Was können wir aus der Krise lernen?
Viele Wochen Social Distancing liegen nun schon hinter uns. Bei manchen zehrt das mittlerweile ganz schön an den Nerven. Seien wir mal ehrlich: Wer von uns hätte vor ein paar Wochen an so eine globale Krise gedacht? Wer von uns Lehrpersonen hätte daran gedacht, dass der ganze Unterricht – auch der Instrumental-Unterricht – digital durchgeführt muss?
Wie viele Stunden habe ich recherchiert, Tools getestet, Unterrichtsmaterial digitalisiert, Hörbeispiele aufgenommen, um für meine Schüler ein sowohl ihren Lernbedürfnissen angemessenes als auch technisch durchführbares Unterrichtsangebot bereitzustellen! Nun stellt sich mir die Frage: Was können wir aus dieser Krise lernen? Was können wir Positives in die „Nach-Corona-Zeit“ mitnehmen?
1. Soziale Kontakte sind wichtig
Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir brauchen den Kontakt zu anderen Menschen, wie die Luft zum Atmen. Nicht nur Kinder, auch wir Erwachsene und vor allem auch unsere älteren Mitbürger, die besonders vom derzeit gebotenen Abstandhalten betroffen sind. Soziale Isolation hat Auswirkungen. Diese Krise macht mir persönlich wieder einmal richtig bewusst, wie sehr ich doch die zwischenmenschlichen Kontakte im Rahmen meiner Berufsausübung schätze: Die Kontakte zu meinen Schülern, zu den Kollegen, Kontakte beim gemeinsamen Musizieren, Kontakte bei Fortbildungen und Workshops. Face-toFace-Kontakte.
2. Kultur ist wichtig
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Genauso wichtig ist „Nahrung für die Seele“. Da spielt unsere Musikkultur eine sehr große Rolle. Wie schön ist es doch, live bei einem Konzert dabei zu sein, gemeinsam zu musizieren oder auch gemeinsam zuzuhören! Unsere Kultur sollte uns etwas wert sein! Unsere Gesellschaft sollte nicht ihr ganzes Streben auf Konsum, auf immer mehr und immer billiger ausrichten. Kultur hat das Potential, Menschen zu „erheben“. Gerade in schwierigen Zeiten braucht der Mensch etwas Erhebendes, etwas, das Geist und Seele in einen guten Zustand bringt!
3: Digitalität kann nicht alles ersetzen
Ja, wir haben unseren Unterricht auf digital umgestellt. Ja, wir benutzen diverse Video-Konferenz-Tools, um mit unserer Familie und den näher und weiter entfernten Verwandten und Freunden in Kontakt zu bleiben. Und ja, es ist besser, als wenn wir diese Möglichkeiten nicht hätten. Aber: Sind diese Tools wirklich ein gleichwertiger Ersatz z. B. für unseren Instrumental-Unterricht?
Ich kann gar nicht sagen, wie viele Stunden ich recherchiert und getestet habe und mich nach wie vor ständig auf dem Laufenden halte. Die einen Tools bergen gravierende Sicherheitsmängel, andere gehen sehr „salopp“ mit dem Datenschutz um, und wieder andere bieten eine sehr mangelhafte Klangqualität. DAS eine Tool, das sowohl vor Hackern sicher, als auch DSGVO-konform ist und dazu noch eine akzeptable Klangqualität bietet und auf allen Schüler-Endgeräten läuft, gibt es wohl noch nicht. (Oder habe ich es nur noch nicht gefunden????)
