Was halten Sie von behutsamer Übe-Begleitung?
Musizieren verändert das Gehirn. Das ist ja wohl nichts Neues, werden Sie jetzt sagen. Da muss ich Ihnen zustimmen. Es gibt mittlerweile so viele Studien, die das wissenschaftlich untermauern, was wir als praktizierende Musiker und Musikerinnen schon lange wissen: Das Spielen eines Musikinstrumentes wirkt sich ungemein positiv auf die Entwicklung eines Menschen aus. Aktives Musizieren fördert in hohem Maße die kognitiven Fähigkeiten, stärkt das emotionale Gleichgewicht, bildet äußerst differenzierte feinmotorische Fertigkeiten aus und befähigt zu vernetztem Denken. Die Kinder lernen, aufeinander zu hören und auf das Gehörte zu reagieren. Die meisten Kinder brauchen aber am Anfang ihres musikalischen Lernens Unterstützung in Form einer behutsamen Übe-Begleitung.
Wie viel Übung braucht es?
Um eines ganz klar zu sagen: Wenn ein Kind einmal pro Woche für 30 Minuten im Unterricht das Instrument in die Hand nimmt, dann reicht das nicht aus, um obige Effekte zu erzielen. Deshalb geht es mir erst einmal darum, wie wir den Eltern unserer Schüler auf eine „inspirierende“ Art vermitteln können, dass die Schüler zu Hause regelmäßig üben sollten. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, nein. Ich möchte eher Wege finden, wie ich Eltern in ihrer Übe-Begleitung unterstützen kann.
Kein Einzelfall
Alle Eltern – wirklich alle – denken, es gebe nur bei ihnen zu Hause Probleme mit dem Üben. Sie fühlen sich überfordert mit der Situation, dass ihr Kind nicht übt. Sie wissen nicht, wie sie darauf reagieren sollen und geben viel zu schnell entnervt auf. Das erste, was ich diesen Eltern sage ist, dass das kein Einzelfall ist – im Gegenteil! Kinder im frühen Schulalter sind einfach noch nicht so organisiert, dass sie sich ihre Tagesaufgaben und somit auch ihre Übezeit selber einplanen und durchführen können.
Eltern-Unterstützung
Kinder profitieren ungemein von einer behutsamen Übe-Begleitung. Ein Elternteil, der dafür sorgt, dass die geplante Übe-Session eingehalten wird, und der sich – wenn es geht – die Zeit nimmt, beim Üben einfach da zu sein. Es muss nichts kritisiert werden, auch wenn es eventuell nicht gut klingt. Wichtig ist, dass am Anfang nicht das Übe-Ergebnis gelobt wird, sondern die Übe-Anstrengung. So kann jede Übe-Session mit einem Lob und mit gutem Gefühl abgeschlossen werden, was sich natürlich wieder positiv auf die Übe-Bereitschaft für den nächsten Tag auswirkt. Wenn man konsequent dranbleibt, stellen sich auch bald die Erfolge ein.
Musikalisches Umfeld
Und hier noch ein wichtiger Punkt: Unterstützen Sie die Eltern dabei, ein „musikalisches Umfeld“ für ihr Kind zu schaffen. Sie kennen das: Wenn Eltern begeisterte Schifahrer sind, wird zu Hause auch über Schifahren gesprochen, es werden Schirennen im Fernsehen angesehen, und an Wochenenden geht man gemeinsam auf die Piste. So wächst in den Kindern auch der Wunsch, diesen Sport auszuüben. Genau so verhält es sich auch mit der Musik. Lieben die Eltern Musik, wird zu Hause auch Musik gehört und darüber gesprochen. Man besucht gemeinsam Konzerte oder sieht sich Aufführungen im Fernsehen an. Kurzum: Das animiert die Kinder, selber immer wieder zum Instrument zu greifen.
Hörerlebnisse schaffen
Wie wäre es, wenn Sie den Eltern Ihrer Schüler ein kleines „Hör-Programm“ zusammenstellen würden? Für jeden Tag einen You-Tube-Link mit einer hübschen, animierenden Musik, die sie gemeinsam mit ihrem Kind vor dem Üben anhören könnten? Wenn man etwas gemeinsam anhört, kann man auch darüber sprechen. Das wirkt meist sehr anregend.
