Ziele-Check und Selbstreflexion
Das Schuljahr nähert sich mit Riesenschritten dem Ende, und damit stehen wir wieder vor der alljährlichen Aufgabe der Leistungsbeurteilung unserer Schüler und Schülerinnen: Also ein „Ziele-Check“ mit Benotung. Als erstes stellt sich natürlich immer wieder die Frage: Kann musikalisches Lernen überhaupt mit Schulnoten beurteilt werden? Ist das sinnvoll?
Wenn ja, welche Lernbereiche werden dabei wie stark gewichtet? Wie stark wirkt sich das „Talent“ des Schülers auf die Beurteilung aus, wie stark sein Fleiß und seine Anstrengungsbereitschaft? Gäbe es andere Beurteilungsmöglichkeiten als Schulnoten? Etwa eine verbale Beurteilung? Wäre eine solche an einer kommunalen Musikschule „erlaubt“ bzw. anerkannt? Auch an Schulen mit Öffentlichkeitsrecht?
Ziele-Check
Als Grundlage der Beurteilung dient mir eine „Bestandsaufnahme“ – ein Ziele-Check – zusammen mit dem Schüler. Wir haben ja zum Schuljahresbeginn gemeinsam Ziele für dieses Schuljahr festgelegt. Sind diese Ziele erreicht worden? Wenn ja, woran kann man das erkennen? Gab es eine Leistungsüberprüfung, ein Vorspiel, einen Wettbewerb? Hat er seine Ziele nicht erreicht – woran hat es gelegen? Hat der Schüler Aufgaben nicht verstanden? Hatte er „Schulstress“? Hatte er keine Zeit oder keine Lust zum Üben? Ist er immer ungeduldig, wenn etwas nicht gleich funktioniert? Könnte er die gesteckten Ziele zwar mit Leichtigkeit erreichen, war aber „faul“? Wie gehe ich als Lehrer damit um? Oder tut er sich eher schwer, übt aber regelmäßig und fleißig? Wie gehe ich damit bei der Leistungsbeurteilung um?
Selbstreflexion
Diese Zeit ist für mich als Pädagogin immer mit einer intensiven Selbsreflexion verbunden. Folgende Fragen stellen sich mir:
Fragen zum sozialen Aspekt:
- Hat sich der Schüler bei mir im Unterricht wohlgefühlt? Angenommen als Person?
- Habe auch ich mich als Pädagoge mit dem Schüler wohlgefühlt? War er bereit, von mir etwas anzunehmen, oder war er eher „informations-resistent“? Wenn ja, warum?
- War meine Kommunikation mit dem Schüler positiv und konstruktiv?
- Habe ich den Schüler ermutigt? Vertrauen in seine Fähigkeiten gehabt?
- Habe ich den Kontakt mit den Schülereltern gepflegt im Sinne einer funktionierenden „Teamarbeit“ (Schüler-Lehrer-Eltern)
- Habe ich den Schüler in eine Musiziergemeinschaft eingebunden?
- Habe ich den Schüler zu Eigeninitiative animiert?
Fragen zum fachlichen Aspekt:
- Waren die Ziele, die ich mit jedem Schüler gemeinsam besprochen und anvisiert habe, angemessen?
- Habe ich die Fähigkeiten des Schülers richtig eingeschätzt und ihm erreichbare Aufgaben gestellt?
- Habe ich meine methodische Vorgehensweise an den „Lerntyp“ des Schülers angepasst?
- Habe ich dem Schüler funktionierende Übe-Techniken mit auf den Weg gegeben?
- Habe ich dem Schüler auch das musiktheoretische „Knowhow“ vermittelt?
- Habe ich passende – herausfordernde aber nicht überfordernde – Literatur ausgewählt?
- Bin ich auch auf Literaturwünsche und „Kompositionsinitiativen“ des Schülers eingegangen?
- Konnte ich dem Schüler vermitteln, dass er mit seinem Musizieren eine „Geschichte erzählen“ kann? Dass er sich auf seinem Instrument individuell ausdrücken kann?
- Habe ich ihn dazu gebracht, sich selber zuzuhören? In sich selber hineinzufühlen?
- Habe ich den Schüler in Musikschulkonzerte eingebunden? Ihm sonstige Auftrittsmöglichkeiten verschafft?
- War ich dem Schüler durch mein eigenes künstlerisches Tun ein Vorbild?
Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Solche und ähnliche Fragen helfen mir, am Schuljahres-Ende Bilanz zu ziehen. Sie bringen mich auch immer wieder auf neue Ideen, um meinen Unterricht qualitativ zu optimieren. Natürlich haben wir als Pädagogen lediglich ein begrenztes „Zeit-Fenster“ zur Zusammenarbeit mit dem Schüler. Auf andere „Rahmenbedingungen“ haben wir keinen Einfluss. Deshalb ist es mir ein großes Anliegen, die Schüler beim Musizieren in verschieden Ensembles dieses Gefühl der Gemeinschaft erleben zu lassen. Sie sollen „Lust“ aufs Musizieren bekommen, Lust darauf, selber aktiv zu werden!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen erfolgreichen Abschluss dieses Schuljahres! Über einen Kommentar würde ich mich sehr freuen!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Andrea, wie immer wunderbare Anregungen und Gedanken, in diesem Fall zu einem von mir ungeliebten Thema, der Notengebung. Wahlweise auch eine verbale Beurteilung (statt einer Note) machen zu können wäre oft hilfreich!
Herzliche Grüße!
Lisa Fruhwirth
Liebe Lisa,
ja, das sehe ich auch so. Oder vielleicht zusätzlich zur Note noch ein paar Worte, mit denen man die musikalische Weiterentwicklung des Schülers im vergangenen Schuljahr beschreibt! Das wäre sicher motivierender als nur eine „Ziffer“!
Gruß, Andrea
Liebe Andrea,
ich schätze deine Newsletters sehr und finde sie unglaublich inspirierend und zur Reflektion anregend. Vielen herzlichen Dank für deine Grosszügigkeit Deine Schätze zu teilen!
Ich wünsche Dir einen schönen Sommer und freue mich auf Deine Inputs im neuen Schuljahr.
Herzlich,
Regula Dodds
Vielen Dank, liebe Regula!