Was ich seit Corona gelernt habe
Seit mehr als einem Jahr schon läuft unser Instrumental-Unterricht anders, als wir es viele Jahre lang gewohnt waren. Natürlich gewöhnt man sich auch langsam an die „neue Normalität“, man arrangiert sich, man versucht, aus der Situation das Beste zu machen. Wenn im Moment im Unterricht nicht alles so praktiziert werden kann, wie wir es wahrscheinlich alle gerne hätten, können wir doch auch aus dieser Situation etwas lernen. Was ich persönlich seit „Corona“ gelernt habe, darum soll es im heutigen Blogbeitrag gehen.
Geduld
Ja, ich dachte immer, ich sei ein geduldiger Mensch. Als ich aber zu Beginn der Coronazeit – beim Distance-Learning im Präsenzunterricht – erlebte, wie lange so manches Kind brauchte, bis es Geige und Noten ausgepackt und nach der Lektion wieder eingepackt hatte, da wurde ich anfangs schon ganz schön kribbelig. Früher hatte ich den Kleinen oft beim Aus- und Einpacken geholfen. Ebenso hatte ich ihnen schnell einmal etwas in die Noten geschrieben oder das Instrument gestimmt. Mit der Verordnung zum Distance-Learning im Präsenzunterricht wurden wir aber an der Schule strikte aufgefordert, dies zu unterlassen.
Mittlerweile bin ich diesbezüglich viel gelassener geworden. Es ist ja eigentlich von Vorteil, wenn bereits die jüngsten Schüler lernen, ihre Sachen selber zu managen. Je öfter sie das tun, desto routinierter werden sie ja auch darin. Wir sollen den jungen Menschen nicht jede Schwierigkeit von vorne herein aus dem Weg räumen, da nehmen wir ihnen ja auch eine ganze Menge an Lernmöglichkeiten weg. Es hat doch sein Gutes, wenn sie selber lernen, ihre Instrumente und Noten aus- und einzupacken, selber Notizen in die Noten zu schreiben und ihre Instrumente selber zu stimmen. Wenn man das von dieser Seite betrachtet, ist Ungeduld kein Problem mehr.
Lektionen pünktlich beenden
Früher hatte ich nie auf die Uhr geschaut. Zeit, die Lektion mit dem einen Schüler zu beenden, war, wenn der nächste Schüler zur Türe herein kam. Ich richtete es immer so ein, dass die Schüler ein paar Minuten früher kamen. Auf diese Weise konnte der eine Schüler bereits auspacken, während ich mit dem anderen die Lektion in Ruhe beenden konnte. Anschließend konnte ich sofort mit dem nächsten Schüler starten, während der vorige Schüler in Ruhe einpacken konnte. So konnte tatsächlich jede Lektion in der vollen Länge sinnvoll genutzt werden.
Oft ließ ich den einen Schüler am Schluss seiner Lektion dem nächsten noch etwas vorspielen. Manchmal ließ ich die beiden in dieser überlappenden Zeit auch etwas gemeinsam spielen. Manchmal konnte ich auch ganz kurzfristig mehrere Schüler zur Lektion eines anderen Schülers dazu kommen lassen, um ein Ensemblestück zu proben. Wie oft hatten wir zu sechst in meinem kleinen Unterrichtszimmer zusammen musiziert! Auch wenn wir kaum Platz hatten – es hatte toll geklungen und große Freude gemacht! Dies alles vermisse ich sehr. Auch vom pädagogischen Standpunkt aus sind diese Überlappungen von Unterrichtszeiten der Schüler Gold wert! Sie lernen dabei so viel, und es motiviert unglaublich! Ich hoffe sehr, dass wir eines Tages wieder zu dieser Praxis zurückkehren können!
Was habe ich nun gelernt? Zuerst hatte ich ständig Stress, weil ich die Lektion ausnützen wollte und wirklich bis zur letzten Minute durchgezogen habe. Dann brauchten die Kinder oft so lange mit Einpacken, dass die obligate Lüftungspause eigentlich schon vorbei war. Gelüftet werden musste trotzdem, und zwar von offizieller Seite aus so, dass während des Lüftens kein Schüler im Raum sein durfte. Dann kam der nächste Schüler herein und brauchte wieder (von mir gefühlt wahnsinnig) lang, bis er seine Siebensachen ausgepackt hatte. Ich hatte ständig das Gefühl, für jedes Kind zu wenig Unterrichtszeit zu haben. So ein Nachmittag war wirklich stressig für mich.
