Zielerreichung mit Schülern
Es gibt mittlerweile sehr viele Artikel zum Thema Ziele und Zielerreichung. Angefangen von der Frage „Was ist denn überhaupt ein Ziel?“, bis hin zu „Wie kann ich denn jetzt dieses Ziel auch erreichen?“, haben sich schon viele Menschen Gedanken darüber gemacht. Sicher kennen Sie alle die SMART – Methode, die besagt, das Ziel müsse: Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert sein. Lässt sich nun so eine Methode auch auf unseren Instrumentalunterricht anwenden, oder gibt es andere Methoden, die für die Art des Lernens im Instrumentalunterricht eventuell besser geeignet wären?
"Smarte" Ziellerreichung - geht das?
Hier ein Beispiel: Luise hat ein Ziel: Sie möchte den 1. Satz des G-Dur Violinkonzertes von Mozart spielen. Ist dieses Ziel spezifisch? Ja, ist es. Ist das Ziel messbar? Hier wird es schon schwieriger. Wann gilt denn das Ziel als erreicht? Wenn sie alle Töne spielen kann? Oder wenn sie es so spielen kann wie Hilary Hahn? Wie sieht es mit der Attraktivität aus? Ich denke, wenn sie das Ziel selbst ausgewählt hat, ist es für sie sicherlich attraktiv. Die Frage ist nun: Wie gehe ich im Unterricht mit ihr vor, dass dieses Ziel für sie auch attraktiv bleibt? Dass sie sich nicht auf dem Weg zum Ziel irgendwo verliert, sich überfordert fühlt und die Motivation in den Keller sinkt? Und wie sieht es mit dem nächsten Punkt aus? Ist das Ziel auch realistisch? Hier muss ich als Lehrperson erkennen können, unter welchen Bedingungen dieses Ziel für die Schülerin erreichbar sein kann. Da spielen ganz viele Aspekte mit hinein, deshalb ist das unter Umständen gar nicht so einfach. Und nun der letzte Punkt: Terminiert? Man kann zwar einen Vorspieltermin terminieren, aber kann man denn einen musikalischen Lernschritt wirklich genau terminieren? Kann ich terminieren, wann Luise die musikalische Aussage dieses Stückes tatsächlich verstanden hat und es stilgerecht interpretieren kann? Oder „genügt“ es, wenn sie es zu diesem Termin „irgendwie herunterwurschteln“ kann? Und – wer entscheidet das? Ja, ich möchte hier absichtlich ein wenig provozieren.
Wie können wir denn nun unsere Schüler angemessen zur Zielerreichung führen?
Wenn ein Schüler sich etwas zum Ziel gesetzt hat, ist er zunächst meist auch motiviert, dieses Ziel zu erreichen. Meine Aufgabe als Lehrperson ist es, die „notwendigen“ Schritte in allen musikalischen Lernbereichen für diesen Schüler zu erkennen, und diese in kleinere, machbare Schritte zu unterteilen, so dass auf dem langen Weg zum Ziel immer wieder kleinere Etappenziele erreicht werden, also Erfolgserlebnisse möglich sind.
Wir sehen uns also das gewünschte Musikstück gemeinsam an und überlegen: Was brauchen wir hier an Spieltechnik? Gibt es eine Spieltechnik, die der Schüler noch nicht erlernt hat? Was brauchen wir an musiktheoretischen Kenntnissen? Z. B. Dreiklangzerlegungen? Oder Wissen über Phrasierung? Oder … was auch immer. Was brauchen wir ganz konkret für die Zielerreichung?
