mir verhandeln, dass SIE ganz bestimmt nicht vorspielen. Ich sage ihnen, dass ich das sehr gut verstehe, weil ich es selbst aus meiner Biographie sehr gut kenne, dass sie aber dennoch mit dabei sein werden und ich darüber mit mir auch nicht verhandeln lasse. Ich sage ihnen, dass ich ihre Panik berücksichtigen werde bei der Auswahl des Stücks.
Ich finde die Erfahrung eines Vorspiels für die Kinder sehr, sehr wichtig, denn sie werden in ihrem späteren Leben oft Präsentationen machen müssen. So lernen sie bei den Geigenvorspielen, dass sie es „überleben“. Und die Ergebnisse waren bisher immer gut anzuhören, sodass sie dann auch noch ein Lob kriegen, wenn sie es selbst kaum mitgekriegt haben, wie sie gespielt haben.
Jetzt habe ich länger geschrieben als ich eigentlich wollte. Aber das Thema liegt mir einfach sehr am Herzen – dass wir in Vorbereitung eines Vorspiels die Kinder – oder auch erwachsenen Schüler – ermutigen, herausfordern, an ihre Grenzen führen, um diese zu überschreiten, und immer ganz nah bei ihnen bleiben.
Herzliche Grüße
Irmgard Fliegner
Liebe Frau Fliegner,
vielen Dank für Ihren so ausführlichen Kommentar! Aus Ihren Zeilen lese ich heraus, dass Sie ganz viel Erfahrung haben und sich sehr viele Gedanken machen zum Wohle Ihrer Schüler! Das berührt mich sehr!
Ja, ein Vorspiel sollte nicht zu lange dauern, ich veranstalte auch lieber mehrere Vorspiele zu je 45-60 Minuten, als ein einziges langes Konzert. Das hat sich sehr bewährt. Ihre Idee mit dem Auftritt der Schüler nach dem Wochenstundenplan finde ich sehr reizvoll! Da können die Eltern nachempfinden, wie vielfältig so ein Unterrichtstag abläuft! Und – wie Sie richtig sagen – es soll nicht jenes Stück vorgespielt werden, bei dem ein Schüler im Moment an seine Grenzen stößt. Lieber ein Musikstück, das der Schüler technisch sehr gut beherrscht, sodass er sich voll auf den musikalischen Ausdruck konzentrieren kann! Vielen Dank für Ihren wertvollen Beitrag!
Herzliche Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg
Danke für das nette Feedback!
Liebe Andrea,
ganz herzlichen Dank für die interessanten Anregungen – ich freue mich schon sehr darauf, die eine oder andere Idee in meinen nächsten Vorspielen auszuprobieren!
Hier noch ein kleiner Tipp, wie man verhindern kann, dass sich die Stuhlreihen im Laufe des Konzerts nach und nach leeren:
Vor vielen Jahren haben wir eingeführt, dass am Ende eines Vorspiels ein oder mehrere Gewinne verlost werden.
Damals hat das vorzeitige Verlassen der Vorspiele schlagartig aufgehört.
Inzwischen ist es zur Tradition geworden, bis zum Ende da zu bleiben, auch ohne Gewinne. Aber eine kleine ‚Belohnung‘ gibt es natürlich auf jeden Fall für alle Spieler und ihre zuhörenden Geschwister.
Vielen Dank für deine anregenden Gedanken jeden Sonntag-Abend und ganz herzliche Grüße
Simone
Liebe Simone,
vielen Dank für Dein schönes Feedback! Die Idee mit dem Gewinnspiel finde ich wunderbar! Durch eine gezielte Aufgabenstellung des Gewinnspiels kann man sogar noch die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf bestimmte Aspekte lenken und verstärken! Diese Idee werde ich auf jeden Fall in mein „Repertoire“ übernehmen! Danke!
Liebe Frau Holzer-Rhomberg,
Ihr Thema Vorspiel hat mich sehr gefreut. Vor einige Jahren kam ich nach einem 08-15 Vorspiel sehr unzufrieden nach Hause, obwohl ist gut gelaufen war. Zum Glück gab es kurz darauf eine Fortbildung zu dieses Thema. Viele von dieser Ideen habe ich verwirklicht und in Ihrem Beitrag und die Kommentare wieder erkannt. Sogar ein Gewinnspiel habe ich ins Vorspiel eingebaut, um das Publikum zum dableiben zu kriegen. Die Fragen haben etwas mit der Musik/Programm zu tun und die Preise sind oft Konzertkarten oder CDs. Hierzu ein Tipp: eine kurze Pause machen sodass viele sich daran beteiligen können. Sicher, das alles braucht viel Planung und ist am Schluss doch viel Arbeit. Aber es lohnt sich! Man ist selber künstlerisch gefördert und es bereichert den Arbeitsalltag. Die Schüler merken dass es um etwas Wichtiges geht und werden entsprechend motiviert! Ich habe schon viele Komplimente von Eltern und Großeltern bekommen. Viel Erfolg! Ihre Catherine Pietsch
Liebe Frau Pietsch,
vielen Dank für Ihren schönen Erfahrungsbericht! Das freut mich sehr! Ja, es ist zwar viel Planung und Arbeit, aber es lohnt sich definitiv!
Herzliche Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Holzer-Rhomberg,
ersteinmal möchte ich Ihnen sagen, daß ich sehr froh bin, ihre Seite entdeckt zu haben.
Ich habe sehr gute Erfahrung mit Themen-Abenden . Zum Glück hatte ich wunderbare Kollegen aus anderen Fachgebieten, die auch mitmachten. Die bisherigen Themen waren: “ Ein musikalischer Spaziergang durch die Balkan-Länder“, „Ein musikalischer Spaziergang durch Skandinavien“, “ Ein musikalischer Spaziergang durch Griechenland“ und „Ein musikalischer Abend durch „Lateinamerika“ .Die Schüler spielten unterschiedlichste Weisen vor .Das Kammerorchester wurde auch mit einbezogen. Zwischendurch erzählte ich Unterhaltsames aus diesen Ländern.(z.b. Bräuche, Essen usw.) Wichtig für mich war es, daß den Schülern und Eltern musikalisch „die Ohren geöffnet“ wurden. (Gerade bei der Vorbereitung des „Balkan-Abends“ hatte ich vorher Gegenwehr verspürt, hinterher sah ich aber begeisterte Blicke)) Ein Themenabend ganz anderer Art hieß „Unterhaltsames über und von Joseph Haydn“ Auch dort berichtete ich Unterhaltsames über Haydn und ließ die Schüler aufstehen, die sich in dem entsprechenden Alter befanden. Für das Kammerorchester wählte ich für diesen Abend Kanons. Natürlich erfolgte am Ende des Schuljahres dann das übliche Klassenvorspiel.
Liebe Frau Schaffranietz,
vielen Dank für das Teilen dieser schönen Ideen!
Herzliche Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg