Zum Thema App
Als erstes möchte ich mich heute bedanken für die vielen konstruktiven Kommentare zum Thema Fiedel-Max als App! Ja, wir sind tatsächlich in einer großen Umbruchphase, die Digitalisierung schreitet immer mehr voran. Dies bringt auf der einen Seite viele Vorteile mit sich, man wird aber trotzdem immer gefordert sein, mit dem eigenen Hausverstand zu entscheiden, wo man sie einsetzen möchte und wo nicht.
App als zusätzliche Möglichkeit
Die Fiedel-Max App bringt tatsächlich viele Vorteile mit, die ich ja im letzten Blogartikel ausführlich beschrieben habe. Trotzdem wird es weiterhin selbstverständlich das Buch geben, das natürlich eine andere Haptik hat als ein Tablet, und in das man wie gewohnt hineinschreiben kann. Die App bietet einfach zusätzlich viele Funktionen an, die ein Buch nicht bieten kann, wie z.B. mit einem Klick das Hörbeispiel oder den Begleittrack abspielen und sofort das passende Tempo einstellen.
Einige von Ihnen haben geschrieben, dass – seit es die Play-Alongs mit Download-Link gibt – die Kinder viel weniger mit Begleitung spielen. Dazu möchte ich eine kleine Geschichte erzählen:
Kassettenrekorder
Als ich anfing zu unterrichten, gab es noch keine Violinschulen mit Audio-Tracks. Mir war aber immer klar, dass Musik lernen über’s Ohr gehen muss. Durch das Anhören der Musikstücke entwickelt sich im Kind eine Klangvorstellung und eine Tonhöhenvorstellung und auch ein Stilempfinden. Das kann man mit Worten nicht wirklich gut erklären, das muss man einfach hören. Ich hatte damals einen Kassettenrekorder mit eingebautem Mikrofon, sodass ich selber etwas einspielen konnte. So spielte ich Woche für Woche für jedes Kind die zu übenden Lieder auf Kassette ein. Dies half den Kindern ungemein, einen schönen Klang und eine gute Intonation zu entwickeln. Eines Tages gab der Kassettenrekorder seinen Geist auf. Ich wollte gleich einen neuen kaufen und musste feststellen, dass es keine Geräte mehr mit eingebautem Mikrofon gab. Damals gab es noch kein Amazon oder Ebay, wo man vielleicht noch ein solches Gerät finden hätte können. Ich war auf die heimischen Händler angewiesen. Was also tun?
CD-Brenner
Zu dieser Zeit gab es bereits CDs, und es kamen die ersten CD-Brenner auf den Markt, mit denen man selber bei sich zu Hause CDs brennen konnte. Zum Einspielen brauchte natürlich auch das Aufnahme-Equipment dazu. Ein Kollege von mir – ein sehr technikaffiner Mensch – hatte sich all das bereits angeschafft. Er produzierte später damit viele CDs von Musikschulkonzerten für die Musikschule. Er zeigte mir, wie das alles funktionierte. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar. So kaufte ich mir dann mein erstes Aufnahme- und CD-Brenngerät. Das war eine Kiste, die aussah wie ein Mischpult. Ich konnte auf mehreren Spuren etwas aufnehmen, aber nicht schneiden. Die Aufnahmen mussten auf Anhieb sitzen. Anschließend konnte man die Aufnahmen in eine Reihenfolge bringen und einen CD-Rohling einschieben, darauf wurden die Tracks dann gebrannt. So spielte ich alle Stücke ein, zuerst die Begleitung am Klavier, dann setzte ich Kopfhörer auf und spielt auf eine zweite Spur die Geige bzw. die Bratsche dazu. Dann wurden die zwei Spuren auf einer Masterspur zusammengeführt und anschließend alle Masterspuren auf CD gebrannt. Dieser Vorgang hat ganz schön lange gedauert!
Die Digitalisierung und das "Schwinden" der CD-Player
Leider ist es heute so, dass ganz viele Leute zu Hause keine Möglichkeit mehr haben, CDs abzuspielen. Sie haben keinen CD-Player mehr und auch die modernen PCs und Laptops haben kein CD-Laufwerk mehr. Dies hat uns dazu bewogen, die Audio-Tracks nun als Download-Datei anzubieten. Das hat aber einen kleinen Nachteil: Es ist für Eltern mit Arbeit verbunden, die Tracks für ihre Kinder herunterzuladen. Deshalb wird dieses Angebot leider oft nicht genutzt, was sehr schade ist. Mit der App ist dieses „Problem“ vom Tisch, denn nichts ist einfacher, als mit einem Klick in die Noten den Track zu starten.