4. Positives in die "Nach-Corona-Zeit" mitnehmen
Auch wenn in unserer derzeitigen Art der Berufsausübung vielleicht nicht alles optimal ist, denke ich, wir sollten uns überlegen, was wir aus dieser Krise Positives mit in unseren zukünftigen Unterrichts-Alltag mitnehmen könnten. Meine Schüler nutzten z. B. oft die Möglichkeit, bei Fragen schnell das Problem auf Video aufzunehmen und mir dies zu schicken. Meine Antwort kam dann ebenso schnell und unkompliziert zurück. So lassen sich auf diesem Weg oft kleine „Problemchen“ sehr schnell lösen, ohne dass man dafür eine halbe Woche warten muss oder gar etwas „falsch“ übt. Sie werden vielleicht jetzt einwerfen, Sie möchten doch nicht rund um die Uhr verfügbar sein. Das muss auch keineswegs sein, das sehe ich auch so. Man könnte sich aber ein bis zweimal in der Woche so ein kleines Zeitfenster für diese kleinen „Problemchen“ freihalten und diesen Termin den Schülern kommunizieren. Das könnte sehr zur Übe-Effizienz der Schüler beitragen. Ich plane das jedenfalls ein, denn ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht.
Außerdem könnte man den Schülern – wenn sie eigentlich krank sind, aber ihren Instrumental-Unterricht keinesfalls ausfallen lassen möchten, eine Online-Lektion anbieten. Wie oft kommen Kinder stark erkältet oder gar fiebrig zum Unterricht, und ein paar Tage später ist dann die Lehrperson krank. Das müsste nicht sein.
Jede Krise bietet auch Chancen. Was fällt Ihnen an Positivem ein, das Sie sich für die „Nach-Corona-Zeit“ mitnehmen möchten? Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Frau Holzer-Rhomberg,
vielen Dank für die vielen interessanten Gedanken.
Die Idee, daß man kranke Schüler nun online unterrichten könnte, hatte ich auch schon. Außerdem habe ich oft die Situation, daß Schüler nicht den Unterricht besuchen können, da z.B. niemand sie fahren kann. Wenn dann mehrere Stunden hintereinander ausfallen und man dadurch längere Zeit auf der Stelle tritt, läßt auch schnell mal die Motivation nach. Hier könnte der Online-Unterricht auch Abhilfe schaffen.
Ich überlege auch schon, wie man eine Art Übe-Coaching in die Zeit nach Corona mitnehmen kann. Die Idee mit den Zeitfenstern zweimal pro Woche finde ich sehr gut.
Schöne Grüße
M. Müller-B.
Liebe Frau Holzer Rhomberg!
An unserer Musikschule hat sich durch unseren Orchesterleiter sogar ein YouTube Kanal entwickelt, der mit kleinen Techniktools den Kindern bereitsteht für die Orchesterarbeit.
Er macht auf die in der Literatur vorhandenen Schwierigkeiten aufmerksam und enthält im Moment ein Musikstücks des Leiters des Jugendorchesters welches die anderen Orchester auch mitspielen. Daraus wird dann ein OnlineOrchester mit den gesamten Kindern der Orchester…. ich bin gespannt!
Ich selber nehme in die Nach- Coronazeit definitiv die kleinen Übvideos für die Kinder mit. (hatte ich sporadisch schon davor gedreht, finde ich mittlerweile sehr effektiv) und halte sie für sehr gut zum selbstständigen Lernen zu Hause.
Herzlichen Dank für Ihre tollen Anregungen und Motivation in einer herausfordernden Zeit!
Dorothea Friederike G.
Liebe Frau Holzer-Rhomberg,
Ihre Ausführungen sind voll zutreffend.
Ich gehe davon aus, dass Corona uns noch etwa 2 Jahre beschäftigen wird.
Für mich ist jetzt wichtig, zu klären unter welchen Voraussetzungen ein Präsenzunterricht möglich sein wird.
Hygienekonzepte müssen erarbeitet werden. Fraglich ist, ob Ensemblearbeit überhaupt möglich sein wird. Wie sieht es mit Mundschutz aus?
Mit Mundschutz kann man nicht singen.
Die Distanz von 2m sollte trotzdem eingehalten werden.
Es kommt noch einiges auf uns zu, die Krise hat gerade erst begonnen!
Über eine Zeit nach der Krise denke ich noch nocht nach!