Community
Sie können die Eltern Ihrer Schüler auch in ihrer Aufgabe als Übe-Begleiter unterstützen, indem Sie für Ihre Klasse eine Art „Eltern-Community“ gründen, in der sich die Eltern untereinander austauschen und unterstützen können – natürlich immer vorausgesetzt, dass diese das wollen. Es ist sicher sehr hilfreich für die Eltern eines Anfängers, von einem Elternteil eines bereits fortgeschrittenen Schülers zu hören, wie sich bei diesem die ersten „Gehversuche“ am Instrument gestaltet haben. So könnten die Eltern einander gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es wieder mal zu Unstimmigkeiten wegen des Übens kommen sollte.
Haben Sie ein paar gute Tipps, wie man die Eltern beim Etablieren der häuslichen Übegewohnheiten unterstützen könnte? Ich freue mich sehr über jeden Kommentar von Ihnen zu diesem Thema!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Ich ermuntere meine Eltern im Anfängerunterricht (vor allem bei Vorschulkindern) selber mitzulernen. Das machen sie meist sehr gerne, weil ich ihnen auch erkläre, dass sie jetzt die Chance haben, gratis mitzulernen. Diese Eltern sind beim Üben mit ihren Kindern viel nachsichtiger als „normale“ Eltern, weil sie wirklich wissen wie schwer es ist. Außerdem macht es den (kleinen) Kindern auch Spass, mit den Eltern gemeinsam zu musizieren.
Wenn dann die Zeit kommt, dass die Kinder ihre Eltern überholen (das kommt praktisch immer), bekommen die Kinder die volle Bewunderung und Unterstützung der Eltern. Diese Eltern sind auch praktisch immer bereit, bei organisatorischen Dingen mitzuhelfen und können die Bemühungen der Lehrkraft schätzen.
Das ist natürlich der beste aller Fälle, wenn ein Elternteil mitlernt, keine Frage!
Wie handhaben Sie das mit den Instrumenten für die Eltern? Müssen diese dann zwei Instrumente von einem Geigenbauer mieten, ein kleines für das Kind und ein großes für sich selber? Das ist ja bei manchen Familien sicher auch eine Kostenfrage. Oder haben kommt Ihnen da die Musikschule mit günstigen Leihinstrumenten – auch für Eltern – entgegen?
Liebe Frau Holzer- Rhomberg,
Ihre Gedanken und Tipps sind immer so anregend und manchmal auch beruhigend, ideengebend sowieso…. herzlichen Dank!!
Zum Thema Üben hab ich nur eine kleine Begebenheit, die zum Glück ausgesprochenen Seltenheitswer hat. Und bei allem Kopfschütteln einen kleinen Unterhaltungswert:
Ein Kind einer unserer Streicherklassen konnte nur noch bei den Großeltern üben, weil der Kontrabass zu hause weg musste… er störte beim Staub saugen.
Glücklicherweise hatten die Großeltern entweder nicht so einen Sauberkeitswahn wie die Eltern, oder deren Putztechnik war ausgefeilter.
Aus dem Kind wurde leider keine großartige Konntrabassistin….
Viele liebe Grüße Cathrin Krippendorf
Ja, da erlebt man so manches. Ich hatte einmal eine Schülerin, die mir erklärt hatte, sie dürfe nur nachmittags von 13:30 bis 14:00 üben, da in dieser Zeit ihre Nachbarin den Staubsauger betätige. Außerhalb dieser Zeit würde das Geigenspiel die Nachbarin stören. Dabei war das Mädchen sehr musikalisch und hat sehr sauber intoniert! Manchmal fragt man sich schon …
Ach herrje, das ist ja eine ebenso verrückte Geschichte.
Ich bin oft völlig entnervt über die vielen wenig übenden Schüler. Ich hoffe dann immer, dass wir wenigstens einen oder viele Funken Begeisterung für die Musik in diesen Schülern anlegen, so dass die Kinder unserer Schüler irgendwann irgendetwas davon haben. Oder unsere Schüler im Erwachsenenalter regelmäßige Theatergänger werden oder ihre Kinder beim Lernen eines Instrumentes unterstützen.
Nun ja, zum Glück gibt es auch viele endlos Freude machende Schüler, begeisterte Eltern und verständnisvolle Nachbarn!!!
Der Rest gehört wohl als Würze zum Beruf dazu…
Viele liebe Grüße Cathrin Krippendorf