Digitalisierung in Familien
Spätestens seit der Zeit der unliebsamen Lockdowns sind die meisten Familien mit Schulkindern digital so aufgestellt, dass für Unterrichts- und Lernzwecke ein Tablet vorhanden ist. Manche Kinder bekamen ja sogar Tablets von der Schule. Ich will hier aber keineswegs die Digitalisierung schönreden. Ich weiß, wie viel Suchtpotential da drin steckt, vor allem für junge Menschen. Ich finde es auch absolut unerlässlich, den Umgang der Kinder mit digitalen Medien in einem „gesundheitlich verträglichen Maß“ zu halten. Meine Devise bei neuen Dingen ist immer: Das Gute daran nützen, das andere weglassen. Selbst entscheiden. Es ist wie mit dem Hammer: Man kann ihn benutzen, um ein schönes Bild aufzuhängen, man kann ihn aber auch … Sie wissen schon. Schlussendlich darf jeder selbst wählen. Wir sind alle unterschiedlich und haben auch unterschiedliche Vorlieben und Ansichten. Und – so lange es Wahlmöglichkeiten gibt – ist es gut!
Herzliche Grüße,
Ihre
Andrea Holzer-Rhomberg
Liebe Andrea,
das Konzept der Fiedel-Max-App klingt interessant und durchdacht und ist sicher in der Praxis gut zu gebrauchen (wobei Voraussetzung wohl ein Tablet sein dürfte; der Handy-Bildschirm ist viel zu klein, es sei denn, man nutzt App und Heft parallel).
Ich möchte allerdings noch einen anderen Aspekt in die Diskussion einbringen, der noch nicht angesprochen wurde. Meiner Erfahrung nach tun sich jüngere Anfänger eher schwer damit, exakt zu einer voreingespielten Begleitung zu spielen. Sie sind so mit sich beschäftigt, dass sie erst langsam lernen müssten, auf die Aufnahme so gut zu hören, dass sie adäquat mitspielen können. Sicher kann man das trainieren. Die Frage ist nur, ob das so wichtig ist. Denn: Ich nutze die so knapp bemessene Zeit der Geigenstunde lieber, um mit den Kindern gemeinsam zu musizieren. Ich bin der Meinung, dass es viel mehr bringt, sie live am Klavier zu begleiten (die Begleitungen sind dankenswerterweise so einfach gehalten, dass selbst ich als Nebenfachpianistin sie unschwer schaffe). Und wenn das nicht möglich ist oder kein Klavier zur Verfügung steht, dann improvisiere ich eine zweite Stimme auf der Geige. Wenn das Kind Fehler macht, kann ich flexibel reagieren, und ich bin mir sicher, das gemeinsame Musizieren macht nicht nur mir, sondern auch dem Kind mehr Freude, als wenn nebenher eine Maschine läuft. Mal ganz abgesehen davon, dass es unsere Beziehung stärkt. Das rhythmisch exakte Spiel kommt dann schon allmählich, spätestens , wenn die Kinder mit ihresgleichen im Ensemble spielen. Die Freude am gemeinsamen Musizieren, die ist es, die ich dem Kind von Anfang an vermitteln möchte.
Und wie ist das nun mit dem Lernen durch Anhören des Vorbildes? Auch da, denke ich, genügt das Live-Vorspielen in der Geigenstunde. Frühere Generationen haben es ja auch ohne die technische Unterstützung gelernt…
Das soll jetzt nicht heißen, dass ich total dagegen bin, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Ich weise die Kinder immer auf die CD bzw. Downloads hin. Manche nutzen sie, die meisten eher nicht, und ich bestehe auch nicht darauf. Es kommt halt immer darauf an, welche Prioritäten man setzt.
Liebe Annette,
vielen Dank für die wertvollen Überlegungen! Da stimme ich völlig zu: Das gemeinsame Musizieren in der Unterrichtsstunde ist einem technischen Medium immer vorzuziehen. Die Begleit-Tracks der App sowie auch vorher der CDs war immer vor allem für das Üben zu Hause gedacht, wenn im Elternhaus niemand mitspielen kann. Oft genügt es auch schon, wenn die Kinder das Lied zu Hause anhören. Sie sollen ja nicht nur ihre eigene Stimme kennen lernen, sondern auch hören können, wie das Lied „als Ganzes“, also mit Begleitung, klingt. Dann bekommen sie auch ein Gefühl für den Rhythmus, ein einheitliches Tempo, eine saubere Intonation, usw.
Wenn sie dann noch mitspielen möchten, können sie das Tempo so einstellen, dass sie dies auch erfolgreich schaffen. Mitspielen ist nebenbei auch eine gute Vorbereitung für eine „Live-Klavierprobe“ vor einem Vorspiel. Das Ziel ist einfach, dass jeder genau jene Vorteile nutzen kann, die er braucht. Wenn ein Kind z. B. einen Klavier spielenden Vater (Mutter/Oma/Opa) zu Hause hat, der ihn regelmäßig beim Üben begleitet, wird es diese Funktion der App nicht brauchen, das versteht sich von selbst. Oft erweckt das Anhören eines Musikstückes aber auch eine starke Motivation, das Stück zu üben!
Liebe Grüße,
Andrea
Liebe Andrea,
leider finde ich die App (noch ?) nicht im App-Store, wiran kann das liegen ?