Mittlerweile habe ich gelernt, auf die Uhr zu schauen, und tatsächlich die Lektion so früh zu beenden, dass das Kind noch genügend Zeit zum Einpacken hat, und ich trotz Lüftungspause mit dem nächsten Kind pünktlich starten kann. Die Kinder haben dadurch tatsächlich weniger reine Unterrichtszeit, weil man ja die Ein- und Auspackzeit jetzt zur Unterrichtszeit dazurechnen muss. Damit muss ich jetzt halt leben, damit habe ich mich jetzt eben arrangiert, und seitdem ich das eingesehen und gelernt habe, ist mein Unterrichtstag auch viel weniger stressig.
Trotzdem finde ich den überlappenden Unterricht viel anregender für die Kinder und wünsche ihn mir baldmöglichst zurück!
Bildersprache
Ich arbeite schon seit vielen Jahren sehr intensiv mit Bildern und Metaphern. Ich denke da z. B. an den Bogengeist, oder an den Zwerg, der in der Hand sitzt, oder an die Bäume im Wind. Wer den Fiedel-Max kennt, weiß, wovon ich spreche. Kinder verstehen ein Bild oft besser als lange verbale Erklärungen. In Zeiten von vorgeschriebenem berührungslosem Unterricht ist die Bildersprache noch viel wichtiger geworden. Wenn man einem Kind ein Körpergefühl, z. B. Armgewicht auf den Bogen übertragen, nicht mehr durch eine Berührung des Bogenarmes übermitteln kann, braucht es ein stimmiges Bild, um diesen Vorgang, dieses Gefühl begreifbar zu machen. Seit Corona habe ich gelernt, noch viel mehr über stimmige Bilder nachzudenken, die spieltechnische Lernschritte möglichst gut vermitteln können. Viele wertvolle Anregungen zu diesem Thema habe ich auch von Kolleginnen und Kollegen bekommen, worüber ich sehr dankbar bin.
Diese Zeit des Distance-Learnings – auch im Präsenz-Unterricht – hat uns alle vor große Herausforderungen gestellt, und gerade in Zeiten großer Herausforderung ist der Austausch unter Kollegen besonders wertvoll! Deshalb möchte ich auch heute wieder einmal Ihnen meinen Dank aussprechen, dass Sie immer wieder in den Kommentaren Ihre Ideen und Tipps einbringen! Die ganze Community hier profitiert ungemein davon! Sicher haben auch Sie viel Neues gelernt seit Corona. Was haben Sie vermisst? Was wünschen sie sich zurück? Was möchten Sie beibehalten? Über jeden Ihrer Kommentare freue ich mich sehr!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Ja! Das kann ich alles unterschreiben, den gesamten Artikel.
Was sich bei uns eingebürgert hat:
Die schweren Stellen aufnehmen im home geiging oder gemeinsam in der stunde und aufs Handy Schicken, zum üben daheim.
Teddybären im Publikum zuhause für Vorspielstunden Konzert Flair…
Youtube links von größeren Werken schicken bei größeren SchülerInnen und Lieblings Versionen zurückschicken.
Eigene Stücke spielen lassen.
Die SchülerInnen selber komponieren lassen am Diktiergerät aufnehmen… Klavierstimme dazu zurückschicken. Über eine Box mit Handy dazuspielen.
Immer wenn möglich den live Geigenklang genießen und wenn nicht möglich dann dem computersound verzeihen und die Musik an den Gesichtern ablesen.
Vielen Dank für die vielen wertvollen Tipps!
Herzliche Grüße,
Andrea Holzer-Rhomberg
Ja, Andrea,du hast immer recht!
Viele Erlebnisse geben! Aufnahmen, Klavierbegleitungen schicken.
Video-Raten mit Spiel schicken-das hilft für die Kinder, und für die Eltern, die ihre Kinder unterstützen möchten.
Übe-videos von den Kindern anhören, wir schauen, was sie zu Hause machen. Lehrreich..
Vielen Dank für die vielen Tipps, liebe Krisztina!
Herzliche Grüße,
Andrea