Welche Kompetenzen braucht ein Musikschullehrer?
Heutzutage muss man als Instrumentalpädagoge Kompetenzen in sehr unterschiedlichen Bereichen mitbringen. Stellen Sie sich einmal folgenden Berufsalltag einer Geigenlehrerin vor:
Am Vormittag unterrichtet sie an der örtlichen Grundschule eine Streicherklasse mit 20 Kindern. In diesen Unterricht lässt sie neben instrumentenspezifischen Spieltechniken auch ein regelmäßiges Rhythmus-Training sowie die Schulung des Gehörs mit einfließen. Auch das Improvisieren – natürlich auf elementarem Niveau – darf nicht zu kurz kommen.
Anschließend erteilt sie einer Gruppe von 4-jährigen Kindern im Kindergarten Frühinstrumentalunterricht an der Geige. Diesen Unterricht gestaltet sie – an das Alter und die Konzentrationsfähigkeit der Kinder angepasst – sehr spielerisch.
Am Nachmittag geht es dann an der Musikschule weiter: Zuerst unterrichtet sie eine Dreiergruppe mit Teenagern, die ausschließlich aktuelle Popsongs spielen möchten. Diese müssen selbstverständlich vorher eigenhändig arrangiert werden, denn in der vorliegenden Besetzung gibt es natürlich keine käufliche Ausgabe.
Anschließend kommt ein Schüler, der sich zur Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule angemeldet hat. Dieser benötigt ein sorgfältig erarbeitetes Repertoire, mit dem er sowohl technisch als auch interpretatorisch die Prüfungskommission überzeugen kann.
Die nächste Schülerin tritt in der Sparte Kammermusik beim Landes-Musik-Wettbewerb an. Mit ihr erarbeitet die Lehrerin die 2. Violinstimme der auswählten Literatur.
Später kommt ein pensionierter Richter, der seine einstigen Kenntnisse am Instrument auffrischen will. Er braucht selbstverständlich auch Unterstützung beim Einüben der Stücke des örtlichen Amateur-Orchestervereins.
Um 18:00 begibt sich die Lehrerin in den Saal der Musikschule, wo sie die wöchentliche Probe des Kinderorchesters der Musikschule leitet. Da es in dieser Formation zwar derzeit keine Bratschenspieler, dafür aber zwei schon ziemlich fortgeschrittene Cellisten gibt, habt sie selbstverständlich zu Hause noch schnell am Computer die Violastimmen für das Cello umgeschrieben.
Um 20:00 Uhr hat sie dann noch eine Probe mit dem Symphonieorchester, da in zwei Tagen das nächste Abonnementkonzert ansteht … Finden Sie sich wieder?
Diese Berufsalltagsbeschreibung ist natürlich fiktiv, aber so ähnlich spielt es sich in Wirklichkeit auch ab.
Aufgabenprofile
Die in den letzten Jahren sehr vielfältig gewordenen Angebote im Bereich der Musikpädagogik führen auch zu unterschiedlichen Aufgabenprofilen. In einer Streicherklasse geht es vor allem um die Vermittlung musikalischer und instrumentaler Basiskompetenzen. Im Einzelunterricht zur Vorbereitung auf einen Wettbewerb oder auf ein Hochschulstudium stehen dagegen ganz andere Ziele im Vordergrund. Diese beiden Arbeitsbereiche verlangen nach sehr unterschiedlichen Kompetenzen der Pädagogen.
Eines sollte jedoch klar sein: Die Arbeit eines Musikschullehrers, der hauptsächlich Klassen- bzw. Gruppenunterricht erteilt und eher im Bereich der elementaren Musikvermittlung und allgemeinen Musikalisierung tätig ist, zählt nicht weniger als die Arbeit eines Musikschullehrers, der seine Schüler auf ein Musikstudium vorbereitet. Beides ist gleichermaßen wichtig für unsere Gesellschaft.
Differenzierung
So ein Berufsalltag, wie ich ihn oben beschrieben habe, kann für eine bestimmte Person sehr inspirierend sein, weil abwechslungsreich, für eine andere Person kann er aber auch überfordernd wirken. Bei so vielen unterschiedlichen Anforderungen stellt sich mir unweigerlich die Frage nach einer Differenzierung. Warum nicht die Aufgaben den Kompetenzen entsprechend verteilen?
Während ein Instrumentallehrer sich einer ganzen Schulklasse überhaupt nicht gewachsen fühlt, blüht sein Kollege in dieser Unterrichtsform geradezu auf. Manche sind wahre Spezialisten im Unterricht mit Vorschulkindern, während andere besonders gut mit Pubertierenden umgehen und diese motivieren können. Der eine Kollege erweist sich als äußerst erfolgreicher Orchesterpädagoge, während es die Stärke eines anderen ist, Schüler im Einzelunterricht zu einem künstlerisch sehr hohen Niveau zu führen. Wieder ein anderer schreibt wunderschöne, sowohl technisch als auch musikalisch adäquate Spielliteratur für seine unterschiedlichen Ensembles.
Stärken stärken
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir Instrumentalpädagogen – neben unserer künstlerischen Kompetenz und unserer Sozialkompetenz – unsere eigenen Stärken herausfinden und in Bereichen tätig werden, wo wir diese Stärken vermehrt einsetzen können. Dies wirkt sich nicht nur positiv auf unsere Arbeit, sondern in hohem Maße auch auf unsere Berufszufriedenheit aus.
Wo sehen Sie Ihre Stärken? Arbeiten Sie in einem Bereich, in dem Sie Ihre Stärken einsetzen können? Haben Sie sich auf einen Bereich spezialisiert? Oder lieben Sie es, alle Bereiche abzudecken? Wie wirkt sich das auf Ihren Berufsalltag aus? Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen!
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
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