Bin auf jeden Fall sehr gespannt drauf.
Viele Grüße aus Berlin,
ulrike
Liebe Ulrike,
die App ist noch nicht auf dem Markt, es wird aber nicht mehr lange dauern. Wir sind noch in der abschließenden Testphase. Es sieht gut aus, und ich werde es sofort im Newsletter bzw. auf dem Blog bekannt geben, wenn sie in den App-Stores erhältlich ist.
Liebe Grüße,
Andrea
Liebe Andrea,
vielen Dank für Deinen unermüdlichen Einsatz, das Lernen und Lehren unserer Sreichinstrumente zu erleichtern und trotzdem auf einem hohen Niveau zu halten. Bei allen Neuerungen und Hilfestellungen bleibt es natürlich grundsätzlich dabei, dass die Kinder einen guten, konsequenten Unterricht haben sollten und selbst ihren Beitrag mit regelmäßigem Üben zu Hause leisten müssen.
Die App für Fiedelmax finde ich sehr interessant und werde sie mit Sicherheit ausprobieren.
Ich selbst habe in der in Deutschland sehr langen Lockdown-Zeit (immerhin ein halbes Jahr, in dem ich meine Schülerinnen und Schüler nur online unterrichten konnte) damit begonnen, selbst Playalongs zu produzieren und sie so zu gestalten, wie ich das Stück gerne hätte. Dadurch war es meinen Schülerinnen und Schülern möglich, ihre Stücke mit Begleitung zu spielen. Daraus sind dann auch mehrere Video-Vorspiele geworden. Kleinere und größere Pannen in der Intonation und im Rhythmus konnte ich beim Zusammenschneiden der Violin- und Klavierstimme beheben, so dass alle ein schönes Ergebnis hatten.
Jetzt nutze ich weiterhin gerne Apps zur Begleitung. Sie helfen den Schülerinnen und Schülern enorm beim Lernen. auch als Vorereitung auf Kavierproben, die immer sehr kurz und sparsam sind. Wenn sie mit der Maschine ihre Einsätze können, dann schaffen sie es auch mit einer „echten“ Begleitung.
„Früher“ war sehr vieles anders.
„Früher“ hatten mehr Kinder Kontakt zu klassischer Musik und damit hatten sie auch eher eine Klangvorstellung. Jetzt kennen sie nicht mal mehr die alten Kinder- und Volkslieder.
„Früher“ hatten mehr Kinder länger Unterricht als 20 oder 30 Minuten. Man konnte mehr mit ihnen arbeiten.
„Früher“ hatten die Kinder auch mehr Zeit zum Üben, die Eltern haben auch mehr darauf geachtet (ist meine Erfahrung).
„Früher“ gab es diese Möglichkeiten gar nicht, sonst hätten wir sicher auch schon davon profitiert.
Ich spiele auch lieber mit meinen Schülerinnen und Schülern direkt zusammen. Aber ich nehme mir auch ab und zu die Zeit, ihnen das Arbeiten mit einer App zu zeigen. Und es wird gerne angenommen.
Es machen nicht alle, das verlange ich auch nicht. Es ist ein weiteres Angebot. Ich persönlich finde es gut und hilfreich. Und es kommt auch bei den Kindern und Eltern ganz gut an, dass ich, als nicht mehr so ganz junge Lehrerin, mich mit diesen Dingen auskenne. Die Abwechslung ist auch bestimmt wichtig. Einmal ein Konzert mit von der App begleiteten Pop- und Rocksongs, als nächstes ein Programm mit Volksmusik, die ohne Noten und in der Gruppe gelernt wird. Dann wieder ein Vorspiel mit Stücken aus dem unerschöpflichen Kanon unserer Streicherliteratur.
Die Zeiten sind andere, sie änderen sich rasant. Und damit die Gesellschaft. Dagegenhalten funktioniert nicht. Also nutze ich die mir an die Hand gegebenen Möglichkeiten, um die mit dem Musizieren so eng verbundenen und wichtigen Werte zu vermitteln und zu erhalten.
Nochmals vielen Dank, Andrea, dass Du ebenfalls hier mehr Chancen als Schaden erkennst.
Viele Grüße,
Uta Babinecz-Ellwanger
Liebe Uta,
vielen Dank für den so wertvollen Kommentar! Ja, das „Live-Zusammenspiel“ mit den Schülern ist selbstverständlich einem technischen Medium immer noch vorzuziehen. Das gemeinsame Musizieren steht auch bei mir immer im Vordergrund und das ist es auch, was ich während der Lockdowns am meisten vermisst habe! Die technischen Medien können eben nicht alles „ersetzen“, und das ist auch gut so. Trotzdem darf man auch mit der Zeit und ihren Entwicklungen mitgehen und die Möglichkeiten, die sie bieten, dort einsetzen, wo sie Sinn machen! Und das kann man ja von Schüler zu Schüler passend entscheiden, das ist das Gute daran!
Liebe Grüße,
Andrea