Teilziele bestimmen
Wenn wir diese Bestandsaufnahme gemacht haben, geht es ans Festlegen von Teilzielen. Gibt es z. B. eine gute Übung für die erforderliche neue Spieltechnik? Welche Etüde könnte im Anschluss daran sinnvoll sein? Gibt es ein Musikstück, das ähnliche Herausforderungen wie das gewünschte hat, nur auf einem etwas niedrigeren Niveau? Könnte man dieses noch davor ins Programm aufnehmen, sozusagen als Vorbereitung? Dies halten wir alles schriftlich fest. Auf unserem Zieleblatt. Damit kommen wir der Zielerreichung schon wieder einen Schritt näher.
Commitment
Nun einigen wir uns auf Folgendes: Ich als Lehrperson verpflichte mich, alles in meiner Macht stehende zu tun, um den Schüler zu seinem Ziel zu führen: Das vorbereitende Material für ihn heraussuchen und ihm das notwendige Wissen und die gewünschten Fertigkeiten „nach bestem Wissen und Gewissen“ zu vermitteln.
Der Schüler wiederum verpflichtet sich, mit vollem Einsatz seinen Anteil an der „Arbeit“ verantwortungsvoll wahrzunehmen, also die neuen Inhalte regelmäßig zu überdenken und zu üben. Das ist so etwas wie ein „Verbündungsritual“: Wir verbünden uns, dass wir beide alles Notwendige tun werden, um gemeinsam das gewünschte Ziel zu erreichen. Dieses bewusste Commitment wirkt oft Wunder. Der Schüler fühlt sich von mir ernst genommen. Er sieht, dass ich meinen Anteil an der „Arbeit“ ernst nehme und verantwortungsvoll ausführe. Deshalb verpflichtet auch er sich gerne, seinen Teil der „Arbeit“ verlässlich zu tun. So werden wir zu einem produktiven „Gespann“, das gemeinsam konsequent dranbleibt, bis das Ziel erreicht ist. Und – wenn das Ziel erreicht ist – darf dies auch gefeiert werden!
Wie halten Sie es mit den Zielen im Unterricht? Gehen die Ziele eher von Ihren Schülern aus, oder geben Sie als Lehrperson immer wieder neue Ziele vor? Und: Wenn Ziele fixiert werden, geschieht dies eher mündlich oder schriftlich? Wie „feiern“ Sie mit den Schülern die erreichten Ziele? Teilen Sie gerne Ihre Erfahrungen dazu in den Kommentaren mit!
Herzlichst,
Ihre Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Andrea,
vor einem halben Jahr wollte eine Schülerin mit mir eine Wette abschließen. Sie würde in einer bestimmten Zeit alle 3 Sätze des h-moll Konzerts von Rieding lernen und vorspielen. Wenn sie es schaffe, wollte sie gerne das Musik-Stickerheftchen, welches sie in meinem Fach entdeckte haben. Nun, sie hat es nicht geschafft und das Stickerheft blieb in meinem Fach. Auf Verhandlungen ließ ich mich nicht ein. Stattdessen besprachen wir, warum sie es nicht geschafft hat. Am Ende des Gesprächs klebte ich ihr einen Spruch ins Heft: „Ich verliere niemals. Entweder gewinne ich oder ich lerne etwas dazu.“ Damit war die Sache abgeschlossen. Neulich sprach sie mich an, ob sie es noch einmal probieren könne. Die neue Wette lautet: Rondino von Rieding. Als LRS_ Kind hat sie Probleme mit dem Blattspiel. Ich gab ihr die Noten und ging aus dem Zimmer. SIE SPIELTE ES VOLLSTÄNDIG VOM BLATT DURCH. Dann markierten wir die Rondoteile. Noch hat sie drei Wochen Zeit
Was für ein hilfreicher Spruch: „Ich verliere niemals. Entweder ich gewinne oder ich lerne etwas dazu.“ Diesen Gedanken sollten wir uns alle zu Herzen nehmen, dann würden wir uns in so mancher Lebenssituation besser fühlen!
Und – was für ein Erfolg mit dem Blattspiel! Das ist wunderbar! Danke für diesen Kommentar! Da sieht man, was ein förderliches Mindset bewirken kann!